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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.
Ach leset, was hier steht, ich weiß, es wird euch grauen,
forthin also zu thun. Denkt, daß das Christenthum
Ein andres haben will" ...

Der Verfasser glaubt sich dann gegen den Vorwurf verwahren
zu müssen, als hasse er das weibliche Geschlecht: er meine nicht
"gottselige, zucht- und tugendliebende Frauen und Jungfrauen",
welche er "für Gottes sonderbares, künstliches Geschöpfe und
Töchter" hält. Merkwürdiger Weise beginnt er mit einer "Be-
schreibung der Weiberbrüste und derselben Lobsprüche", und
kommt dabei mit vieler Gelehrsamkeit, obwohl nicht auf ana-
tomischem oder physiologischem Wege, zu dem Resultat: "Darum
seien die weiblichen Brüste hoch zu loben; darum heißen sie sedes
amorum,
indem der allerweiseste Weiberschöpfer solche nicht al-
lein äußerlich schön gebildet, mit einer artlichen Runde, sub-
tilenen Weiche und mehr als alabasternen Weiße begabet, auch
künstlich neben einander gesetzt, als zwei junge Rehen-Zwillinge,
die unter Rosen weiden." Die Entblößung sei übrigens nicht
bloß Sünde, sondern schwere Sünde, teuflische Sünde und "laufe
wider den ganzen Katechismum." Noch ein merkwürdigerer Ge-
danke des Verfassers ist der, daß er sein Buch von einer adligen
Dame in Versen lobend begleiten läßt. Frau Eva Maria von R.
beginnt also:

"Ich kann nicht anders als gut heißen und belieben,
Was du, mein Werther, hast von Brüsten hier geschrieben,
Von Thorheit meines Volks. Die Brust ist ehrenwerth,
Doch daß sie ehrbarlich allzeit bedecket werd,
Das ist der Ehren Schmuck, den Gottes Geist selbst rühmet
An den Großmüttern, so uns allen auch geziemet" ....

Es scheint, als ob die natürlichen Reize, die in hinläng-
licher Fülle zur Schau getragen wurden, den schweren ächten
Schmuck an edlen Metallen und Edelsteinen überflüssig gemacht
hätten. Schon der phantastische Flattergeist der vorigen Periode
behing sich lieber mit dem leichten Tand von Federn und Bän-
dern, was sich noch im Uebergangscostüm fortsetzt. Dann sehen

III. Die Neuzeit.
Ach leſet, was hier ſteht, ich weiß, es wird euch grauen,
forthin alſo zu thun. Denkt, daß das Chriſtenthum
Ein andres haben will“ …

Der Verfaſſer glaubt ſich dann gegen den Vorwurf verwahren
zu müſſen, als haſſe er das weibliche Geſchlecht: er meine nicht
„gottſelige, zucht- und tugendliebende Frauen und Jungfrauen“,
welche er „für Gottes ſonderbares, künſtliches Geſchöpfe und
Töchter“ hält. Merkwürdiger Weiſe beginnt er mit einer „Be-
ſchreibung der Weiberbrüſte und derſelben Lobſprüche“, und
kommt dabei mit vieler Gelehrſamkeit, obwohl nicht auf ana-
tomiſchem oder phyſiologiſchem Wege, zu dem Reſultat: „Darum
ſeien die weiblichen Brüſte hoch zu loben; darum heißen ſie sedes
amorum,
indem der allerweiſeſte Weiberſchöpfer ſolche nicht al-
lein äußerlich ſchön gebildet, mit einer artlichen Runde, ſub-
tilenen Weiche und mehr als alabaſternen Weiße begabet, auch
künſtlich neben einander geſetzt, als zwei junge Rehen-Zwillinge,
die unter Roſen weiden.“ Die Entblößung ſei übrigens nicht
bloß Sünde, ſondern ſchwere Sünde, teufliſche Sünde und „laufe
wider den ganzen Katechismum.“ Noch ein merkwürdigerer Ge-
danke des Verfaſſers iſt der, daß er ſein Buch von einer adligen
Dame in Verſen lobend begleiten läßt. Frau Eva Maria von R.
beginnt alſo:

„Ich kann nicht anders als gut heißen und belieben,
Was du, mein Werther, haſt von Brüſten hier geſchrieben,
Von Thorheit meines Volks. Die Bruſt iſt ehrenwerth,
Doch daß ſie ehrbarlich allzeit bedecket werd,
Das iſt der Ehren Schmuck, den Gottes Geiſt ſelbſt rühmet
An den Großmüttern, ſo uns allen auch geziemet“ ....

Es ſcheint, als ob die natürlichen Reize, die in hinläng-
licher Fülle zur Schau getragen wurden, den ſchweren ächten
Schmuck an edlen Metallen und Edelſteinen überflüſſig gemacht
hätten. Schon der phantaſtiſche Flattergeiſt der vorigen Periode
behing ſich lieber mit dem leichten Tand von Federn und Bän-
dern, was ſich noch im Uebergangscoſtüm fortſetzt. Dann ſehen

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[254/0266] III. Die Neuzeit. Ach leſet, was hier ſteht, ich weiß, es wird euch grauen, forthin alſo zu thun. Denkt, daß das Chriſtenthum Ein andres haben will“ … Der Verfaſſer glaubt ſich dann gegen den Vorwurf verwahren zu müſſen, als haſſe er das weibliche Geſchlecht: er meine nicht „gottſelige, zucht- und tugendliebende Frauen und Jungfrauen“, welche er „für Gottes ſonderbares, künſtliches Geſchöpfe und Töchter“ hält. Merkwürdiger Weiſe beginnt er mit einer „Be- ſchreibung der Weiberbrüſte und derſelben Lobſprüche“, und kommt dabei mit vieler Gelehrſamkeit, obwohl nicht auf ana- tomiſchem oder phyſiologiſchem Wege, zu dem Reſultat: „Darum ſeien die weiblichen Brüſte hoch zu loben; darum heißen ſie sedes amorum, indem der allerweiſeſte Weiberſchöpfer ſolche nicht al- lein äußerlich ſchön gebildet, mit einer artlichen Runde, ſub- tilenen Weiche und mehr als alabaſternen Weiße begabet, auch künſtlich neben einander geſetzt, als zwei junge Rehen-Zwillinge, die unter Roſen weiden.“ Die Entblößung ſei übrigens nicht bloß Sünde, ſondern ſchwere Sünde, teufliſche Sünde und „laufe wider den ganzen Katechismum.“ Noch ein merkwürdigerer Ge- danke des Verfaſſers iſt der, daß er ſein Buch von einer adligen Dame in Verſen lobend begleiten läßt. Frau Eva Maria von R. beginnt alſo: „Ich kann nicht anders als gut heißen und belieben, Was du, mein Werther, haſt von Brüſten hier geſchrieben, Von Thorheit meines Volks. Die Bruſt iſt ehrenwerth, Doch daß ſie ehrbarlich allzeit bedecket werd, Das iſt der Ehren Schmuck, den Gottes Geiſt ſelbſt rühmet An den Großmüttern, ſo uns allen auch geziemet“ .... Es ſcheint, als ob die natürlichen Reize, die in hinläng- licher Fülle zur Schau getragen wurden, den ſchweren ächten Schmuck an edlen Metallen und Edelſteinen überflüſſig gemacht hätten. Schon der phantaſtiſche Flattergeiſt der vorigen Periode behing ſich lieber mit dem leichten Tand von Federn und Bän- dern, was ſich noch im Uebergangscoſtüm fortſetzt. Dann ſehen

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/266>, abgerufen am 09.05.2024.