Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.III. Die Neuzeit. gen Paris und der französische Hof die alleinigen Muster vor-schrieben, soweit sich nicht der militärische Geist des Preußen- thums selbstständig äußerte und in die civile Welt oppositionell übergriff. Die folgenden Verse von 1751 geben zeitgemäß die Schilderung eines deutschen Stutzerherrchens nach französischem Muster. Der deutsche Franzose. Ich trag ein spitz gewölbt Toupe,Vier Daumen breit gehts in die Höh, Die moutonirten Puderlocken Bewegen sich als Silberglocken. Kein Engelskopf wird so geschnitzt, Als mir mein nettes Härchen sitzt, Ein großer Beutel mit zween Dutzen Muß wohlgeschürzt am Halse stutzen. Das Hemd steht nach Pariser Tracht Mit einem Blitzer zugemacht. Des offnen Busens Leckerbissen Schattirt ein ponceau - seidnes Kissen. Battistne Blätter um die Hand, Gleich Sonnenschirmen ausgespannt. An perlenfarbig seidnen Strümpfen Darf sich gar keine Falte rümpfen. Der blanken Kniee schwarzer Sammt Steht durch zwei Wickel aufgedammt. Die Weste strotzt von beiden Seiten, Der Rock kann mit dem Reifrock streiten. Des Unterfutters Himmelblau Werf ich im Gehn galant zur Schau, Des Aermels wohlgeschnittnen Flügel Bedecket ein brokadner Spiegel. Ring, Tabatier, Etui und Uhr Berühr ich als was Schlechtes nur. O ventre bleu! Die schönste Dose Verlor ich neulich -- a la Rose Pour attraper la belle main De Madame de Pontchartrain. Mein Tanzen, Fechten, Reiten, Singen Läßt sich in keinen Abriß bringen, III. Die Neuzeit. gen Paris und der franzöſiſche Hof die alleinigen Muſter vor-ſchrieben, ſoweit ſich nicht der militäriſche Geiſt des Preußen- thums ſelbſtſtändig äußerte und in die civile Welt oppoſitionell übergriff. Die folgenden Verſe von 1751 geben zeitgemäß die Schilderung eines deutſchen Stutzerherrchens nach franzöſiſchem Muſter. Der deutſche Franzoſe. Ich trag ein ſpitz gewölbt Toupé,Vier Daumen breit gehts in die Höh, Die moutonirten Puderlocken Bewegen ſich als Silberglocken. Kein Engelskopf wird ſo geſchnitzt, Als mir mein nettes Härchen ſitzt, Ein großer Beutel mit zween Dutzen Muß wohlgeſchürzt am Halſe ſtutzen. Das Hemd ſteht nach Pariſer Tracht Mit einem Blitzer zugemacht. Des offnen Buſens Leckerbiſſen Schattirt ein ponceau ‒ ſeidnes Kiſſen. Battiſtne Blätter um die Hand, Gleich Sonnenſchirmen ausgeſpannt. An perlenfarbig ſeidnen Strümpfen Darf ſich gar keine Falte rümpfen. Der blanken Kniee ſchwarzer Sammt Steht durch zwei Wickel aufgedammt. Die Weſte ſtrotzt von beiden Seiten, Der Rock kann mit dem Reifrock ſtreiten. Des Unterfutters Himmelblau Werf ich im Gehn galant zur Schau, Des Aermels wohlgeſchnittnen Flügel Bedecket ein brokadner Spiegel. Ring, Tabatier, Etui und Uhr Berühr ich als was Schlechtes nur. O ventre bleu! Die ſchönſte Doſe Verlor ich neulich — à la Rose Pour attraper la belle main De Madame de Pontchartrain. Mein Tanzen, Fechten, Reiten, Singen Läßt ſich in keinen Abriß bringen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0288" n="276"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Die Neuzeit.</fw><lb/> gen Paris und der franzöſiſche Hof die alleinigen Muſter vor-<lb/> ſchrieben, ſoweit ſich nicht der militäriſche Geiſt des Preußen-<lb/> thums ſelbſtſtändig äußerte und in die civile Welt oppoſitionell<lb/> übergriff. 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III. Die Neuzeit.
gen Paris und der franzöſiſche Hof die alleinigen Muſter vor-
ſchrieben, ſoweit ſich nicht der militäriſche Geiſt des Preußen-
thums ſelbſtſtändig äußerte und in die civile Welt oppoſitionell
übergriff. Die folgenden Verſe von 1751 geben zeitgemäß die
Schilderung eines deutſchen Stutzerherrchens nach franzöſiſchem
Muſter.
Der deutſche Franzoſe.
Ich trag ein ſpitz gewölbt Toupé,
Vier Daumen breit gehts in die Höh,
Die moutonirten Puderlocken
Bewegen ſich als Silberglocken.
Kein Engelskopf wird ſo geſchnitzt,
Als mir mein nettes Härchen ſitzt,
Ein großer Beutel mit zween Dutzen
Muß wohlgeſchürzt am Halſe ſtutzen.
Das Hemd ſteht nach Pariſer Tracht
Mit einem Blitzer zugemacht.
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