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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.
sie sogar nach dem Falle des Baretts als eine specifisch städtische
Tracht wieder emportauchen sehen. Das Schicksal dieser miß-
gestalteten Haube theilen alle die andern, unter denen um das
Jahr 1510 sich noch eine für jüngere Damen selbst als ballmäßig
besonders geltend macht. Es ist eine Haube, welche anliegend
die Haare des Vorderkopfes schlicht bedeckt, vom Scheitel aber
nach hinten sich wieder in Art einer Kugel von Kopfesgröße er-
hebt; sie erscheint immer gelb, und ist somit entweder von Gold-
stoff oder von gelber Seide, die mit Stickereien versehen ist.
Das Jahr 1520 scheint sie kaum erlebt zu haben. In etwas
kleinerer Gestalt sehen wir sie häufig auf Bildern der nieder-
ländischen Schulen dieser Zeit bei älteren wie bei jüngeren
Frauen wohlhabender Stände; es sind die frommen Stifterinnen
von Altargemälden, welche sie auf denselben tragen.

Mit dieser Art von Kopftracht findet sich noch häufig der
klare Schleier verbunden, welcher vor dem Barett, zu dem er
nicht passen will, eine Zeit lang in den Hintergrund tritt. In
der Zeit der Predigten des Geiler von Kaisersberg, da das Alte
und das Neue sich zu scheiden begannen, bildet er noch einen
Hauptgegenstand weiblicher Eitelkeit und zwar in der uns schon
von früher bekannten gelben Farbe. "Item", sagt er, "die Weiber
tragen gelb Schleier alle Wochen, so müssen sie die Schleier
waschen und wiederum gelb färben. Darumb so ist der Saffran
so thür, daz ist ein gewisse Wahrheit, es ist ohn Zweiffel Gott
mißfällig." Auf Bildern nach dem Jahr 1510 werden die
Schleier seltner, wenn sie auch noch hier und da, z. B. auf
dürerischen Kupferstichen mit weltlichen Gegenständen zu treffen
sind. An einzelnen Orten scheint aber doch ihre Bedeutung noch
eine wichtigere gewesen zu sein. So wird von Augsburg noch
vom Jahre 1517 erzählt, daß die dortigen Damen sich an fest-
lichen Tagen mit großen Schleiern das Gesicht fast ganz verhüll-
ten. Das ist gegen alle abendländische Sitte, welche zur Freude
die Reize enthüllt, aber nicht verbirgt, und es scheint daher in
dieser augsburgischen Weise noch etwas von der Verkehrtheit des
funfzehnten Jahrhunderts übrig geblieben zu sein. Der fröhliche

III. Die Neuzeit.
ſie ſogar nach dem Falle des Baretts als eine ſpecifiſch ſtädtiſche
Tracht wieder emportauchen ſehen. Das Schickſal dieſer miß-
geſtalteten Haube theilen alle die andern, unter denen um das
Jahr 1510 ſich noch eine für jüngere Damen ſelbſt als ballmäßig
beſonders geltend macht. Es iſt eine Haube, welche anliegend
die Haare des Vorderkopfes ſchlicht bedeckt, vom Scheitel aber
nach hinten ſich wieder in Art einer Kugel von Kopfesgröße er-
hebt; ſie erſcheint immer gelb, und iſt ſomit entweder von Gold-
ſtoff oder von gelber Seide, die mit Stickereien verſehen iſt.
Das Jahr 1520 ſcheint ſie kaum erlebt zu haben. In etwas
kleinerer Geſtalt ſehen wir ſie häufig auf Bildern der nieder-
ländiſchen Schulen dieſer Zeit bei älteren wie bei jüngeren
Frauen wohlhabender Stände; es ſind die frommen Stifterinnen
von Altargemälden, welche ſie auf denſelben tragen.

Mit dieſer Art von Kopftracht findet ſich noch häufig der
klare Schleier verbunden, welcher vor dem Barett, zu dem er
nicht paſſen will, eine Zeit lang in den Hintergrund tritt. In
der Zeit der Predigten des Geiler von Kaiſersberg, da das Alte
und das Neue ſich zu ſcheiden begannen, bildet er noch einen
Hauptgegenſtand weiblicher Eitelkeit und zwar in der uns ſchon
von früher bekannten gelben Farbe. „Item“, ſagt er, „die Weiber
tragen gelb Schleier alle Wochen, ſo müſſen ſie die Schleier
waſchen und wiederum gelb färben. Darumb ſo iſt der Saffran
ſo thür, daz iſt ein gewiſſe Wahrheit, es iſt ohn Zweiffel Gott
mißfällig.“ Auf Bildern nach dem Jahr 1510 werden die
Schleier ſeltner, wenn ſie auch noch hier und da, z. B. auf
düreriſchen Kupferſtichen mit weltlichen Gegenſtänden zu treffen
ſind. An einzelnen Orten ſcheint aber doch ihre Bedeutung noch
eine wichtigere geweſen zu ſein. So wird von Augsburg noch
vom Jahre 1517 erzählt, daß die dortigen Damen ſich an feſt-
lichen Tagen mit großen Schleiern das Geſicht faſt ganz verhüll-
ten. Das iſt gegen alle abendländiſche Sitte, welche zur Freude
die Reize enthüllt, aber nicht verbirgt, und es ſcheint daher in
dieſer augsburgiſchen Weiſe noch etwas von der Verkehrtheit des
funfzehnten Jahrhunderts übrig geblieben zu ſein. Der fröhliche

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[66/0078] III. Die Neuzeit. ſie ſogar nach dem Falle des Baretts als eine ſpecifiſch ſtädtiſche Tracht wieder emportauchen ſehen. Das Schickſal dieſer miß- geſtalteten Haube theilen alle die andern, unter denen um das Jahr 1510 ſich noch eine für jüngere Damen ſelbſt als ballmäßig beſonders geltend macht. Es iſt eine Haube, welche anliegend die Haare des Vorderkopfes ſchlicht bedeckt, vom Scheitel aber nach hinten ſich wieder in Art einer Kugel von Kopfesgröße er- hebt; ſie erſcheint immer gelb, und iſt ſomit entweder von Gold- ſtoff oder von gelber Seide, die mit Stickereien verſehen iſt. Das Jahr 1520 ſcheint ſie kaum erlebt zu haben. In etwas kleinerer Geſtalt ſehen wir ſie häufig auf Bildern der nieder- ländiſchen Schulen dieſer Zeit bei älteren wie bei jüngeren Frauen wohlhabender Stände; es ſind die frommen Stifterinnen von Altargemälden, welche ſie auf denſelben tragen. Mit dieſer Art von Kopftracht findet ſich noch häufig der klare Schleier verbunden, welcher vor dem Barett, zu dem er nicht paſſen will, eine Zeit lang in den Hintergrund tritt. In der Zeit der Predigten des Geiler von Kaiſersberg, da das Alte und das Neue ſich zu ſcheiden begannen, bildet er noch einen Hauptgegenſtand weiblicher Eitelkeit und zwar in der uns ſchon von früher bekannten gelben Farbe. „Item“, ſagt er, „die Weiber tragen gelb Schleier alle Wochen, ſo müſſen ſie die Schleier waſchen und wiederum gelb färben. Darumb ſo iſt der Saffran ſo thür, daz iſt ein gewiſſe Wahrheit, es iſt ohn Zweiffel Gott mißfällig.“ Auf Bildern nach dem Jahr 1510 werden die Schleier ſeltner, wenn ſie auch noch hier und da, z. B. auf düreriſchen Kupferſtichen mit weltlichen Gegenſtänden zu treffen ſind. An einzelnen Orten ſcheint aber doch ihre Bedeutung noch eine wichtigere geweſen zu ſein. So wird von Augsburg noch vom Jahre 1517 erzählt, daß die dortigen Damen ſich an feſt- lichen Tagen mit großen Schleiern das Geſicht faſt ganz verhüll- ten. Das iſt gegen alle abendländiſche Sitte, welche zur Freude die Reize enthüllt, aber nicht verbirgt, und es ſcheint daher in dieſer augsburgiſchen Weiſe noch etwas von der Verkehrtheit des funfzehnten Jahrhunderts übrig geblieben zu ſein. Der fröhliche

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/78>, abgerufen am 23.11.2024.