Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.III. Die Neuzeit. Krämern" nebst den "Handwerksknechten und Gesellen" die "zer-hauenen und zerschnittenen Kleider" verboten; bei den übrigen Classen wird keine Bemerkung mehr darüber gemacht. Aber in dieser Beziehung wenigstens hatte das Gesetz keinen Erfolg, denn immer mehr und üppiger dringt diese Mode in die untern Stände ein, und nach dem Jahre 1530 trifft man nicht selten auf den Abbildungen, z. B. den Kupferstichen von Hans Sebald Beham, Bauern, welche um die Kniee herum die geschlitzten Bänder tra- gen, und auch an den Schultern und andern Stellen mit ähnli- cher Zierde versehen sind. In einzelnen ländlichen Gegenden finden sich die Schlitze noch gegen das Ende des sechszehnten Jahrhunderts fast in ihrer ersten ursprünglichen Gestalt, als sie sich überall anderswo längst in andere Formen verwandelt hat- ten, -- wir erkennen darin das erste Werden der Volkstrachten. Endlich mußte auch das Hemd dem neuen Geiste huldigen. Das Hemd spielt bis zu der Zeit der großen selbständigen III. Die Neuzeit. Krämern“ nebſt den „Handwerksknechten und Geſellen“ die „zer-hauenen und zerſchnittenen Kleider“ verboten; bei den übrigen Claſſen wird keine Bemerkung mehr darüber gemacht. Aber in dieſer Beziehung wenigſtens hatte das Geſetz keinen Erfolg, denn immer mehr und üppiger dringt dieſe Mode in die untern Stände ein, und nach dem Jahre 1530 trifft man nicht ſelten auf den Abbildungen, z. B. den Kupferſtichen von Hans Sebald Beham, Bauern, welche um die Kniee herum die geſchlitzten Bänder tra- gen, und auch an den Schultern und andern Stellen mit ähnli- cher Zierde verſehen ſind. In einzelnen ländlichen Gegenden finden ſich die Schlitze noch gegen das Ende des ſechszehnten Jahrhunderts faſt in ihrer erſten urſprünglichen Geſtalt, als ſie ſich überall anderswo längſt in andere Formen verwandelt hat- ten, — wir erkennen darin das erſte Werden der Volkstrachten. Endlich mußte auch das Hemd dem neuen Geiſte huldigen. Das Hemd ſpielt bis zu der Zeit der großen ſelbſtändigen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0068" n="56"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Die Neuzeit.</fw><lb/> Krämern“ nebſt den „Handwerksknechten und Geſellen“ die „zer-<lb/> hauenen und zerſchnittenen Kleider“ verboten; bei den übrigen<lb/> Claſſen wird keine Bemerkung mehr darüber gemacht. Aber in<lb/> dieſer Beziehung wenigſtens hatte das Geſetz keinen Erfolg, denn<lb/> immer mehr und üppiger dringt dieſe Mode in die untern Stände<lb/> ein, und nach dem Jahre 1530 trifft man nicht ſelten auf den<lb/> Abbildungen, z. B. den Kupferſtichen von Hans Sebald Beham,<lb/> Bauern, welche um die Kniee herum die geſchlitzten Bänder tra-<lb/> gen, und auch an den Schultern und andern Stellen mit ähnli-<lb/> cher Zierde verſehen ſind. In einzelnen ländlichen Gegenden<lb/> finden ſich die Schlitze noch gegen das Ende des ſechszehnten<lb/> Jahrhunderts faſt in ihrer erſten urſprünglichen Geſtalt, als ſie<lb/> ſich überall anderswo längſt in andere Formen verwandelt hat-<lb/> ten, — wir erkennen darin das erſte Werden der Volkstrachten.</p><lb/> <p>Endlich mußte auch das <hi rendition="#g">Hemd</hi> dem neuen Geiſte huldigen.<lb/> Bei ſtarkem Bart, gekürztem Haar und einem ſo ſtattlichen<lb/> Aeußern zeigte ſich das Weibiſche der männlichen Decolletirung,<lb/> und das Hemd beginnt nun mit ſeinem goldenen Saum gegen<lb/> den Hals heraufzuwachſen und zwar ſo, daß es ihn wie mit einem<lb/> kleinen Kragen umlegt. Städtiſche Stutzer, die ſich der neuen<lb/> Richtung nicht erwehren konnten und doch dieſer Eitelkeit nicht<lb/> entſagen mochten, machten es noch hier und da mit durchſichtig<lb/> klarem Stoffe den Frauen nach, welche ſich nicht ſo raſch in die<lb/> Verhüllung finden konnten. Aber auch das war umſonſt, als<lb/> ſpäter auch das Wamms dem Hemd folgte und langſam über<lb/> Schulter und Nacken zum Halſe emporſtieg. Als es den Rand<lb/> deſſelben erreicht hatte und ſomit das Hemd bis auf den goldenen<lb/> Saum zu verdecken ſchien, wächſt der weiße Stoff ſofort oben zu<lb/> einer kleinen Krauſe wieder heraus, welche der Keim einer mäch-<lb/> tigen Entwicklung wurde. Da dieſelbe aber erſt gegen die Mitte<lb/> des Jahrhunderts begann und ihre Blüthe in die zweite Hälfte<lb/> fällt, ſo werden wir ſie erſt im nächſten Abſchnitt betrachten.</p><lb/> <p>Das Hemd ſpielt bis zu der Zeit der großen ſelbſtändigen<lb/> Krauſe, namentlich aber bevor der Rand der Jacke den Hals er-<lb/> reicht hatte, eine große Rolle. Wie früher wurde der obere Rand<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [56/0068]
III. Die Neuzeit.
Krämern“ nebſt den „Handwerksknechten und Geſellen“ die „zer-
hauenen und zerſchnittenen Kleider“ verboten; bei den übrigen
Claſſen wird keine Bemerkung mehr darüber gemacht. Aber in
dieſer Beziehung wenigſtens hatte das Geſetz keinen Erfolg, denn
immer mehr und üppiger dringt dieſe Mode in die untern Stände
ein, und nach dem Jahre 1530 trifft man nicht ſelten auf den
Abbildungen, z. B. den Kupferſtichen von Hans Sebald Beham,
Bauern, welche um die Kniee herum die geſchlitzten Bänder tra-
gen, und auch an den Schultern und andern Stellen mit ähnli-
cher Zierde verſehen ſind. In einzelnen ländlichen Gegenden
finden ſich die Schlitze noch gegen das Ende des ſechszehnten
Jahrhunderts faſt in ihrer erſten urſprünglichen Geſtalt, als ſie
ſich überall anderswo längſt in andere Formen verwandelt hat-
ten, — wir erkennen darin das erſte Werden der Volkstrachten.
Endlich mußte auch das Hemd dem neuen Geiſte huldigen.
Bei ſtarkem Bart, gekürztem Haar und einem ſo ſtattlichen
Aeußern zeigte ſich das Weibiſche der männlichen Decolletirung,
und das Hemd beginnt nun mit ſeinem goldenen Saum gegen
den Hals heraufzuwachſen und zwar ſo, daß es ihn wie mit einem
kleinen Kragen umlegt. Städtiſche Stutzer, die ſich der neuen
Richtung nicht erwehren konnten und doch dieſer Eitelkeit nicht
entſagen mochten, machten es noch hier und da mit durchſichtig
klarem Stoffe den Frauen nach, welche ſich nicht ſo raſch in die
Verhüllung finden konnten. Aber auch das war umſonſt, als
ſpäter auch das Wamms dem Hemd folgte und langſam über
Schulter und Nacken zum Halſe emporſtieg. Als es den Rand
deſſelben erreicht hatte und ſomit das Hemd bis auf den goldenen
Saum zu verdecken ſchien, wächſt der weiße Stoff ſofort oben zu
einer kleinen Krauſe wieder heraus, welche der Keim einer mäch-
tigen Entwicklung wurde. Da dieſelbe aber erſt gegen die Mitte
des Jahrhunderts begann und ihre Blüthe in die zweite Hälfte
fällt, ſo werden wir ſie erſt im nächſten Abſchnitt betrachten.
Das Hemd ſpielt bis zu der Zeit der großen ſelbſtändigen
Krauſe, namentlich aber bevor der Rand der Jacke den Hals er-
reicht hatte, eine große Rolle. Wie früher wurde der obere Rand
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Zitationshilfe: | Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/68>, abgerufen am 16.02.2025. |