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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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9) Werden allhier verkaufft Zirckel, nicht von Silber, Meßing oder
Stahl, sondern von der eigen nutzigen Reputation, die sich in allen Ehren-Stän-
den befindet, verfertiget und zugerichtet seynd über alle Massen dienlich, seine
eigenen Actiones täglich damit abzumessen. Denn die Erfahrung giebet ei-
nem jedem genugsam zu erkennen, daß diejenigen Zirckel, so aus eigenem Ge-
hirn, und Privat-Interesse geschmiedet werden, denenjenigen gar übel gerathen,
welche in ihren täglichen Geschäfften alle Linien in einen Punct zusammen brin-
gen wollen zu geschweigen, daß dergleichen Zirckel denenjenigen, so sie
recht zu gebrauchen wissen, sehr nutz und dienlich seye welche sich um Re-
putation
willen, hoher Geschäffte unterfangen, dieselben recht abzumessen,
damit sie nicht in der Mitte stecken bleiben, und hernach wie Butter in der
Sonnen bestehen. So haben auch alle Verthuer und Schlecker- oder Lecker-
Mäuler, welche mehr wollen verzehren als ihr Pflug erwerben kan, kein besser
Instrument, die nothwendige, Tugend zu erlernen, nicht höher zu steigen, als
ihnen die Federn gewachsen.
10) Verkauffen die Politici in dem Parnasso eine Art von Meßruthen, so
die Acker-Leute zu gebrauchen pflegen, denen sehr nöthig, welche mit andern
Leuten wichtige und hohe Geschäffte zu tractiren, oder ihnen heimliche Sachen
zu vertrauen haben, damit sie dieselben in allen Ecken und Winckeln wohl aus-
messen und erforschen können.
11) Ist allhier grosser Vertrieb von einer Art eiserner Instrumenten, de-
nen, so die Wund-Artzte und Zahnbrecher zu gebrauchen pflegen, nicht gar un-
gleich. Sie seynd sehr nützlich und gut denen unglückseligen Hofleuten den
Schlund und die Gurgel damit zu erweitern, welche zu Zeiten aus der Noth
eine Tugend machen, und an statt derer kleinen Pillen, grosse Kürbiße einschlu-
cken müssen.
12) Findet sich allhier eine grosse Menge von Besen, so von lauter Vorsich-
tigkeit geflochten, und zusammen gebunden seynd. Diese werden sehr von klugen
und verschlagenen Hofleuten eingekaufft, des Morgens und Abends die Stiegen
sauber und wohl zukehren, damit sie nicht über die gefährliche Erbsen fallen, welche
etliche mißgönstige darauf zu streuen pflegen, so sich mehr delectiren und belu-
stigen anderer Leute Actiones zu vernichten und zu verkleinern, als ihre eigenen
wohl anzustellen, und sich allein befleißigen andere ehrliche Leute um ihren guten
Namen, Ehre und Reputation zu bringen.
13) Be-
9) Werden allhier verkaufft Zirckel, nicht von Silber, Meßing oder
Stahl, ſondern von der eigen nutzigen Reputation, die ſich in allen Ehren-Staͤn-
den befindet, verfertiget und zugerichtet ſeynd uͤber alle Maſſen dienlich, ſeine
eigenen Actiones taͤglich damit abzumeſſen. Denn die Erfahrung giebet ei-
nem jedem genugſam zu erkennen, daß diejenigen Zirckel, ſo aus eigenem Ge-
hirn, und Privat-Intereſſe geſchmiedet werden, denenjenigen gar uͤbel gerathen,
welche in ihren taͤglichen Geſchaͤfften alle Linien in einen Punct zuſammen brin-
gen wollen zu geſchweigen, daß dergleichen Zirckel denenjenigen, ſo ſie
recht zu gebrauchen wiſſen, ſehr nutz und dienlich ſeye welche ſich um Re-
putation
willen, hoher Geſchaͤffte unterfangen, dieſelben recht abzumeſſen,
damit ſie nicht in der Mitte ſtecken bleiben, und hernach wie Butter in der
Sonnen beſtehen. So haben auch alle Verthuer und Schlecker- oder Lecker-
Maͤuler, welche mehr wollen verzehren als ihr Pflug erwerben kan, kein beſſer
Inſtrument, die nothwendige, Tugend zu erlernen, nicht hoͤher zu ſteigen, als
ihnen die Federn gewachſen.
10) Verkauffen die Politici in dem Parnaſſo eine Art von Meßruthen, ſo
die Acker-Leute zu gebrauchen pflegen, denen ſehr noͤthig, welche mit andern
Leuten wichtige und hohe Geſchaͤffte zu tractiren, oder ihnen heimliche Sachen
zu vertrauen haben, damit ſie dieſelben in allen Ecken und Winckeln wohl aus-
meſſen und erforſchen koͤnnen.
11) Iſt allhier groſſer Vertrieb von einer Art eiſerner Inſtrumenten, de-
nen, ſo die Wund-Artzte und Zahnbrecher zu gebrauchen pflegen, nicht gar un-
gleich. Sie ſeynd ſehr nuͤtzlich und gut denen ungluͤckſeligen Hofleuten den
Schlund und die Gurgel damit zu erweitern, welche zu Zeiten aus der Noth
eine Tugend machen, und an ſtatt derer kleinen Pillen, groſſe Kuͤrbiße einſchlu-
cken muͤſſen.
12) Findet ſich allhier eine groſſe Menge von Beſen, ſo von lauter Vorſich-
tigkeit geflochten, und zuſammen gebunden ſeynd. Dieſe werden ſehr von klugen
und verſchlagenen Hofleuten eingekaufft, des Morgens und Abends die Stiegen
ſauber und wohl zukehren, damit ſie nicht uͤber die gefaͤhrliche Erbſen fallen, welche
etliche mißgoͤnſtige darauf zu ſtreuen pflegen, ſo ſich mehr delectiren und belu-
ſtigen anderer Leute Actiones zu vernichten und zu verkleinern, als ihre eigenen
wohl anzuſtellen, und ſich allein befleißigen andere ehrliche Leute um ihren guten
Namen, Ehre und Reputation zu bringen.
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[94/0138] 9) Werden allhier verkaufft Zirckel, nicht von Silber, Meßing oder Stahl, ſondern von der eigen nutzigen Reputation, die ſich in allen Ehren-Staͤn- den befindet, verfertiget und zugerichtet ſeynd uͤber alle Maſſen dienlich, ſeine eigenen Actiones taͤglich damit abzumeſſen. Denn die Erfahrung giebet ei- nem jedem genugſam zu erkennen, daß diejenigen Zirckel, ſo aus eigenem Ge- hirn, und Privat-Intereſſe geſchmiedet werden, denenjenigen gar uͤbel gerathen, welche in ihren taͤglichen Geſchaͤfften alle Linien in einen Punct zuſammen brin- gen wollen zu geſchweigen, daß dergleichen Zirckel denenjenigen, ſo ſie recht zu gebrauchen wiſſen, ſehr nutz und dienlich ſeye welche ſich um Re- putation willen, hoher Geſchaͤffte unterfangen, dieſelben recht abzumeſſen, damit ſie nicht in der Mitte ſtecken bleiben, und hernach wie Butter in der Sonnen beſtehen. So haben auch alle Verthuer und Schlecker- oder Lecker- Maͤuler, welche mehr wollen verzehren als ihr Pflug erwerben kan, kein beſſer Inſtrument, die nothwendige, Tugend zu erlernen, nicht hoͤher zu ſteigen, als ihnen die Federn gewachſen. 10) Verkauffen die Politici in dem Parnaſſo eine Art von Meßruthen, ſo die Acker-Leute zu gebrauchen pflegen, denen ſehr noͤthig, welche mit andern Leuten wichtige und hohe Geſchaͤffte zu tractiren, oder ihnen heimliche Sachen zu vertrauen haben, damit ſie dieſelben in allen Ecken und Winckeln wohl aus- meſſen und erforſchen koͤnnen. 11) Iſt allhier groſſer Vertrieb von einer Art eiſerner Inſtrumenten, de- nen, ſo die Wund-Artzte und Zahnbrecher zu gebrauchen pflegen, nicht gar un- gleich. Sie ſeynd ſehr nuͤtzlich und gut denen ungluͤckſeligen Hofleuten den Schlund und die Gurgel damit zu erweitern, welche zu Zeiten aus der Noth eine Tugend machen, und an ſtatt derer kleinen Pillen, groſſe Kuͤrbiße einſchlu- cken muͤſſen. 12) Findet ſich allhier eine groſſe Menge von Beſen, ſo von lauter Vorſich- tigkeit geflochten, und zuſammen gebunden ſeynd. Dieſe werden ſehr von klugen und verſchlagenen Hofleuten eingekaufft, des Morgens und Abends die Stiegen ſauber und wohl zukehren, damit ſie nicht uͤber die gefaͤhrliche Erbſen fallen, welche etliche mißgoͤnſtige darauf zu ſtreuen pflegen, ſo ſich mehr delectiren und belu- ſtigen anderer Leute Actiones zu vernichten und zu verkleinern, als ihre eigenen wohl anzuſtellen, und ſich allein befleißigen andere ehrliche Leute um ihren guten Namen, Ehre und Reputation zu bringen. 13) Be-

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/138>, abgerufen am 21.11.2024.