Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.1. Die Reformation an Haupt und Gliedern. lin, in Scheppeln und in den Blumen, aber das Glück kehret sichum, davon sie gerühmt sein wollen, werden sie gescholten und kumen zu Gespott und zu Schanden, wann ein fremd Mann etwan kumpt und fragt, wer ist der mit dem Bart, es hat sunst keiner kein Bart, so spricht er, der (denn er) ist ein Narr, er meint, man soll viel uff ihn halten, darum daß er ein Bart trägt. Es sein darnach ander Narren, die tragen halbe Bärt als stette, sein uff einer Seiten geschoren, etliche tragen Knebelbärt, etliche hond ein klein Stücklin an den Backen ston, es will jeglicher etwas besunders tragen, und ist alles Narrenwerk." Aus dieser Stelle geht hervor, daß wenigstens im Jahr Dieser Erzählung steht entgegen, daß, wie in der Geschichte 1. Die Reformation an Haupt und Gliedern. lin, in Scheppeln und in den Blumen, aber das Glück kehret ſichum, davon ſie gerühmt ſein wollen, werden ſie geſcholten und kumen zu Geſpott und zu Schanden, wann ein fremd Mann etwan kumpt und fragt, wer iſt der mit dem Bart, es hat ſunſt keiner kein Bart, ſo ſpricht er, der (denn er) iſt ein Narr, er meint, man ſoll viel uff ihn halten, darum daß er ein Bart trägt. Es ſein darnach ander Narren, die tragen halbe Bärt als ſtette, ſein uff einer Seiten geſchoren, etliche tragen Knebelbärt, etliche hond ein klein Stücklin an den Backen ſton, es will jeglicher etwas beſunders tragen, und iſt alles Narrenwerk.“ Aus dieſer Stelle geht hervor, daß wenigſtens im Jahr Dieſer Erzählung ſteht entgegen, daß, wie in der Geſchichte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0033" n="21"/><fw place="top" type="header">1. Die Reformation an Haupt und Gliedern.</fw><lb/> lin, in Scheppeln und in den Blumen, aber das Glück kehret ſich<lb/> um, davon ſie gerühmt ſein wollen, werden ſie geſcholten und<lb/> kumen zu Geſpott und zu Schanden, wann ein fremd Mann<lb/> etwan kumpt und fragt, wer iſt der mit dem Bart, es hat ſunſt<lb/> keiner kein Bart, ſo ſpricht er, der (denn er) iſt ein Narr, er<lb/> meint, man ſoll viel uff ihn halten, darum daß er ein Bart trägt.<lb/> Es ſein darnach ander Narren, die tragen halbe Bärt als ſtette,<lb/> ſein uff einer Seiten geſchoren, etliche tragen Knebelbärt, etliche<lb/> hond ein klein Stücklin an den Backen ſton, es will jeglicher<lb/> etwas beſunders tragen, und iſt alles Narrenwerk.“</p><lb/> <p>Aus dieſer Stelle geht hervor, daß wenigſtens im Jahr<lb/> 1498, in welchem dieſe Predigten gedruckt wurden, der Bart<lb/> zwar eine auffallende und allen ehrbaren Leuten anſtößige, doch<lb/> keineswegs mehr ſeltne Sache war, ſodaß alſo jene Erzählung in<lb/> ſich zuſammenfällt, welche den Papſt Julius <hi rendition="#aq">II.</hi>, der 1503 den<lb/> päpſtlichen Stuhl beſtieg, als den erſten nennt, der ſich den Bart<lb/> habe wachſen laſſen. Ebenſo iſt es mit jener andern Anekdote,<lb/> welche die Tracht des kürzeren Haares König Franz <hi rendition="#aq">I.</hi> zuſchreibt,<lb/> wenigſtens was Frankreich und Deutſchland betrifft. Der König<lb/> habe ſich einſt — es war im Jahr 1521 — mit ſeinen Hofleuten<lb/> am Schneeballwerfen ergötzt; er und ſeine Partei ſollten das<lb/> Haus des Grafen St. Paul ſtürmen, welches von der Gegen-<lb/> partei vertheidigt wurde. In der Hitze des Gefechts habe man<lb/> auch zu Steinen und anderm Wurfmaterial gegriffen, und dem<lb/> Könige ſei ein großes Stück brennenden Holzes an den Kopf ge-<lb/> flogen. Um die Heilung der Wunde zu befördern, ſei das Haar<lb/> am ganzen Kopf geſchoren worden, und da der König eine ſchöne<lb/> Stirn gehabt, ſo habe ihm die Sitte des kürzeren Haupthaares<lb/> ſo gefallen, daß er ſie fortan beibehalten, wie es ſchon in der<lb/> Schweiz und Italien der Brauch geweſen, und alle Hofleute ſeien<lb/> ſeinem Beiſpiel gefolgt. Von Frankreich aus ſei die Mode dann<lb/> auch nach Deutſchland gekommen.</p><lb/> <p>Dieſer Erzählung ſteht entgegen, daß, wie in der Geſchichte<lb/> der Trachten die zufälligen Ereigniſſe überhaupt nur eine äußerſt<lb/> geringe Rolle ſpielen, ſo auch in dieſem Falle ſich die naturge-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [21/0033]
1. Die Reformation an Haupt und Gliedern.
lin, in Scheppeln und in den Blumen, aber das Glück kehret ſich
um, davon ſie gerühmt ſein wollen, werden ſie geſcholten und
kumen zu Geſpott und zu Schanden, wann ein fremd Mann
etwan kumpt und fragt, wer iſt der mit dem Bart, es hat ſunſt
keiner kein Bart, ſo ſpricht er, der (denn er) iſt ein Narr, er
meint, man ſoll viel uff ihn halten, darum daß er ein Bart trägt.
Es ſein darnach ander Narren, die tragen halbe Bärt als ſtette,
ſein uff einer Seiten geſchoren, etliche tragen Knebelbärt, etliche
hond ein klein Stücklin an den Backen ſton, es will jeglicher
etwas beſunders tragen, und iſt alles Narrenwerk.“
Aus dieſer Stelle geht hervor, daß wenigſtens im Jahr
1498, in welchem dieſe Predigten gedruckt wurden, der Bart
zwar eine auffallende und allen ehrbaren Leuten anſtößige, doch
keineswegs mehr ſeltne Sache war, ſodaß alſo jene Erzählung in
ſich zuſammenfällt, welche den Papſt Julius II., der 1503 den
päpſtlichen Stuhl beſtieg, als den erſten nennt, der ſich den Bart
habe wachſen laſſen. Ebenſo iſt es mit jener andern Anekdote,
welche die Tracht des kürzeren Haares König Franz I. zuſchreibt,
wenigſtens was Frankreich und Deutſchland betrifft. Der König
habe ſich einſt — es war im Jahr 1521 — mit ſeinen Hofleuten
am Schneeballwerfen ergötzt; er und ſeine Partei ſollten das
Haus des Grafen St. Paul ſtürmen, welches von der Gegen-
partei vertheidigt wurde. In der Hitze des Gefechts habe man
auch zu Steinen und anderm Wurfmaterial gegriffen, und dem
Könige ſei ein großes Stück brennenden Holzes an den Kopf ge-
flogen. Um die Heilung der Wunde zu befördern, ſei das Haar
am ganzen Kopf geſchoren worden, und da der König eine ſchöne
Stirn gehabt, ſo habe ihm die Sitte des kürzeren Haupthaares
ſo gefallen, daß er ſie fortan beibehalten, wie es ſchon in der
Schweiz und Italien der Brauch geweſen, und alle Hofleute ſeien
ſeinem Beiſpiel gefolgt. Von Frankreich aus ſei die Mode dann
auch nach Deutſchland gekommen.
Dieſer Erzählung ſteht entgegen, daß, wie in der Geſchichte
der Trachten die zufälligen Ereigniſſe überhaupt nur eine äußerſt
geringe Rolle ſpielen, ſo auch in dieſem Falle ſich die naturge-
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