4. Die Staatsperrücke u. d. absolute Herrschaft d. franz. Mode.
nur die leeren Formen in erschreckender Starrheit blieben: da erlag diesem langsamen Tode auch das Blond, und an seine Stelle trat die Farbe des Greisenalters, das Weiß des Puders.
Die große blonde Alongeperrücke zu tragen, konnte freilich nicht Jedermanns Sache sein, denn in ihrer vollsten Schönheit kostete sie 1000 Thaler, und nur Paris allein verstand es, oder erfreute sich wenigstens dieses Rufes, sie in kunstreicher Voll- endung zu verfertigen. So zierte sie nur die hohen Häupter auf Erden. Die Unze des dazu gehörigen Frauenhaares kam in erster Qualität an Farbe und Länge auf 40 bis 50 Livres. Es ent- wickelte sich allmählig, wie einst in der römischen Kaiserzeit, doch in ausgedehnterem Maße, mit dem Menschenhaar ein sehr ein- träglicher Handel, den für Deutschland die französischen Emigres in die Hände nahmen, sogut wie sie sich auch als Perrückenmacher und Kammerdiener niederließen. Der erste König von Preußen, bekanntlich der beste Schüler Ludwigs XIV. in der Etiquette und im Glanz des Hofwesens, suchte diese Fabrikation auch in Berlin heimisch zu machen; selbst seine gewöhnliche kleine Perrücke, die ihn unterschied, wenn er en confidence unter all den Staats- perrücken seines Hofes erschien, war Berliner Fabrikat und kostete nur funfzehn Thaler. Er wußte diese Mode auch für sich ein- träglich zu machen, denn er legte allen Perrückenträgern, doch keineswegs in Absicht die Mode zu beschränken, eine Steuer auf. Alle Civil- und Militärbeamten von den vornehmsten bis zu den Sekretären und wer von gleichem Range war, bezahlten jährlich einen Thaler; die übrigen Beamten, Magistratsräthe, Sekretäre, Kammerbediente, Kaufleute, Bürger und andre sechszehn Gro- schen; die Lakaien, zünftigen Handwerker und Leute geringeren Standes zwölf Groschen; niemand war ausgenommen als die Prediger, Schulrectoren, Schüler, Kinder unter zwölf Jahren, Offiziere und gemeine Soldaten. Da die Erhebung dieser Steuer Schwierigkeiten machte, verpachtete er sie an einen französischen Flüchtling Elie Papus de la Verdaugie, der sie von 1701 an inne hatte, bis sie 1717 durch Friedrich Wilhelm I. wieder auf- gehoben wurde.
4. Die Staatsperrücke u. d. abſolute Herrſchaft d. franz. Mode.
nur die leeren Formen in erſchreckender Starrheit blieben: da erlag dieſem langſamen Tode auch das Blond, und an ſeine Stelle trat die Farbe des Greiſenalters, das Weiß des Puders.
Die große blonde Alongeperrücke zu tragen, konnte freilich nicht Jedermanns Sache ſein, denn in ihrer vollſten Schönheit koſtete ſie 1000 Thaler, und nur Paris allein verſtand es, oder erfreute ſich wenigſtens dieſes Rufes, ſie in kunſtreicher Voll- endung zu verfertigen. So zierte ſie nur die hohen Häupter auf Erden. Die Unze des dazu gehörigen Frauenhaares kam in erſter Qualität an Farbe und Länge auf 40 bis 50 Livres. Es ent- wickelte ſich allmählig, wie einſt in der römiſchen Kaiſerzeit, doch in ausgedehnterem Maße, mit dem Menſchenhaar ein ſehr ein- träglicher Handel, den für Deutſchland die franzöſiſchen Emigrés in die Hände nahmen, ſogut wie ſie ſich auch als Perrückenmacher und Kammerdiener niederließen. Der erſte König von Preußen, bekanntlich der beſte Schüler Ludwigs XIV. in der Etiquette und im Glanz des Hofweſens, ſuchte dieſe Fabrikation auch in Berlin heimiſch zu machen; ſelbſt ſeine gewöhnliche kleine Perrücke, die ihn unterſchied, wenn er en confidence unter all den Staats- perrücken ſeines Hofes erſchien, war Berliner Fabrikat und koſtete nur funfzehn Thaler. Er wußte dieſe Mode auch für ſich ein- träglich zu machen, denn er legte allen Perrückenträgern, doch keineswegs in Abſicht die Mode zu beſchränken, eine Steuer auf. Alle Civil- und Militärbeamten von den vornehmſten bis zu den Sekretären und wer von gleichem Range war, bezahlten jährlich einen Thaler; die übrigen Beamten, Magiſtratsräthe, Sekretäre, Kammerbediente, Kaufleute, Bürger und andre ſechszehn Gro- ſchen; die Lakaien, zünftigen Handwerker und Leute geringeren Standes zwölf Groſchen; niemand war ausgenommen als die Prediger, Schulrectoren, Schüler, Kinder unter zwölf Jahren, Offiziere und gemeine Soldaten. Da die Erhebung dieſer Steuer Schwierigkeiten machte, verpachtete er ſie an einen franzöſiſchen Flüchtling Elie Papus de la Verdaugie, der ſie von 1701 an inne hatte, bis ſie 1717 durch Friedrich Wilhelm I. wieder auf- gehoben wurde.
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4. Die Staatsperrücke u. d. abſolute Herrſchaft d. franz. Mode.
nur die leeren Formen in erſchreckender Starrheit blieben: da
erlag dieſem langſamen Tode auch das Blond, und an ſeine
Stelle trat die Farbe des Greiſenalters, das Weiß des Puders.
Die große blonde Alongeperrücke zu tragen, konnte freilich
nicht Jedermanns Sache ſein, denn in ihrer vollſten Schönheit
koſtete ſie 1000 Thaler, und nur Paris allein verſtand es, oder
erfreute ſich wenigſtens dieſes Rufes, ſie in kunſtreicher Voll-
endung zu verfertigen. So zierte ſie nur die hohen Häupter auf
Erden. Die Unze des dazu gehörigen Frauenhaares kam in erſter
Qualität an Farbe und Länge auf 40 bis 50 Livres. Es ent-
wickelte ſich allmählig, wie einſt in der römiſchen Kaiſerzeit, doch
in ausgedehnterem Maße, mit dem Menſchenhaar ein ſehr ein-
träglicher Handel, den für Deutſchland die franzöſiſchen Emigrés
in die Hände nahmen, ſogut wie ſie ſich auch als Perrückenmacher
und Kammerdiener niederließen. Der erſte König von Preußen,
bekanntlich der beſte Schüler Ludwigs XIV. in der Etiquette und
im Glanz des Hofweſens, ſuchte dieſe Fabrikation auch in Berlin
heimiſch zu machen; ſelbſt ſeine gewöhnliche kleine Perrücke, die
ihn unterſchied, wenn er en confidence unter all den Staats-
perrücken ſeines Hofes erſchien, war Berliner Fabrikat und koſtete
nur funfzehn Thaler. Er wußte dieſe Mode auch für ſich ein-
träglich zu machen, denn er legte allen Perrückenträgern, doch
keineswegs in Abſicht die Mode zu beſchränken, eine Steuer auf.
Alle Civil- und Militärbeamten von den vornehmſten bis zu den
Sekretären und wer von gleichem Range war, bezahlten jährlich
einen Thaler; die übrigen Beamten, Magiſtratsräthe, Sekretäre,
Kammerbediente, Kaufleute, Bürger und andre ſechszehn Gro-
ſchen; die Lakaien, zünftigen Handwerker und Leute geringeren
Standes zwölf Groſchen; niemand war ausgenommen als die
Prediger, Schulrectoren, Schüler, Kinder unter zwölf Jahren,
Offiziere und gemeine Soldaten. Da die Erhebung dieſer Steuer
Schwierigkeiten machte, verpachtete er ſie an einen franzöſiſchen
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inne hatte, bis ſie 1717 durch Friedrich Wilhelm I. wieder auf-
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/245>, abgerufen am 08.07.2024.
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