Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.3. Der Naturalismus u. d. Stutzerthum des dreißigjähr. Kriegs. Niedrigkeit herab; der Rand dehnte sich ellenbreit aus, daß erwie ein Schirmdach den ganzen Mann deckte; nach hinten zu fiel eine ungemessene Feder über den Rücken, nicht selten bis zur Kniebeuge herab. In dieser Form nannte ihn der Stutzer in seinem Rothwelsch sehr bezeichnend "Respondent", denn er mußte nun allen Launen und Stimmungen seines Trägers wie eine Wetterfahne entsprechen. Vorn über die Stirn hereingedrückt mit seitwärts aufgeschlagener Krämpe saß er renommistisch heraus- fordernd. War er zurückgeschlagen und die Krämpe erhoben über der Stirn, so verkündete er heiteres Wetter und gute Laune: das Gesicht war offen, die Stirn frei und die Augen leuchteten son- nig und heiter. Aber die höchste Trauer war eingezogen, Trüb- sinn und Schwermuth, Geldmangel, Unglück in der Liebe, wenn er über Stirn und Auge hereingedrückt und der Rand, sogar ohne Feder, allseitig heruntergelassen war. So fanden Stolz und Niedergeschlagenheit, Zorn und Sanftmuth, Lust und Trauer, Rauflust, Trotz und Feigheit ihren Ausdruck, ihren Wi- derschein in diesem Hut. -- Außer der langen Feder verzierte ihn noch der Soldat und der Bürger nicht minder wie der Stutzer mit den Faveurs, mit Ketten und Schnüren, mit Edelsteinen und Gold und Silber, mit Rosetten und Schleifen. Die Blüthezeit des großen Schlapphutes fällt mit der von Dem Hute nahe an Monstrosität kam der Stiefel, ob- 3. Der Naturalismus u. d. Stutzerthum des dreißigjähr. Kriegs. Niedrigkeit herab; der Rand dehnte ſich ellenbreit aus, daß erwie ein Schirmdach den ganzen Mann deckte; nach hinten zu fiel eine ungemeſſene Feder über den Rücken, nicht ſelten bis zur Kniebeuge herab. In dieſer Form nannte ihn der Stutzer in ſeinem Rothwelſch ſehr bezeichnend „Reſpondent“, denn er mußte nun allen Launen und Stimmungen ſeines Trägers wie eine Wetterfahne entſprechen. Vorn über die Stirn hereingedrückt mit ſeitwärts aufgeſchlagener Krämpe ſaß er renommiſtiſch heraus- fordernd. War er zurückgeſchlagen und die Krämpe erhoben über der Stirn, ſo verkündete er heiteres Wetter und gute Laune: das Geſicht war offen, die Stirn frei und die Augen leuchteten ſon- nig und heiter. Aber die höchſte Trauer war eingezogen, Trüb- ſinn und Schwermuth, Geldmangel, Unglück in der Liebe, wenn er über Stirn und Auge hereingedrückt und der Rand, ſogar ohne Feder, allſeitig heruntergelaſſen war. So fanden Stolz und Niedergeſchlagenheit, Zorn und Sanftmuth, Luſt und Trauer, Raufluſt, Trotz und Feigheit ihren Ausdruck, ihren Wi- derſchein in dieſem Hut. — Außer der langen Feder verzierte ihn noch der Soldat und der Bürger nicht minder wie der Stutzer mit den Faveurs, mit Ketten und Schnüren, mit Edelſteinen und Gold und Silber, mit Roſetten und Schleifen. Die Blüthezeit des großen Schlapphutes fällt mit der von Dem Hute nahe an Monſtroſität kam der Stiefel, ob- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0203" n="191"/><fw place="top" type="header">3. Der Naturalismus u. d. Stutzerthum des dreißigjähr. Kriegs.</fw><lb/> Niedrigkeit herab; der Rand dehnte ſich ellenbreit aus, daß er<lb/> wie ein Schirmdach den ganzen Mann deckte; nach hinten zu fiel<lb/> eine ungemeſſene Feder über den Rücken, nicht ſelten bis zur<lb/> Kniebeuge herab. 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3. Der Naturalismus u. d. Stutzerthum des dreißigjähr. Kriegs.
Niedrigkeit herab; der Rand dehnte ſich ellenbreit aus, daß er
wie ein Schirmdach den ganzen Mann deckte; nach hinten zu fiel
eine ungemeſſene Feder über den Rücken, nicht ſelten bis zur
Kniebeuge herab. In dieſer Form nannte ihn der Stutzer in
ſeinem Rothwelſch ſehr bezeichnend „Reſpondent“, denn er mußte
nun allen Launen und Stimmungen ſeines Trägers wie eine
Wetterfahne entſprechen. Vorn über die Stirn hereingedrückt
mit ſeitwärts aufgeſchlagener Krämpe ſaß er renommiſtiſch heraus-
fordernd. War er zurückgeſchlagen und die Krämpe erhoben über
der Stirn, ſo verkündete er heiteres Wetter und gute Laune: das
Geſicht war offen, die Stirn frei und die Augen leuchteten ſon-
nig und heiter. Aber die höchſte Trauer war eingezogen, Trüb-
ſinn und Schwermuth, Geldmangel, Unglück in der Liebe, wenn
er über Stirn und Auge hereingedrückt und der Rand, ſogar
ohne Feder, allſeitig heruntergelaſſen war. So fanden Stolz
und Niedergeſchlagenheit, Zorn und Sanftmuth, Luſt und
Trauer, Raufluſt, Trotz und Feigheit ihren Ausdruck, ihren Wi-
derſchein in dieſem Hut. — Außer der langen Feder verzierte ihn
noch der Soldat und der Bürger nicht minder wie der Stutzer
mit den Faveurs, mit Ketten und Schnüren, mit Edelſteinen und
Gold und Silber, mit Roſetten und Schleifen.
Die Blüthezeit des großen Schlapphutes fällt mit der von
Haar und Bart zuſammen; gegen das Ende des Kriegs trafen
auch ihn die Veränderungen, welche ſeine groteske Geſtalt zu
beſchränken ſuchten. Das Extrem kann ſich nicht lange auf ſeiner
Höhe behaupten. Die Körper waren ermattet von den An-
ſtrengungen und Leiden des langen Kriegs; die Geiſter erſchlaff-
ten und hatten nicht mehr die Schwungkraft zu übertreibenden
Aeußerungen renommiſtiſchen Uebermuths oder chevaleresker
Keckheit; und wie die Menſchen ſelbſt, der Dinge müde, wider-
willig einen allen läſtigen Frieden ſchloſſen, ſo bequemten ſich
auch wieder die Köpfe einer ſteiferen Form des Hutes.
Dem Hute nahe an Monſtroſität kam der Stiefel, ob-
wohl der Schuh daneben noch lange nicht aus der modiſchen
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