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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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4. Die Staatsperrücke u. d. absolute Herrschaft d. franz. Mode.
"Was pflegst du doch mit schwarzen Flecken,
Mit Mouchen dein Gesicht, schwarze Chloris, zu bedecken?
Du hast die Tugenden verpachtet
Und bist ein öffentliches Haus,
Wo alles kann logiren,
Und um dir Gäste zuzuführen,
Steckst du gewiß allhier die Zeichen aus."

Schwach klingt dagegen die Vertheidigung, welche mehr schüch-
tern als wahr die Dichterin Frau von Ziegler unternahm:

"Ihr Spötter, tadelt nicht an uns der Mouchen Schein,
Seht ihr denn Sonn und Mond befreit von Flecken sein?
Mir dünkt es sei erlaubt, mit selbigen die Flecken,
Die die Natur uns macht, im Antlitz zu bedecken."

Viel eher hätte sie den Spott zurückwerfen können, denn von
der Perrücke und andern Thorheiten abgesehen, scheint es wirk-
lich nicht wenige süße Herren gegeben zu haben -- auf Mode-
bildern sind sie nicht selten -- welche gleichfalls ihr Gesicht mit
Schönpflästerchen verzierten.

Den Charakter der Frauenkleidung dieser Zeit bedingen,
wie schon oben angegeben, die Schleppe und die Schnür-
brust
, wozu sich noch die Decolletirung gesellt. Zu den
beiden letzten hatte schon die vorige Periode den Anfang gelegt;
die Schleppe aber gehört der Zeit Ludwigs XIV. als allgemeine
Tracht eigenthümlich an.

Zwei Kleider, das untere und die Robe, als zur vollkom-
menen Damentoilette gehörig, überkommt diese Periode schon
von der Vergangenheit. Die Robe hatte die vordere Oeffnung
vom Halse bis herab zu den Füßen, welche sie auch beibehielt.
Wenn sie angezogen war, berührten ihre Seiten sich nur in der
Spitze der langen und engen Taille; dann liefen sie nach oben
auseinander gleich den Schenkeln eines spitzen Winkels über die
Schultern, welche sie halb bedeckten, während der untere Theil,
der eigentliche Rock, alsogleich nach hinten übergeschlagen wurde,
daß die untere und obere Farbe sammt der des Kleides in gleicher

4. Die Staatsperrücke u. d. abſolute Herrſchaft d. franz. Mode.
„Was pflegſt du doch mit ſchwarzen Flecken,
Mit Mouchen dein Geſicht, ſchwarze Chloris, zu bedecken?
Du haſt die Tugenden verpachtet
Und biſt ein öffentliches Haus,
Wo alles kann logiren,
Und um dir Gäſte zuzuführen,
Steckſt du gewiß allhier die Zeichen aus.“

Schwach klingt dagegen die Vertheidigung, welche mehr ſchüch-
tern als wahr die Dichterin Frau von Ziegler unternahm:

„Ihr Spötter, tadelt nicht an uns der Mouchen Schein,
Seht ihr denn Sonn und Mond befreit von Flecken ſein?
Mir dünkt es ſei erlaubt, mit ſelbigen die Flecken,
Die die Natur uns macht, im Antlitz zu bedecken.“

Viel eher hätte ſie den Spott zurückwerfen können, denn von
der Perrücke und andern Thorheiten abgeſehen, ſcheint es wirk-
lich nicht wenige ſüße Herren gegeben zu haben — auf Mode-
bildern ſind ſie nicht ſelten — welche gleichfalls ihr Geſicht mit
Schönpfläſterchen verzierten.

Den Charakter der Frauenkleidung dieſer Zeit bedingen,
wie ſchon oben angegeben, die Schleppe und die Schnür-
bruſt
, wozu ſich noch die Decolletirung geſellt. Zu den
beiden letzten hatte ſchon die vorige Periode den Anfang gelegt;
die Schleppe aber gehört der Zeit Ludwigs XIV. als allgemeine
Tracht eigenthümlich an.

Zwei Kleider, das untere und die Robe, als zur vollkom-
menen Damentoilette gehörig, überkommt dieſe Periode ſchon
von der Vergangenheit. Die Robe hatte die vordere Oeffnung
vom Halſe bis herab zu den Füßen, welche ſie auch beibehielt.
Wenn ſie angezogen war, berührten ihre Seiten ſich nur in der
Spitze der langen und engen Taille; dann liefen ſie nach oben
auseinander gleich den Schenkeln eines ſpitzen Winkels über die
Schultern, welche ſie halb bedeckten, während der untere Theil,
der eigentliche Rock, alſogleich nach hinten übergeſchlagen wurde,
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[249/0261] 4. Die Staatsperrücke u. d. abſolute Herrſchaft d. franz. Mode. „Was pflegſt du doch mit ſchwarzen Flecken, Mit Mouchen dein Geſicht, ſchwarze Chloris, zu bedecken? Du haſt die Tugenden verpachtet Und biſt ein öffentliches Haus, Wo alles kann logiren, Und um dir Gäſte zuzuführen, Steckſt du gewiß allhier die Zeichen aus.“ Schwach klingt dagegen die Vertheidigung, welche mehr ſchüch- tern als wahr die Dichterin Frau von Ziegler unternahm: „Ihr Spötter, tadelt nicht an uns der Mouchen Schein, Seht ihr denn Sonn und Mond befreit von Flecken ſein? Mir dünkt es ſei erlaubt, mit ſelbigen die Flecken, Die die Natur uns macht, im Antlitz zu bedecken.“ Viel eher hätte ſie den Spott zurückwerfen können, denn von der Perrücke und andern Thorheiten abgeſehen, ſcheint es wirk- lich nicht wenige ſüße Herren gegeben zu haben — auf Mode- bildern ſind ſie nicht ſelten — welche gleichfalls ihr Geſicht mit Schönpfläſterchen verzierten. Den Charakter der Frauenkleidung dieſer Zeit bedingen, wie ſchon oben angegeben, die Schleppe und die Schnür- bruſt, wozu ſich noch die Decolletirung geſellt. Zu den beiden letzten hatte ſchon die vorige Periode den Anfang gelegt; die Schleppe aber gehört der Zeit Ludwigs XIV. als allgemeine Tracht eigenthümlich an. Zwei Kleider, das untere und die Robe, als zur vollkom- menen Damentoilette gehörig, überkommt dieſe Periode ſchon von der Vergangenheit. Die Robe hatte die vordere Oeffnung vom Halſe bis herab zu den Füßen, welche ſie auch beibehielt. Wenn ſie angezogen war, berührten ihre Seiten ſich nur in der Spitze der langen und engen Taille; dann liefen ſie nach oben auseinander gleich den Schenkeln eines ſpitzen Winkels über die Schultern, welche ſie halb bedeckten, während der untere Theil, der eigentliche Rock, alſogleich nach hinten übergeſchlagen wurde, daß die untere und obere Farbe ſammt der des Kleides in gleicher

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/261>, abgerufen am 25.11.2024.