Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

III. Die Neuzeit.
allenfalls sich darin befanden, waren nur so nebenbei und standen
so zurück, daß sie nur halfen das ungewisse, unbestimmbare
Lüstre des Ganzen zu vollenden. Ein Mann, der in guter Ge-
sellschaft in Türkischroth oder purpurgeblümtem Stoff erschien,
verrieth damit augenblicklich seinen Ungeschmack und seine Her-
kunft, mochte er auch noch so kostbar gekleidet sein.

Die französische Revolution brachte der männlichen Welt
eine gewisse Gleichgültigkeit gegen die Farben, welcher schon
theilweise der vorhergehende Geschmack entsprochen hatte. Unter
dem Ernst des Lebens, unter den politischen und persönlichen
Sorgen verschwand die alte Lust, die sich in der Zopfzeit gegen-
über der später eintretenden Sentimentalität noch in still behag-
lichem Dasein als bescheidene Lebensfreude erhalten hatte. Tra-
ditionell steht der Großväter Jugendzeit noch vor unsrer kind-
lichen Erinnerung als die eines behaglichen, aber beschränkten
Familienglückes. Ruhig im Backenlehnstuhl sitzend, ließ man
weit dahinten die Völker auf einander schlagen, ohne sich zu alteri-
ren. Aber die Revolution brach wie ein Störenfried in dieses
stille Glück; der Mann war aus dem gleichen, in sich zurück-
kehrenden Gleise seines Daseins gerissen, hatte den Halt und
damit auch die Freude an dem Dasein verloren. Er legt die
schönen buntgeblümten Westen und Röcke ab, stellt den Stock
mit dem vergoldeten Knopf in die unbeachtete Ecke, und trägt
nur eine Zeit lang noch, wie ein Hinsterben der alten Lust, die
in gebrochenen Farben gestreiften Gewänder. Namen wie cou-
leur boue de Paris, couleur soupirs etouffes, couleur de
larmes indiscretes, couleur de nymphe emue
geben schon für
sich die veränderte Zeitrichtung zu erkennen. Die dunklen oder
die Mißfarben gewinnen die Oberhand, und als ein Hauptvor-
zug erscheint, daß die Farbe nicht schmutzt. Diese Rützlichkeits-
frage aufzuwerfen, fiel früher niemand ein. So tragen die
Männer der Revolutionsperiode Braun und Bräunlich in ver-
schiedener Brechung, Bouteillen- und Olivengrün, Kaffeebraun,
Violett und was sonst hierher gehört, höchstens daß eine hellere
Weste und das schwefelgelbe oder nankinggelbe Beinkleid eine

III. Die Neuzeit.
allenfalls ſich darin befanden, waren nur ſo nebenbei und ſtanden
ſo zurück, daß ſie nur halfen das ungewiſſe, unbeſtimmbare
Lüſtre des Ganzen zu vollenden. Ein Mann, der in guter Ge-
ſellſchaft in Türkiſchroth oder purpurgeblümtem Stoff erſchien,
verrieth damit augenblicklich ſeinen Ungeſchmack und ſeine Her-
kunft, mochte er auch noch ſo koſtbar gekleidet ſein.

Die franzöſiſche Revolution brachte der männlichen Welt
eine gewiſſe Gleichgültigkeit gegen die Farben, welcher ſchon
theilweiſe der vorhergehende Geſchmack entſprochen hatte. Unter
dem Ernſt des Lebens, unter den politiſchen und perſönlichen
Sorgen verſchwand die alte Luſt, die ſich in der Zopfzeit gegen-
über der ſpäter eintretenden Sentimentalität noch in ſtill behag-
lichem Daſein als beſcheidene Lebensfreude erhalten hatte. Tra-
ditionell ſteht der Großväter Jugendzeit noch vor unſrer kind-
lichen Erinnerung als die eines behaglichen, aber beſchränkten
Familienglückes. Ruhig im Backenlehnſtuhl ſitzend, ließ man
weit dahinten die Völker auf einander ſchlagen, ohne ſich zu alteri-
ren. Aber die Revolution brach wie ein Störenfried in dieſes
ſtille Glück; der Mann war aus dem gleichen, in ſich zurück-
kehrenden Gleiſe ſeines Daſeins geriſſen, hatte den Halt und
damit auch die Freude an dem Daſein verloren. Er legt die
ſchönen buntgeblümten Weſten und Röcke ab, ſtellt den Stock
mit dem vergoldeten Knopf in die unbeachtete Ecke, und trägt
nur eine Zeit lang noch, wie ein Hinſterben der alten Luſt, die
in gebrochenen Farben geſtreiften Gewänder. Namen wie cou-
leur boue de Paris, couleur soupirs étouffés, couleur de
larmes indiscrètes, couleur de nymphe émue
geben ſchon für
ſich die veränderte Zeitrichtung zu erkennen. Die dunklen oder
die Mißfarben gewinnen die Oberhand, und als ein Hauptvor-
zug erſcheint, daß die Farbe nicht ſchmutzt. Dieſe Rützlichkeits-
frage aufzuwerfen, fiel früher niemand ein. So tragen die
Männer der Revolutionsperiode Braun und Bräunlich in ver-
ſchiedener Brechung, Bouteillen- und Olivengrün, Kaffeebraun,
Violett und was ſonſt hierher gehört, höchſtens daß eine hellere
Weſte und das ſchwefelgelbe oder nankinggelbe Beinkleid eine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0340" n="328"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Die Neuzeit.</fw><lb/>
allenfalls &#x017F;ich darin befanden, waren nur &#x017F;o nebenbei und &#x017F;tanden<lb/>
&#x017F;o zurück, daß &#x017F;ie nur halfen das ungewi&#x017F;&#x017F;e, unbe&#x017F;timmbare<lb/>&#x017F;tre des Ganzen zu vollenden. Ein Mann, der in guter Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft in Türki&#x017F;chroth oder purpurgeblümtem Stoff er&#x017F;chien,<lb/>
verrieth damit augenblicklich &#x017F;einen Unge&#x017F;chmack und &#x017F;eine Her-<lb/>
kunft, mochte er auch noch &#x017F;o ko&#x017F;tbar gekleidet &#x017F;ein.</p><lb/>
          <p>Die franzö&#x017F;i&#x017F;che Revolution brachte der männlichen Welt<lb/>
eine gewi&#x017F;&#x017F;e Gleichgültigkeit gegen die Farben, welcher &#x017F;chon<lb/>
theilwei&#x017F;e der vorhergehende Ge&#x017F;chmack ent&#x017F;prochen hatte. Unter<lb/>
dem Ern&#x017F;t des Lebens, unter den politi&#x017F;chen und per&#x017F;önlichen<lb/>
Sorgen ver&#x017F;chwand die alte Lu&#x017F;t, die &#x017F;ich in der Zopfzeit gegen-<lb/>
über der &#x017F;päter eintretenden Sentimentalität noch in &#x017F;till behag-<lb/>
lichem Da&#x017F;ein als be&#x017F;cheidene Lebensfreude erhalten hatte. Tra-<lb/>
ditionell &#x017F;teht der Großväter Jugendzeit noch vor un&#x017F;rer kind-<lb/>
lichen Erinnerung als die eines behaglichen, aber be&#x017F;chränkten<lb/>
Familienglückes. Ruhig im Backenlehn&#x017F;tuhl &#x017F;itzend, ließ man<lb/>
weit dahinten die Völker auf einander &#x017F;chlagen, ohne &#x017F;ich zu alteri-<lb/>
ren. Aber die Revolution brach wie ein Störenfried in die&#x017F;es<lb/>
&#x017F;tille Glück; der Mann war aus dem gleichen, in &#x017F;ich zurück-<lb/>
kehrenden Glei&#x017F;e &#x017F;eines Da&#x017F;eins geri&#x017F;&#x017F;en, hatte den Halt und<lb/>
damit auch die Freude an dem Da&#x017F;ein verloren. Er legt die<lb/>
&#x017F;chönen buntgeblümten We&#x017F;ten und Röcke ab, &#x017F;tellt den Stock<lb/>
mit dem vergoldeten Knopf in die unbeachtete Ecke, und trägt<lb/>
nur eine Zeit lang noch, wie ein Hin&#x017F;terben der alten Lu&#x017F;t, die<lb/>
in gebrochenen Farben ge&#x017F;treiften Gewänder. Namen wie <hi rendition="#aq">cou-<lb/>
leur boue de Paris, couleur soupirs étouffés, couleur de<lb/>
larmes indiscrètes, couleur de nymphe émue</hi> geben &#x017F;chon für<lb/>
&#x017F;ich die veränderte Zeitrichtung zu erkennen. Die dunklen oder<lb/>
die Mißfarben gewinnen die Oberhand, und als ein Hauptvor-<lb/>
zug er&#x017F;cheint, daß die Farbe nicht &#x017F;chmutzt. Die&#x017F;e Rützlichkeits-<lb/>
frage aufzuwerfen, fiel früher niemand ein. So tragen die<lb/>
Männer der Revolutionsperiode Braun und Bräunlich in ver-<lb/>
&#x017F;chiedener Brechung, Bouteillen- und Olivengrün, Kaffeebraun,<lb/>
Violett und was &#x017F;on&#x017F;t hierher gehört, höch&#x017F;tens daß eine hellere<lb/>
We&#x017F;te und das &#x017F;chwefelgelbe oder nankinggelbe Beinkleid eine<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[328/0340] III. Die Neuzeit. allenfalls ſich darin befanden, waren nur ſo nebenbei und ſtanden ſo zurück, daß ſie nur halfen das ungewiſſe, unbeſtimmbare Lüſtre des Ganzen zu vollenden. Ein Mann, der in guter Ge- ſellſchaft in Türkiſchroth oder purpurgeblümtem Stoff erſchien, verrieth damit augenblicklich ſeinen Ungeſchmack und ſeine Her- kunft, mochte er auch noch ſo koſtbar gekleidet ſein. Die franzöſiſche Revolution brachte der männlichen Welt eine gewiſſe Gleichgültigkeit gegen die Farben, welcher ſchon theilweiſe der vorhergehende Geſchmack entſprochen hatte. Unter dem Ernſt des Lebens, unter den politiſchen und perſönlichen Sorgen verſchwand die alte Luſt, die ſich in der Zopfzeit gegen- über der ſpäter eintretenden Sentimentalität noch in ſtill behag- lichem Daſein als beſcheidene Lebensfreude erhalten hatte. Tra- ditionell ſteht der Großväter Jugendzeit noch vor unſrer kind- lichen Erinnerung als die eines behaglichen, aber beſchränkten Familienglückes. Ruhig im Backenlehnſtuhl ſitzend, ließ man weit dahinten die Völker auf einander ſchlagen, ohne ſich zu alteri- ren. Aber die Revolution brach wie ein Störenfried in dieſes ſtille Glück; der Mann war aus dem gleichen, in ſich zurück- kehrenden Gleiſe ſeines Daſeins geriſſen, hatte den Halt und damit auch die Freude an dem Daſein verloren. Er legt die ſchönen buntgeblümten Weſten und Röcke ab, ſtellt den Stock mit dem vergoldeten Knopf in die unbeachtete Ecke, und trägt nur eine Zeit lang noch, wie ein Hinſterben der alten Luſt, die in gebrochenen Farben geſtreiften Gewänder. Namen wie cou- leur boue de Paris, couleur soupirs étouffés, couleur de larmes indiscrètes, couleur de nymphe émue geben ſchon für ſich die veränderte Zeitrichtung zu erkennen. Die dunklen oder die Mißfarben gewinnen die Oberhand, und als ein Hauptvor- zug erſcheint, daß die Farbe nicht ſchmutzt. Dieſe Rützlichkeits- frage aufzuwerfen, fiel früher niemand ein. So tragen die Männer der Revolutionsperiode Braun und Bräunlich in ver- ſchiedener Brechung, Bouteillen- und Olivengrün, Kaffeebraun, Violett und was ſonſt hierher gehört, höchſtens daß eine hellere Weſte und das ſchwefelgelbe oder nankinggelbe Beinkleid eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/340
Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/340>, abgerufen am 17.05.2024.