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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.
schon entartender Blüthe standen, um 1804 und 1805, trat die
Reaction und dann die Restauration ein, womit die Mode ihren
modernen Entwicklungsgang in strenger, aber heute noch nicht
abgeschlossener Linie betritt. Es war das neugeschaffene napo-
leonische Kaiserthum, welches, nach imperialistischem Glanz be-
gierig, in die Vergangenheit zurückgriff. Schon 1802 sah es am
Hofe des ersten Consuls wenig republikanisch aus. Die Stiefel
und die langen Beinkleider, die Säbel und Cocarden waren ver-
schwunden, und die schöne Zeit des Roccoco kam mit Schnallen-
schuhen und seidenen Strümpfen, mit Salondegen und den
Hüten unter dem Arm, mit den reich bestickten Be dienten wieder
zum Vorschein. Der erste Consul selbst trug goldgestickten veil-
chenblauen Sammet, weißseidene Strümpfe, Schuhe mit gol-
denen Schnallen und dazu wenigstens eine einzige, wenn auch
seltsame Erinnerung an die Revolution, eine schwarze Hals-
binde. Schon galt es für anstößig, daß Moreau auf einem Ball
des Kriegsministers mitten unter den Uniformen in schwarzer
Tuchkleidung erschien. Aber wenn auch das Kaiserthum in diesem
Geiste nur noch durchgreifender und prunkender verfuhr, so konnte
es doch die alten Moden in das Leben, in den Gang der Ge-
schichte nicht wieder zurückbringen; sie führten nur eine todte, von
Hofdecreten abhängige Existenz. Dennoch trat die Reaction ein,
aber sie ging an den wirklich und noch lebendig vorhandenen
Formen, wie sie die Revolution geschaffen hatte, vor sich, völlig
unbekümmert um das, was sich an den Höfen ereignete. Es
blieben die Errungenschaften, der einfache Frack und der Rock,
der runde Cylinderhut, Pantalons und Stiefel; und bei der
Frauentracht mußten die Veränderungen von dem unaufgebausch-
ten Kleide und der hohen Taille, von der starken Decolletirung,
von der antikisirenden Kopftracht nebst Hut und Haube aus-
gehen. Beim Frauenkleid oder der Tunica zeigt sich, beispiels-
weise gesagt, die Reaction augenblicklich darin, daß das fließende,
wallende Gewand zum kurzen straffen Kleid wird und allen Fal-
tenwurf zurückweiset. Im Moment gewahren wir wieder, wie
in allen ähnlichen Zeiten, die Neigung zu versteifen und zu ver-

III. Die Neuzeit.
ſchon entartender Blüthe ſtanden, um 1804 und 1805, trat die
Reaction und dann die Reſtauration ein, womit die Mode ihren
modernen Entwicklungsgang in ſtrenger, aber heute noch nicht
abgeſchloſſener Linie betritt. Es war das neugeſchaffene napo-
leoniſche Kaiſerthum, welches, nach imperialiſtiſchem Glanz be-
gierig, in die Vergangenheit zurückgriff. Schon 1802 ſah es am
Hofe des erſten Conſuls wenig republikaniſch aus. Die Stiefel
und die langen Beinkleider, die Säbel und Cocarden waren ver-
ſchwunden, und die ſchöne Zeit des Roccoco kam mit Schnallen-
ſchuhen und ſeidenen Strümpfen, mit Salondegen und den
Hüten unter dem Arm, mit den reich beſtickten Be dienten wieder
zum Vorſchein. Der erſte Conſul ſelbſt trug goldgeſtickten veil-
chenblauen Sammet, weißſeidene Strümpfe, Schuhe mit gol-
denen Schnallen und dazu wenigſtens eine einzige, wenn auch
ſeltſame Erinnerung an die Revolution, eine ſchwarze Hals-
binde. Schon galt es für anſtößig, daß Moreau auf einem Ball
des Kriegsminiſters mitten unter den Uniformen in ſchwarzer
Tuchkleidung erſchien. Aber wenn auch das Kaiſerthum in dieſem
Geiſte nur noch durchgreifender und prunkender verfuhr, ſo konnte
es doch die alten Moden in das Leben, in den Gang der Ge-
ſchichte nicht wieder zurückbringen; ſie führten nur eine todte, von
Hofdecreten abhängige Exiſtenz. Dennoch trat die Reaction ein,
aber ſie ging an den wirklich und noch lebendig vorhandenen
Formen, wie ſie die Revolution geſchaffen hatte, vor ſich, völlig
unbekümmert um das, was ſich an den Höfen ereignete. Es
blieben die Errungenſchaften, der einfache Frack und der Rock,
der runde Cylinderhut, Pantalons und Stiefel; und bei der
Frauentracht mußten die Veränderungen von dem unaufgebauſch-
ten Kleide und der hohen Taille, von der ſtarken Decolletirung,
von der antikiſirenden Kopftracht nebſt Hut und Haube aus-
gehen. Beim Frauenkleid oder der Tunica zeigt ſich, beiſpiels-
weiſe geſagt, die Reaction augenblicklich darin, daß das fließende,
wallende Gewand zum kurzen ſtraffen Kleid wird und allen Fal-
tenwurf zurückweiſet. Im Moment gewahren wir wieder, wie
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[324/0336] III. Die Neuzeit. ſchon entartender Blüthe ſtanden, um 1804 und 1805, trat die Reaction und dann die Reſtauration ein, womit die Mode ihren modernen Entwicklungsgang in ſtrenger, aber heute noch nicht abgeſchloſſener Linie betritt. Es war das neugeſchaffene napo- leoniſche Kaiſerthum, welches, nach imperialiſtiſchem Glanz be- gierig, in die Vergangenheit zurückgriff. Schon 1802 ſah es am Hofe des erſten Conſuls wenig republikaniſch aus. Die Stiefel und die langen Beinkleider, die Säbel und Cocarden waren ver- ſchwunden, und die ſchöne Zeit des Roccoco kam mit Schnallen- ſchuhen und ſeidenen Strümpfen, mit Salondegen und den Hüten unter dem Arm, mit den reich beſtickten Be dienten wieder zum Vorſchein. Der erſte Conſul ſelbſt trug goldgeſtickten veil- chenblauen Sammet, weißſeidene Strümpfe, Schuhe mit gol- denen Schnallen und dazu wenigſtens eine einzige, wenn auch ſeltſame Erinnerung an die Revolution, eine ſchwarze Hals- binde. Schon galt es für anſtößig, daß Moreau auf einem Ball des Kriegsminiſters mitten unter den Uniformen in ſchwarzer Tuchkleidung erſchien. Aber wenn auch das Kaiſerthum in dieſem Geiſte nur noch durchgreifender und prunkender verfuhr, ſo konnte es doch die alten Moden in das Leben, in den Gang der Ge- ſchichte nicht wieder zurückbringen; ſie führten nur eine todte, von Hofdecreten abhängige Exiſtenz. Dennoch trat die Reaction ein, aber ſie ging an den wirklich und noch lebendig vorhandenen Formen, wie ſie die Revolution geſchaffen hatte, vor ſich, völlig unbekümmert um das, was ſich an den Höfen ereignete. Es blieben die Errungenſchaften, der einfache Frack und der Rock, der runde Cylinderhut, Pantalons und Stiefel; und bei der Frauentracht mußten die Veränderungen von dem unaufgebauſch- ten Kleide und der hohen Taille, von der ſtarken Decolletirung, von der antikiſirenden Kopftracht nebſt Hut und Haube aus- gehen. Beim Frauenkleid oder der Tunica zeigt ſich, beiſpiels- weiſe geſagt, die Reaction augenblicklich darin, daß das fließende, wallende Gewand zum kurzen ſtraffen Kleid wird und allen Fal- tenwurf zurückweiſet. Im Moment gewahren wir wieder, wie in allen ähnlichen Zeiten, die Neigung zu verſteifen und zu ver-

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/336>, abgerufen am 24.11.2024.