Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite

Ein Cantor sahe Spatzen auf einem Baum sitzen, lieff hinzu, hielte seinen
Mantel unter, und schüttelte den Baum, als wolte er sie im Fallen, gleich wie
die Aepffel oder Birne, fangen.

Ein Philosophus war auf seinen Meyer-Hof vor die Stadt hinnaus gezo-
gen. Da fragte er den über den Hof bestelleten Mann, ob das Wasser im
Zieh-Brunnen gut zu trincken ware
? Als dieser antwortete, es ware sehr
gut, und seine Vor-Eltern hätten alle daraus getruncken
, sagte er dar-
auf: So müssen sie denn lange Hälse gehabt haben, daß sie so tief haben
können hinab reichen
.

Ebenfalls ein Philosophus begegnete einem Studioso Jur. und sprach zu
ihm: Siehe da! Ich habe doch gehöret als ob ihr gestorben seyd.
Dieser antwortete: Hier sehet ihr aber daß ich noch lebe. Darauf ver-
setzte der Philosophus, er glaube dem, der es ihm gesaget habe, mehr
als ihm
.

Noch ein anderer Philosophus, als er hörete eine Krähe könte zweyhun-
gert Jahre leben, wolte es selbst versuchen, kauffte eine, und hielte sie daheim
in einem Käfig.

Ein Legations-Secretarius befande sich auf der See, und es ereignete sich
ein so entsetzlicher Sturm, daß ein jeder von denen, die mit auf dem Schiffe
waren etwas ergriffe, um darauf im Fall der Noth, wann es etwa einen
Schiffbruch gäbe, an das Land zu fahren. Da fassete der Legations-Secreta-
rius
den Ancker, und hielte sich feste daran.

Es war einer aus Zwilling-Brüdern gestorben. Da kam zu dem an-
noch lebenden ein Professor, und fragte ihn, ob er oder sein Bruder gestor-
ben wäre
?

Einer ließ sich über den Rhein schiffen, und blieb doch in der Fehre auf sei-
nem Pferde halten. Als man ihn fragte, warum er nicht abstiege, ant-
wortete er: Damit ich desto geschwinder hinüber komme.

Es hatte ein Magister seiner Bekandten einem, der auf dem Lande wohnete
geschrieben er solte ihm doch etliche Bücher kauffen, legte auch zu dem Ende

das
J 3

Ein Cantor ſahe Spatzen auf einem Baum ſitzen, lieff hinzu, hielte ſeinen
Mantel unter, und ſchuͤttelte den Baum, als wolte er ſie im Fallen, gleich wie
die Aepffel oder Birne, fangen.

Ein Philoſophus war auf ſeinen Meyer-Hof vor die Stadt hinnaus gezo-
gen. Da fragte er den uͤber den Hof beſtelleten Mann, ob das Waſſer im
Zieh-Brunnen gut zu trincken wåre
? Als dieſer antwortete, es wåre ſehr
gut, und ſeine Vor-Eltern haͤtten alle daraus getruncken
, ſagte er dar-
auf: So muͤſſen ſie denn lange Haͤlſe gehabt haben, daß ſie ſo tief haben
koͤnnen hinab reichen
.

Ebenfalls ein Philoſophus begegnete einem Studioſo Jur. und ſprach zu
ihm: Siehe da! Ich habe doch gehoͤret als ob ihr geſtorben ſeyd.
Dieſer antwortete: Hier ſehet ihr aber daß ich noch lebe. Darauf ver-
ſetzte der Philoſophus, er glaube dem, der es ihm geſaget habe, mehr
als ihm
.

Noch ein anderer Philoſophus, als er hoͤrete eine Kraͤhe koͤnte zweyhun-
gert Jahre leben, wolte es ſelbſt verſuchen, kauffte eine, und hielte ſie daheim
in einem Kaͤfig.

Ein Legations-Secretarius befande ſich auf der See, und es ereignete ſich
ein ſo entſetzlicher Sturm, daß ein jeder von denen, die mit auf dem Schiffe
waren etwas ergriffe, um darauf im Fall der Noth, wann es etwa einen
Schiffbruch gaͤbe, an das Land zu fahren. Da faſſete der Legations-Secreta-
rius
den Ancker, und hielte ſich feſte daran.

Es war einer aus Zwilling-Bruͤdern geſtorben. Da kam zu dem an-
noch lebenden ein Profeſſor, und fragte ihn, ob er oder ſein Bruder geſtor-
ben waͤre
?

Einer ließ ſich uͤber den Rhein ſchiffen, und blieb doch in der Fehre auf ſei-
nem Pferde halten. Als man ihn fragte, warum er nicht abſtiege, ant-
wortete er: Damit ich deſto geſchwinder hinuͤber komme.

Es hatte ein Magiſter ſeiner Bekandten einem, der auf dem Lande wohnete
geſchrieben er ſolte ihm doch etliche Buͤcher kauffen, legte auch zu dem Ende

das
J 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0113" n="69"/>
          <p>Ein <hi rendition="#aq">Cantor</hi> &#x017F;ahe Spatzen auf einem Baum &#x017F;itzen, lieff hinzu, hielte &#x017F;einen<lb/>
Mantel unter, und &#x017F;chu&#x0364;ttelte den Baum, als wolte er &#x017F;ie im Fallen, gleich wie<lb/>
die Aepffel oder Birne, fangen.</p><lb/>
          <p>Ein <hi rendition="#aq">Philo&#x017F;ophus</hi> war auf &#x017F;einen Meyer-Hof vor die Stadt hinnaus gezo-<lb/>
gen. Da fragte er den u&#x0364;ber den Hof be&#x017F;telleten Mann, <hi rendition="#fr">ob das Wa&#x017F;&#x017F;er im<lb/>
Zieh-Brunnen gut zu trincken wåre</hi>? Als die&#x017F;er antwortete, <hi rendition="#fr">es wåre &#x017F;ehr<lb/>
gut, und &#x017F;eine Vor-Eltern ha&#x0364;tten alle daraus getruncken</hi>, &#x017F;agte er dar-<lb/>
auf: <hi rendition="#fr">So mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie denn lange Ha&#x0364;l&#x017F;e gehabt haben, daß &#x017F;ie &#x017F;o tief haben<lb/>
ko&#x0364;nnen hinab reichen</hi>.</p><lb/>
          <p>Ebenfalls ein <hi rendition="#aq">Philo&#x017F;ophus</hi> begegnete einem <hi rendition="#aq">Studio&#x017F;o Jur.</hi> und &#x017F;prach zu<lb/>
ihm: <hi rendition="#fr">Siehe da! Ich habe doch geho&#x0364;ret als ob ihr ge&#x017F;torben &#x017F;eyd</hi>.<lb/>
Die&#x017F;er antwortete: <hi rendition="#fr">Hier &#x017F;ehet ihr aber daß ich noch lebe</hi>. Darauf ver-<lb/>
&#x017F;etzte der <hi rendition="#aq">Philo&#x017F;ophus,</hi> <hi rendition="#fr">er glaube dem, der es ihm ge&#x017F;aget habe, mehr<lb/>
als ihm</hi>.</p><lb/>
          <p>Noch ein anderer <hi rendition="#aq">Philo&#x017F;ophus,</hi> als er ho&#x0364;rete eine Kra&#x0364;he ko&#x0364;nte zweyhun-<lb/>
gert Jahre leben, wolte es &#x017F;elb&#x017F;t ver&#x017F;uchen, kauffte eine, und hielte &#x017F;ie daheim<lb/>
in einem Ka&#x0364;fig.</p><lb/>
          <p>Ein <hi rendition="#aq">Legations-Secretarius</hi> befande &#x017F;ich auf der See, und es ereignete &#x017F;ich<lb/>
ein &#x017F;o ent&#x017F;etzlicher Sturm, daß ein jeder von denen, die mit auf dem Schiffe<lb/>
waren etwas ergriffe, um darauf im Fall der Noth, wann es etwa einen<lb/>
Schiffbruch ga&#x0364;be, an das Land zu fahren. Da fa&#x017F;&#x017F;ete der <hi rendition="#aq">Legations-Secreta-<lb/>
rius</hi> den Ancker, und hielte &#x017F;ich fe&#x017F;te daran.</p><lb/>
          <p>Es war einer aus Zwilling-Bru&#x0364;dern ge&#x017F;torben. Da kam zu dem an-<lb/>
noch lebenden ein <hi rendition="#aq">Profe&#x017F;&#x017F;or,</hi> und fragte ihn, <hi rendition="#fr">ob er oder &#x017F;ein Bruder ge&#x017F;tor-<lb/>
ben wa&#x0364;re</hi>?</p><lb/>
          <p>Einer ließ &#x017F;ich u&#x0364;ber den Rhein &#x017F;chiffen, und blieb doch in der Fehre auf &#x017F;ei-<lb/>
nem Pferde halten. Als man ihn fragte, <hi rendition="#fr">warum er nicht ab&#x017F;tiege</hi>, ant-<lb/>
wortete er: <hi rendition="#fr">Damit ich de&#x017F;to ge&#x017F;chwinder hinu&#x0364;ber komme</hi>.</p><lb/>
          <p>Es hatte ein <hi rendition="#aq">Magi&#x017F;ter</hi> &#x017F;einer Bekandten einem, der auf dem Lande wohnete<lb/>
ge&#x017F;chrieben er &#x017F;olte ihm doch etliche Bu&#x0364;cher kauffen, legte auch zu dem Ende<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J 3</fw><fw place="bottom" type="catch">das</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0113] Ein Cantor ſahe Spatzen auf einem Baum ſitzen, lieff hinzu, hielte ſeinen Mantel unter, und ſchuͤttelte den Baum, als wolte er ſie im Fallen, gleich wie die Aepffel oder Birne, fangen. Ein Philoſophus war auf ſeinen Meyer-Hof vor die Stadt hinnaus gezo- gen. Da fragte er den uͤber den Hof beſtelleten Mann, ob das Waſſer im Zieh-Brunnen gut zu trincken wåre? Als dieſer antwortete, es wåre ſehr gut, und ſeine Vor-Eltern haͤtten alle daraus getruncken, ſagte er dar- auf: So muͤſſen ſie denn lange Haͤlſe gehabt haben, daß ſie ſo tief haben koͤnnen hinab reichen. Ebenfalls ein Philoſophus begegnete einem Studioſo Jur. und ſprach zu ihm: Siehe da! Ich habe doch gehoͤret als ob ihr geſtorben ſeyd. Dieſer antwortete: Hier ſehet ihr aber daß ich noch lebe. Darauf ver- ſetzte der Philoſophus, er glaube dem, der es ihm geſaget habe, mehr als ihm. Noch ein anderer Philoſophus, als er hoͤrete eine Kraͤhe koͤnte zweyhun- gert Jahre leben, wolte es ſelbſt verſuchen, kauffte eine, und hielte ſie daheim in einem Kaͤfig. Ein Legations-Secretarius befande ſich auf der See, und es ereignete ſich ein ſo entſetzlicher Sturm, daß ein jeder von denen, die mit auf dem Schiffe waren etwas ergriffe, um darauf im Fall der Noth, wann es etwa einen Schiffbruch gaͤbe, an das Land zu fahren. Da faſſete der Legations-Secreta- rius den Ancker, und hielte ſich feſte daran. Es war einer aus Zwilling-Bruͤdern geſtorben. Da kam zu dem an- noch lebenden ein Profeſſor, und fragte ihn, ob er oder ſein Bruder geſtor- ben waͤre? Einer ließ ſich uͤber den Rhein ſchiffen, und blieb doch in der Fehre auf ſei- nem Pferde halten. Als man ihn fragte, warum er nicht abſtiege, ant- wortete er: Damit ich deſto geſchwinder hinuͤber komme. Es hatte ein Magiſter ſeiner Bekandten einem, der auf dem Lande wohnete geſchrieben er ſolte ihm doch etliche Buͤcher kauffen, legte auch zu dem Ende das J 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/113
Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/113>, abgerufen am 21.11.2024.