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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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4. Die Staatsperrücke u. d. absolute Herrschaft d. franz. Mode.
bare Antiquität sich eingeschlichen, auch selbige beinahe ganz
verzehret und verändert, ja wohl gar mit solcher schändlichen
Veränderung bei vielen die altdeutsch gesinnten Gemüther zu-
gleich angestecket haben, daß man anstatt der altehrbaren Ehren-
trachten ein freches Modakleid und wollüstiges Affengeputz zum
Theil ergriffen, so ist und bleibet doch die uralte Staats- und
Kirchentracht in ihren Habiten dadurch unverändert und unan-
getastet, als welche da billig die helle Ruhmfackel der Ehre und
des Alterthums unserer preißlöblichen Noris sich zu sein er-
weiset." In diesem überschwänglich perrückenhaften Ton geht es
noch weiter.

In der That kleidete sich damals schon die ganze Männer-
welt der deutschen Städte, die untersten Classen und einzelne
Gegenden wie Holland ausgenommen, nach französischer Weise;
Krause, Kragen und die luftig leichte Kleidung hatte sie ab-
gelegt.

"Deutschland hat das Leben uns, Frankreich aber Kleider geben,
Es verändert uns das Kleid, und wir ändern unser Leben."

Etwas anderes ist es mit dem weiblichen Geschlecht, bei
welchem sich neben der französischen Tracht eine Menge verschie-
dener Formen ziemlich das ganze Jahrhundert hindurch behaup-
teten und selbst noch in das achtzehnte mit hinüber gingen.
Hier ist die große Krause noch 1650 selbst bei jüngeren Damen
nichts seltnes, während gleichzeitig die Klagen über Entblößung
der Brust schon vorhanden sind. Bald werden die hohen "Auf-
sätze" in den Kleiderordnungen beschränkt, und gleich nach 1670
zeigt sich auch auf Bildern die Fontange, aber mit dem am Hin-
terhaupt befestigten Regentuch verbunden, einem mantelartigen
Umhang, mit dem die Bürgerin und selbst die Patrizierin großen
Luxus trieb, und welches die vornehme Welt gar nicht kannte.
Eine Menge verschiedener Kopftrachten bilden sich in der ersten
Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts aus den alten Formen her-
aus, so die Marderhaube, eine ungeheure Pelzkugel, die

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4. Die Staatsperrücke u. d. abſolute Herrſchaft d. franz. Mode.
bare Antiquität ſich eingeſchlichen, auch ſelbige beinahe ganz
verzehret und verändert, ja wohl gar mit ſolcher ſchändlichen
Veränderung bei vielen die altdeutſch geſinnten Gemüther zu-
gleich angeſtecket haben, daß man anſtatt der altehrbaren Ehren-
trachten ein freches Modakleid und wollüſtiges Affengeputz zum
Theil ergriffen, ſo iſt und bleibet doch die uralte Staats- und
Kirchentracht in ihren Habiten dadurch unverändert und unan-
getaſtet, als welche da billig die helle Ruhmfackel der Ehre und
des Alterthums unſerer preißlöblichen Noris ſich zu ſein er-
weiſet.“ In dieſem überſchwänglich perrückenhaften Ton geht es
noch weiter.

In der That kleidete ſich damals ſchon die ganze Männer-
welt der deutſchen Städte, die unterſten Claſſen und einzelne
Gegenden wie Holland ausgenommen, nach franzöſiſcher Weiſe;
Krauſe, Kragen und die luftig leichte Kleidung hatte ſie ab-
gelegt.

„Deutſchland hat das Leben uns, Frankreich aber Kleider geben,
Es verändert uns das Kleid, und wir ändern unſer Leben.“

Etwas anderes iſt es mit dem weiblichen Geſchlecht, bei
welchem ſich neben der franzöſiſchen Tracht eine Menge verſchie-
dener Formen ziemlich das ganze Jahrhundert hindurch behaup-
teten und ſelbſt noch in das achtzehnte mit hinüber gingen.
Hier iſt die große Krauſe noch 1650 ſelbſt bei jüngeren Damen
nichts ſeltnes, während gleichzeitig die Klagen über Entblößung
der Bruſt ſchon vorhanden ſind. Bald werden die hohen „Auf-
ſätze“ in den Kleiderordnungen beſchränkt, und gleich nach 1670
zeigt ſich auch auf Bildern die Fontange, aber mit dem am Hin-
terhaupt befeſtigten Regentuch verbunden, einem mantelartigen
Umhang, mit dem die Bürgerin und ſelbſt die Patrizierin großen
Luxus trieb, und welches die vornehme Welt gar nicht kannte.
Eine Menge verſchiedener Kopftrachten bilden ſich in der erſten
Hälfte des ſiebzehnten Jahrhunderts aus den alten Formen her-
aus, ſo die Marderhaube, eine ungeheure Pelzkugel, die

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[259/0271] 4. Die Staatsperrücke u. d. abſolute Herrſchaft d. franz. Mode. bare Antiquität ſich eingeſchlichen, auch ſelbige beinahe ganz verzehret und verändert, ja wohl gar mit ſolcher ſchändlichen Veränderung bei vielen die altdeutſch geſinnten Gemüther zu- gleich angeſtecket haben, daß man anſtatt der altehrbaren Ehren- trachten ein freches Modakleid und wollüſtiges Affengeputz zum Theil ergriffen, ſo iſt und bleibet doch die uralte Staats- und Kirchentracht in ihren Habiten dadurch unverändert und unan- getaſtet, als welche da billig die helle Ruhmfackel der Ehre und des Alterthums unſerer preißlöblichen Noris ſich zu ſein er- weiſet.“ In dieſem überſchwänglich perrückenhaften Ton geht es noch weiter. In der That kleidete ſich damals ſchon die ganze Männer- welt der deutſchen Städte, die unterſten Claſſen und einzelne Gegenden wie Holland ausgenommen, nach franzöſiſcher Weiſe; Krauſe, Kragen und die luftig leichte Kleidung hatte ſie ab- gelegt. „Deutſchland hat das Leben uns, Frankreich aber Kleider geben, Es verändert uns das Kleid, und wir ändern unſer Leben.“ Etwas anderes iſt es mit dem weiblichen Geſchlecht, bei welchem ſich neben der franzöſiſchen Tracht eine Menge verſchie- dener Formen ziemlich das ganze Jahrhundert hindurch behaup- teten und ſelbſt noch in das achtzehnte mit hinüber gingen. Hier iſt die große Krauſe noch 1650 ſelbſt bei jüngeren Damen nichts ſeltnes, während gleichzeitig die Klagen über Entblößung der Bruſt ſchon vorhanden ſind. Bald werden die hohen „Auf- ſätze“ in den Kleiderordnungen beſchränkt, und gleich nach 1670 zeigt ſich auch auf Bildern die Fontange, aber mit dem am Hin- terhaupt befeſtigten Regentuch verbunden, einem mantelartigen Umhang, mit dem die Bürgerin und ſelbſt die Patrizierin großen Luxus trieb, und welches die vornehme Welt gar nicht kannte. Eine Menge verſchiedener Kopftrachten bilden ſich in der erſten Hälfte des ſiebzehnten Jahrhunderts aus den alten Formen her- aus, ſo die Marderhaube, eine ungeheure Pelzkugel, die 17*

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/271>, abgerufen am 09.05.2024.