Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.III. Die Neuzeit. deckte, und hinten die Kappe, welche die Ferse umschloß; wenig-stens wurden die Seiten so schmal wie irgend möglich gemacht oder selbst ganz weggelassen. Die Kappe mußte daher aufs engste anschließend gemacht werden, weil sonst der Schuh den Halt verloren hätte; zu festerem Schluß lief auch wohl ein Rie- men oder ein Band über den Spann des Fußes; sie kamen dann aber in Abnahme wie das Kinnband des Baretts. Diesen Schuh, der in seiner breiten Form so allgemein wurde, daß er selbst, wie einst der spitze Schnabel, auf die Rüstung des Ritters überging, trug der Landsknecht wie der Fürst, der Handwerksmann wie der Gelehrte und der Geistliche. Bequem mochte er ihnen sitzen, aber im Schmutz und bei feuchtem Wetter gab er wenig Schutz gegen das hereinlaufende Wasser, worüber auch Klage geführt wird, zumal als auch das, was noch übrig war, von der Mode der Zerschlitzung ergriffen wurde. Die Stoffe waren wie früher neben Leder, namentlich dem feinen eleganten Corduan, Sam- met, Seide und Wolle; man liebte vorzugsweise helle Farben, Roth, Blau und Geld, einfach oder getheilt und durch die bunt unterlegten Schlitze zu mannichfacherer Wirkung gebracht. Die Breite des Schnabels übertraf nicht selten die halbe Länge des Fußes und wurde auch zu mehrerer Schönheit im Contour ein- wärts geschweift. Die Kleidungsstücke, welche sich zunächst dem Körper an- III. Die Neuzeit. deckte, und hinten die Kappe, welche die Ferſe umſchloß; wenig-ſtens wurden die Seiten ſo ſchmal wie irgend möglich gemacht oder ſelbſt ganz weggelaſſen. Die Kappe mußte daher aufs engſte anſchließend gemacht werden, weil ſonſt der Schuh den Halt verloren hätte; zu feſterem Schluß lief auch wohl ein Rie- men oder ein Band über den Spann des Fußes; ſie kamen dann aber in Abnahme wie das Kinnband des Baretts. Dieſen Schuh, der in ſeiner breiten Form ſo allgemein wurde, daß er ſelbſt, wie einſt der ſpitze Schnabel, auf die Rüſtung des Ritters überging, trug der Landsknecht wie der Fürſt, der Handwerksmann wie der Gelehrte und der Geiſtliche. Bequem mochte er ihnen ſitzen, aber im Schmutz und bei feuchtem Wetter gab er wenig Schutz gegen das hereinlaufende Waſſer, worüber auch Klage geführt wird, zumal als auch das, was noch übrig war, von der Mode der Zerſchlitzung ergriffen wurde. Die Stoffe waren wie früher neben Leder, namentlich dem feinen eleganten Corduan, Sam- met, Seide und Wolle; man liebte vorzugsweiſe helle Farben, Roth, Blau und Geld, einfach oder getheilt und durch die bunt unterlegten Schlitze zu mannichfacherer Wirkung gebracht. Die Breite des Schnabels übertraf nicht ſelten die halbe Länge des Fußes und wurde auch zu mehrerer Schönheit im Contour ein- wärts geſchweift. Die Kleidungsſtücke, welche ſich zunächſt dem Körper an- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0042" n="30"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Die Neuzeit.</fw><lb/> deckte, und hinten die Kappe, welche die Ferſe umſchloß; wenig-<lb/> ſtens wurden die Seiten ſo ſchmal wie irgend möglich gemacht<lb/> oder ſelbſt ganz weggelaſſen. Die Kappe mußte daher aufs<lb/> engſte anſchließend gemacht werden, weil ſonſt der Schuh den<lb/> Halt verloren hätte; zu feſterem Schluß lief auch wohl ein Rie-<lb/> men oder ein Band über den Spann des Fußes; ſie kamen dann<lb/> aber in Abnahme wie das Kinnband des Baretts. Dieſen Schuh,<lb/> der in ſeiner breiten Form ſo allgemein wurde, daß er ſelbſt, wie<lb/> einſt der ſpitze Schnabel, auf die Rüſtung des Ritters überging,<lb/> trug der Landsknecht wie der Fürſt, der Handwerksmann wie der<lb/> Gelehrte und der Geiſtliche. Bequem mochte er ihnen ſitzen,<lb/> aber im Schmutz und bei feuchtem Wetter gab er wenig Schutz<lb/> gegen das hereinlaufende Waſſer, worüber auch Klage geführt<lb/> wird, zumal als auch das, was noch übrig war, von der Mode<lb/> der Zerſchlitzung ergriffen wurde. Die Stoffe waren wie früher<lb/> neben Leder, namentlich dem feinen eleganten Corduan, Sam-<lb/> met, Seide und Wolle; man liebte vorzugsweiſe helle Farben,<lb/> Roth, Blau und Geld, einfach oder getheilt und durch die bunt<lb/> unterlegten Schlitze zu mannichfacherer Wirkung gebracht. Die<lb/> Breite des Schnabels übertraf nicht ſelten die halbe Länge des<lb/> Fußes und wurde auch zu mehrerer Schönheit im Contour ein-<lb/> wärts geſchweift.</p><lb/> <p>Die Kleidungsſtücke, welche ſich zunächſt dem Körper an-<lb/> ſchloſſen, alſo das <hi rendition="#g">Wamms</hi> und das <hi rendition="#g">Beinkleid</hi>, ſchienen<lb/> Anfangs ihre Grundgeſtalt, wonach ſie auf der Hüfte mit Ne-<lb/> ſteln an einander ſchloſſen, nicht verändern zu wollen, und den-<lb/> noch verwandelten ſie dabei ihren Charakter in das beſtimmteſte<lb/> Gegentheil und in einer Weiſe, die ihren Urſprung und ſelbſt<lb/> ihre Bedeutung völlig unkenntlich macht. Die enge Jacke mit<lb/> nacktem Hals und nackten Schultern und das enge Beinkleid,<lb/> welches in einem Stück von der Hüfte bis zu den Füßen ſchloß,<lb/> waren bereits am Ausgang des funfzehnten Jahrhunderts von<lb/> einer Menge verſchiedener Moden umſpielt; namentlich war die<lb/> erſtere ſchon vielfach von der freieren Richtung durchbrochen<lb/> worden und die Schranken leichter, ungenirter Bewegung zeigten<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [30/0042]
III. Die Neuzeit.
deckte, und hinten die Kappe, welche die Ferſe umſchloß; wenig-
ſtens wurden die Seiten ſo ſchmal wie irgend möglich gemacht
oder ſelbſt ganz weggelaſſen. Die Kappe mußte daher aufs
engſte anſchließend gemacht werden, weil ſonſt der Schuh den
Halt verloren hätte; zu feſterem Schluß lief auch wohl ein Rie-
men oder ein Band über den Spann des Fußes; ſie kamen dann
aber in Abnahme wie das Kinnband des Baretts. Dieſen Schuh,
der in ſeiner breiten Form ſo allgemein wurde, daß er ſelbſt, wie
einſt der ſpitze Schnabel, auf die Rüſtung des Ritters überging,
trug der Landsknecht wie der Fürſt, der Handwerksmann wie der
Gelehrte und der Geiſtliche. Bequem mochte er ihnen ſitzen,
aber im Schmutz und bei feuchtem Wetter gab er wenig Schutz
gegen das hereinlaufende Waſſer, worüber auch Klage geführt
wird, zumal als auch das, was noch übrig war, von der Mode
der Zerſchlitzung ergriffen wurde. Die Stoffe waren wie früher
neben Leder, namentlich dem feinen eleganten Corduan, Sam-
met, Seide und Wolle; man liebte vorzugsweiſe helle Farben,
Roth, Blau und Geld, einfach oder getheilt und durch die bunt
unterlegten Schlitze zu mannichfacherer Wirkung gebracht. Die
Breite des Schnabels übertraf nicht ſelten die halbe Länge des
Fußes und wurde auch zu mehrerer Schönheit im Contour ein-
wärts geſchweift.
Die Kleidungsſtücke, welche ſich zunächſt dem Körper an-
ſchloſſen, alſo das Wamms und das Beinkleid, ſchienen
Anfangs ihre Grundgeſtalt, wonach ſie auf der Hüfte mit Ne-
ſteln an einander ſchloſſen, nicht verändern zu wollen, und den-
noch verwandelten ſie dabei ihren Charakter in das beſtimmteſte
Gegentheil und in einer Weiſe, die ihren Urſprung und ſelbſt
ihre Bedeutung völlig unkenntlich macht. Die enge Jacke mit
nacktem Hals und nackten Schultern und das enge Beinkleid,
welches in einem Stück von der Hüfte bis zu den Füßen ſchloß,
waren bereits am Ausgang des funfzehnten Jahrhunderts von
einer Menge verſchiedener Moden umſpielt; namentlich war die
erſtere ſchon vielfach von der freieren Richtung durchbrochen
worden und die Schranken leichter, ungenirter Bewegung zeigten
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |