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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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Ein Studiosus, als er sich mit einem gehauen, und einen Streich mit der
flachen Klinge auf ein Bein bekommen, meynte er wäre sehr verwundet. Er
lieff auch alsobald zu dem Chirurgo. Nachdem aber dieser das Bein hin und
wieder besehen, und gesagt, er finde nichts daran, sprach der Studiosus: So
wird es dann an dem andern Fuß seyn. Denn ein vor allemal ist es ge-
wiß, daß ich einen Streich bekommen habe.

Ein anderer als er hörte erzehlen, daß eines geköpfften Haupt etlichemal
gejähnet und gezittert habe, sagte, das wäre kein Wunder. Er hätte
wohl öffters gesehen, daß wann man ein Stücke gebraten Fleisch auf den
Tisch getragen, es gezittert habe.

Ein Medicus, als er auf einem Dorffe ein Uhrwerck sahe, dessen Zeiger
immer auf zwölffe stunde, sagte aus Ernst und Einfalt, es wäre das aller-
richtigste Uhrwerck im gantzen Lande, wann es Mittag seye.

Ein Philosophus zu N. wurde zu dem Fürsten zu N. zum Mittags-Mahl
beruffen. Als er nun in seinem Talar, oder langen Rock, hinauf in das
Schloß gestiegen kam, und wegen des warmen Wetters sehr schwitzete, sagte
der Fürst zu ihm, warum er den schweren Rock angethan, er hätte
wohl einen leichten Mantel nehmen können.
Hierauf besahe der Fürst
den Rock recht genau, und befande ihn vorne mit Sammet gefüttert. Daher
nahm der Fürst Anlaß zu sagen: Ihr müsset wohl schwitzen, wegen des
schweren Futters.
Da wandte der Philosophus dem Fürsten den Rücken
zu, hub den Rock hinden bey dem Gesäße auf, um den Fürsten zu zeigen, daß
er nicht allenthalben so schwer, noch mit Sammet gefüttert wäre. Allein er
bediente sich darbey einer sehr unhöfflichen Redens-Art, indem er sprach:
Gnädigster Herr! Dahinten stecket der Beschiß, (Betrug.)

Ein Magistrandus, als er bey dem Examine gefraget wurde, warum die
Hunde das eine Bein auf hüben, wann sie pisseten?
antwortete derselbe:
Damit sie die Schuhe nicht bebruntzen.

Ein voller Gerichts-Actuarius, als er des Nachts neben einem kleinen
Bächlein, welches daher rauschte, sein Wasser abschlug, blieb die halbe Nacht
aufrecht stehen, vermeynete er pisse so lange, weil er das Bächlein rauschen
hörte.

Ein

Ein Studioſus, als er ſich mit einem gehauen, und einen Streich mit der
flachen Klinge auf ein Bein bekommen, meynte er waͤre ſehr verwundet. Er
lieff auch alſobald zu dem Chirurgo. Nachdem aber dieſer das Bein hin und
wieder beſehen, und geſagt, er finde nichts daran, ſprach der Studioſus: So
wird es dann an dem andern Fuß ſeyn. Denn ein vor allemal iſt es ge-
wiß, daß ich einen Streich bekommen habe.

Ein anderer als er hoͤrte erzehlen, daß eines gekoͤpfften Haupt etlichemal
gejaͤhnet und gezittert habe, ſagte, das waͤre kein Wunder. Er haͤtte
wohl oͤffters geſehen, daß wann man ein Stuͤcke gebraten Fleiſch auf den
Tiſch getragen, es gezittert habe.

Ein Medicus, als er auf einem Dorffe ein Uhrwerck ſahe, deſſen Zeiger
immer auf zwoͤlffe ſtunde, ſagte aus Ernſt und Einfalt, es waͤre das aller-
richtigſte Uhrwerck im gantzen Lande, wann es Mittag ſeye.

Ein Philoſophus zu N. wurde zu dem Fuͤrſten zu N. zum Mittags-Mahl
beruffen. Als er nun in ſeinem Talar, oder langen Rock, hinauf in das
Schloß geſtiegen kam, und wegen des warmen Wetters ſehr ſchwitzete, ſagte
der Fuͤrſt zu ihm, warum er den ſchweren Rock angethan, er haͤtte
wohl einen leichten Mantel nehmen koͤnnen.
Hierauf beſahe der Fuͤrſt
den Rock recht genau, und befande ihn vorne mit Sammet gefuͤttert. Daher
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ſchweren Futters.
Da wandte der Philoſophus dem Fuͤrſten den Ruͤcken
zu, hub den Rock hinden bey dem Geſaͤße auf, um den Fuͤrſten zu zeigen, daß
er nicht allenthalben ſo ſchwer, noch mit Sammet gefuͤttert waͤre. Allein er
bediente ſich darbey einer ſehr unhoͤfflichen Redens-Art, indem er ſprach:
Gnaͤdigſter Herr! Dahinten ſtecket der Beſchiß, (Betrug.)

Ein Magiſtrandus, als er bey dem Examine gefraget wurde, warum die
Hunde das eine Bein auf huͤben, wann ſie piſſeten?
antwortete derſelbe:
Damit ſie die Schuhe nicht bebruntzen.

Ein voller Gerichts-Actuarius, als er des Nachts neben einem kleinen
Baͤchlein, welches daher rauſchte, ſein Waſſer abſchlug, blieb die halbe Nacht
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[86/0130] Ein Studioſus, als er ſich mit einem gehauen, und einen Streich mit der flachen Klinge auf ein Bein bekommen, meynte er waͤre ſehr verwundet. Er lieff auch alſobald zu dem Chirurgo. Nachdem aber dieſer das Bein hin und wieder beſehen, und geſagt, er finde nichts daran, ſprach der Studioſus: So wird es dann an dem andern Fuß ſeyn. Denn ein vor allemal iſt es ge- wiß, daß ich einen Streich bekommen habe. Ein anderer als er hoͤrte erzehlen, daß eines gekoͤpfften Haupt etlichemal gejaͤhnet und gezittert habe, ſagte, das waͤre kein Wunder. Er haͤtte wohl oͤffters geſehen, daß wann man ein Stuͤcke gebraten Fleiſch auf den Tiſch getragen, es gezittert habe. Ein Medicus, als er auf einem Dorffe ein Uhrwerck ſahe, deſſen Zeiger immer auf zwoͤlffe ſtunde, ſagte aus Ernſt und Einfalt, es waͤre das aller- richtigſte Uhrwerck im gantzen Lande, wann es Mittag ſeye. Ein Philoſophus zu N. wurde zu dem Fuͤrſten zu N. zum Mittags-Mahl beruffen. Als er nun in ſeinem Talar, oder langen Rock, hinauf in das Schloß geſtiegen kam, und wegen des warmen Wetters ſehr ſchwitzete, ſagte der Fuͤrſt zu ihm, warum er den ſchweren Rock angethan, er haͤtte wohl einen leichten Mantel nehmen koͤnnen. Hierauf beſahe der Fuͤrſt den Rock recht genau, und befande ihn vorne mit Sammet gefuͤttert. Daher nahm der Fuͤrſt Anlaß zu ſagen: Ihr muͤſſet wohl ſchwitzen, wegen des ſchweren Futters. Da wandte der Philoſophus dem Fuͤrſten den Ruͤcken zu, hub den Rock hinden bey dem Geſaͤße auf, um den Fuͤrſten zu zeigen, daß er nicht allenthalben ſo ſchwer, noch mit Sammet gefuͤttert waͤre. Allein er bediente ſich darbey einer ſehr unhoͤfflichen Redens-Art, indem er ſprach: Gnaͤdigſter Herr! Dahinten ſtecket der Beſchiß, (Betrug.) Ein Magiſtrandus, als er bey dem Examine gefraget wurde, warum die Hunde das eine Bein auf huͤben, wann ſie piſſeten? antwortete derſelbe: Damit ſie die Schuhe nicht bebruntzen. Ein voller Gerichts-Actuarius, als er des Nachts neben einem kleinen Baͤchlein, welches daher rauſchte, ſein Waſſer abſchlug, blieb die halbe Nacht aufrecht ſtehen, vermeynete er piſſe ſo lange, weil er das Baͤchlein rauſchen hoͤrte. Ein

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/130>, abgerufen am 05.05.2024.