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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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5. Die Periode des Zopfes und die Revolution.
sein ließ. Zuerst brachte er seinen Vorschlag in den Clubbs vor
und ließ ihn eifrigst discutiren, und dann ging er damit vor den
Nationalconvent. Wirklich erreichte er auch, daß bei den großen
Festen, die Robespierre veranstaltete, als er die Existenz Gottes
wieder decretirte, die Chöre der Jungfrauen und Jünglinge, der
Knaben und Mädchen in dem "Statuencostüm", wie man es
damals mehr spottweise nannte, erschienen. Allein die Aus-
führung entsprach nicht ganz seinen Erwartungen, denn die
Pariserinnen hatten zu seinen Modellen an Zugaben und An-
hängselchen soviel von dem Ihrigen hinzugethan, daß er das
Geständniß machte, das Pariser Muscadin-Unwesen sei eine
durchaus unheilbare Krankheit.

Auch im Uebrigen war der Erfolg ein sehr zweifelhafter.
Die Sache machte viel von sich reden, schien aber Anfangs mehr
den Spott und die Satire zu reizen als zur Nachahmung anzu-
regen. Und dazu kam, daß nicht lange darauf der Sturz Robes-
pierre's und die Verhaftung David's erfolgte. Dennoch blieb
der Beifall mit der Zeit nicht aus, und zwar in dem Maße trat
er ein, daß die weibliche Kleidung völlig umgeschaffen wurde,
wenn auch nicht in einer Weise, die den strengen Classicismus
David's hätte befriedigen können.

Schon das Jahr 1794 bezeichnet den Wendepunkt. Zu-
nächst, und was das wichtigste war, fällt die Schnürbrust und
alles, was noch von Reifrock, Culs und Bouffanten übrig war,
und die Taille, wenn eigentlich noch von einer solchen die Rede
sein konnte, rückt bis unter die Brüste. Zugleich sinken alle gro-
tesken Hauben und Frisuren, und Coiffüren von griechischer
Nachahmung oder vielmehr die der römischen Kaiserzeit treten an
die Stelle. Ein anderes Zeichen ist, daß die hohen Absätze ver-
schwinden und die Schuhe sich fußgerecht mit einer kleinen Spitze
gestalten. Bald sprach man nicht mehr von Kleid und Robe,
sondern nur noch von der Tunica.

Einzelne Damen, die den Ton angaben, suchten aber wirk-
lich sich in ächterer, oder vielmehr kühnerer Weise mit der Nudi-
tät einer Göttin zu gräcisiren. So erschien die schöne, in vollstem

5. Die Periode des Zopfes und die Revolution.
ſein ließ. Zuerſt brachte er ſeinen Vorſchlag in den Clubbs vor
und ließ ihn eifrigſt discutiren, und dann ging er damit vor den
Nationalconvent. Wirklich erreichte er auch, daß bei den großen
Feſten, die Robespierre veranſtaltete, als er die Exiſtenz Gottes
wieder decretirte, die Chöre der Jungfrauen und Jünglinge, der
Knaben und Mädchen in dem „Statuencoſtüm“, wie man es
damals mehr ſpottweiſe nannte, erſchienen. Allein die Aus-
führung entſprach nicht ganz ſeinen Erwartungen, denn die
Pariſerinnen hatten zu ſeinen Modellen an Zugaben und An-
hängſelchen ſoviel von dem Ihrigen hinzugethan, daß er das
Geſtändniß machte, das Pariſer Muscadin-Unweſen ſei eine
durchaus unheilbare Krankheit.

Auch im Uebrigen war der Erfolg ein ſehr zweifelhafter.
Die Sache machte viel von ſich reden, ſchien aber Anfangs mehr
den Spott und die Satire zu reizen als zur Nachahmung anzu-
regen. Und dazu kam, daß nicht lange darauf der Sturz Robes-
pierre’s und die Verhaftung David’s erfolgte. Dennoch blieb
der Beifall mit der Zeit nicht aus, und zwar in dem Maße trat
er ein, daß die weibliche Kleidung völlig umgeſchaffen wurde,
wenn auch nicht in einer Weiſe, die den ſtrengen Claſſicismus
David’s hätte befriedigen können.

Schon das Jahr 1794 bezeichnet den Wendepunkt. Zu-
nächſt, und was das wichtigſte war, fällt die Schnürbruſt und
alles, was noch von Reifrock, Culs und Bouffanten übrig war,
und die Taille, wenn eigentlich noch von einer ſolchen die Rede
ſein konnte, rückt bis unter die Brüſte. Zugleich ſinken alle gro-
tesken Hauben und Friſuren, und Coiffüren von griechiſcher
Nachahmung oder vielmehr die der römiſchen Kaiſerzeit treten an
die Stelle. Ein anderes Zeichen iſt, daß die hohen Abſätze ver-
ſchwinden und die Schuhe ſich fußgerecht mit einer kleinen Spitze
geſtalten. Bald ſprach man nicht mehr von Kleid und Robe,
ſondern nur noch von der Tunica.

Einzelne Damen, die den Ton angaben, ſuchten aber wirk-
lich ſich in ächterer, oder vielmehr kühnerer Weiſe mit der Nudi-
tät einer Göttin zu gräciſiren. So erſchien die ſchöne, in vollſtem

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[309/0321] 5. Die Periode des Zopfes und die Revolution. ſein ließ. Zuerſt brachte er ſeinen Vorſchlag in den Clubbs vor und ließ ihn eifrigſt discutiren, und dann ging er damit vor den Nationalconvent. Wirklich erreichte er auch, daß bei den großen Feſten, die Robespierre veranſtaltete, als er die Exiſtenz Gottes wieder decretirte, die Chöre der Jungfrauen und Jünglinge, der Knaben und Mädchen in dem „Statuencoſtüm“, wie man es damals mehr ſpottweiſe nannte, erſchienen. Allein die Aus- führung entſprach nicht ganz ſeinen Erwartungen, denn die Pariſerinnen hatten zu ſeinen Modellen an Zugaben und An- hängſelchen ſoviel von dem Ihrigen hinzugethan, daß er das Geſtändniß machte, das Pariſer Muscadin-Unweſen ſei eine durchaus unheilbare Krankheit. Auch im Uebrigen war der Erfolg ein ſehr zweifelhafter. Die Sache machte viel von ſich reden, ſchien aber Anfangs mehr den Spott und die Satire zu reizen als zur Nachahmung anzu- regen. Und dazu kam, daß nicht lange darauf der Sturz Robes- pierre’s und die Verhaftung David’s erfolgte. Dennoch blieb der Beifall mit der Zeit nicht aus, und zwar in dem Maße trat er ein, daß die weibliche Kleidung völlig umgeſchaffen wurde, wenn auch nicht in einer Weiſe, die den ſtrengen Claſſicismus David’s hätte befriedigen können. Schon das Jahr 1794 bezeichnet den Wendepunkt. Zu- nächſt, und was das wichtigſte war, fällt die Schnürbruſt und alles, was noch von Reifrock, Culs und Bouffanten übrig war, und die Taille, wenn eigentlich noch von einer ſolchen die Rede ſein konnte, rückt bis unter die Brüſte. Zugleich ſinken alle gro- tesken Hauben und Friſuren, und Coiffüren von griechiſcher Nachahmung oder vielmehr die der römiſchen Kaiſerzeit treten an die Stelle. Ein anderes Zeichen iſt, daß die hohen Abſätze ver- ſchwinden und die Schuhe ſich fußgerecht mit einer kleinen Spitze geſtalten. Bald ſprach man nicht mehr von Kleid und Robe, ſondern nur noch von der Tunica. Einzelne Damen, die den Ton angaben, ſuchten aber wirk- lich ſich in ächterer, oder vielmehr kühnerer Weiſe mit der Nudi- tät einer Göttin zu gräciſiren. So erſchien die ſchöne, in vollſtem

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/321>, abgerufen am 24.11.2024.