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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.
Costüms zu verfolgen haben. An jedem Ende des Weges steht
ein renommistischer Stutzer als höchste Blüthe: hier am Anfang
der steife Spanier, von Kopf zu Fuß ein Höfling, zierlich und
gespreizt, unnatürlich beengt, mit straff gespannten Wülsten um-
legt, gemessen und absichtsvoll in jeder Bewegung, geschmückt,
aber solide und kostbar, unfrei, aber selbstzufrieden und eitel und
stolz auf seine, wie er meint, imponirend elegante Erscheinung;
ihm gegenüber am andern Ende der soldatische Renommist oder
seine Carricatur, der civilistische Stutzer, lockre, leichte Gesellen,
ohne Ehrgefühl, das dem Spanier das Rührmichnichtan ist,
Flattergeister, Glücksritter, die von heute auf morgen leben,
Schaumblasen des Kriegs, frei und ungenirt wie der Vogel in
der Luft oder das Thier des Waldes, oft aber auch wie das ge-
hetzte Wild, lose und schlottrig in der Kleidung, die, nirgends
anschließend, herumhängt und herumflattert, langlockig, mit
breitem Schlapphut und colossalem Gefieder behängt, mit lappi-
gem Schmuck, mit leichter Waare, die nicht viel kostet, aber lustig
umherfliegt, bis sie am nächsten Zaun oder Dornbusch in Fetzen
hängen bleibt. Dazwischen liegt ein malerisch reizvolles Costüm,
die Freude unsrer Künstler von der Leinwand wie von den Bret-
tern, frei und keiner Bewegung ein Hinderniß darbietend, reich
an Farben, Formen und natürlichen Falten, elegant und doch
nicht gezwungen, luftig, aber nicht schlottrig, mit seinem flotten,
kriegerischen Ausdruck den kühnen und tapfern Parteigängern
des dreißigjährigen Kriegs, den Rittern von der Pike, ent-
sprechend im Gegensatz zur schwereren Pracht des altadeligen
Ritters von ehemals.

Der männliche Kopf ist auch diesmal wieder der Wetter-
prophet, indem er sich gegen das kurze Haar, den stehenden Kra-
gen und den steifen Hut zu sträuben beginnt. Schon 1586 stoßen
wir bei Osiander auf die ersten schon oben erwähnten Andeu-
tungen. Allein so lange die Krause noch ihre steife, unter den
Ohren und im Nacken emporstehende Gestalt behielt, waren
solche Versuche erfolglos und vereinzelt. Mit dem Beginne des
siebzehnten Jahrhunderts fängt aber diese Schranke zu fallen an,

III. Die Neuzeit.
Coſtüms zu verfolgen haben. An jedem Ende des Weges ſteht
ein renommiſtiſcher Stutzer als höchſte Blüthe: hier am Anfang
der ſteife Spanier, von Kopf zu Fuß ein Höfling, zierlich und
geſpreizt, unnatürlich beengt, mit ſtraff geſpannten Wülſten um-
legt, gemeſſen und abſichtsvoll in jeder Bewegung, geſchmückt,
aber ſolide und koſtbar, unfrei, aber ſelbſtzufrieden und eitel und
ſtolz auf ſeine, wie er meint, imponirend elegante Erſcheinung;
ihm gegenüber am andern Ende der ſoldatiſche Renommiſt oder
ſeine Carricatur, der civiliſtiſche Stutzer, lockre, leichte Geſellen,
ohne Ehrgefühl, das dem Spanier das Rührmichnichtan iſt,
Flattergeiſter, Glücksritter, die von heute auf morgen leben,
Schaumblaſen des Kriegs, frei und ungenirt wie der Vogel in
der Luft oder das Thier des Waldes, oft aber auch wie das ge-
hetzte Wild, loſe und ſchlottrig in der Kleidung, die, nirgends
anſchließend, herumhängt und herumflattert, langlockig, mit
breitem Schlapphut und coloſſalem Gefieder behängt, mit lappi-
gem Schmuck, mit leichter Waare, die nicht viel koſtet, aber luſtig
umherfliegt, bis ſie am nächſten Zaun oder Dornbuſch in Fetzen
hängen bleibt. Dazwiſchen liegt ein maleriſch reizvolles Coſtüm,
die Freude unſrer Künſtler von der Leinwand wie von den Bret-
tern, frei und keiner Bewegung ein Hinderniß darbietend, reich
an Farben, Formen und natürlichen Falten, elegant und doch
nicht gezwungen, luftig, aber nicht ſchlottrig, mit ſeinem flotten,
kriegeriſchen Ausdruck den kühnen und tapfern Parteigängern
des dreißigjährigen Kriegs, den Rittern von der Pike, ent-
ſprechend im Gegenſatz zur ſchwereren Pracht des altadeligen
Ritters von ehemals.

Der männliche Kopf iſt auch diesmal wieder der Wetter-
prophet, indem er ſich gegen das kurze Haar, den ſtehenden Kra-
gen und den ſteifen Hut zu ſträuben beginnt. Schon 1586 ſtoßen
wir bei Oſiander auf die erſten ſchon oben erwähnten Andeu-
tungen. Allein ſo lange die Krauſe noch ihre ſteife, unter den
Ohren und im Nacken emporſtehende Geſtalt behielt, waren
ſolche Verſuche erfolglos und vereinzelt. Mit dem Beginne des
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[174/0186] III. Die Neuzeit. Coſtüms zu verfolgen haben. An jedem Ende des Weges ſteht ein renommiſtiſcher Stutzer als höchſte Blüthe: hier am Anfang der ſteife Spanier, von Kopf zu Fuß ein Höfling, zierlich und geſpreizt, unnatürlich beengt, mit ſtraff geſpannten Wülſten um- legt, gemeſſen und abſichtsvoll in jeder Bewegung, geſchmückt, aber ſolide und koſtbar, unfrei, aber ſelbſtzufrieden und eitel und ſtolz auf ſeine, wie er meint, imponirend elegante Erſcheinung; ihm gegenüber am andern Ende der ſoldatiſche Renommiſt oder ſeine Carricatur, der civiliſtiſche Stutzer, lockre, leichte Geſellen, ohne Ehrgefühl, das dem Spanier das Rührmichnichtan iſt, Flattergeiſter, Glücksritter, die von heute auf morgen leben, Schaumblaſen des Kriegs, frei und ungenirt wie der Vogel in der Luft oder das Thier des Waldes, oft aber auch wie das ge- hetzte Wild, loſe und ſchlottrig in der Kleidung, die, nirgends anſchließend, herumhängt und herumflattert, langlockig, mit breitem Schlapphut und coloſſalem Gefieder behängt, mit lappi- gem Schmuck, mit leichter Waare, die nicht viel koſtet, aber luſtig umherfliegt, bis ſie am nächſten Zaun oder Dornbuſch in Fetzen hängen bleibt. Dazwiſchen liegt ein maleriſch reizvolles Coſtüm, die Freude unſrer Künſtler von der Leinwand wie von den Bret- tern, frei und keiner Bewegung ein Hinderniß darbietend, reich an Farben, Formen und natürlichen Falten, elegant und doch nicht gezwungen, luftig, aber nicht ſchlottrig, mit ſeinem flotten, kriegeriſchen Ausdruck den kühnen und tapfern Parteigängern des dreißigjährigen Kriegs, den Rittern von der Pike, ent- ſprechend im Gegenſatz zur ſchwereren Pracht des altadeligen Ritters von ehemals. Der männliche Kopf iſt auch diesmal wieder der Wetter- prophet, indem er ſich gegen das kurze Haar, den ſtehenden Kra- gen und den ſteifen Hut zu ſträuben beginnt. Schon 1586 ſtoßen wir bei Oſiander auf die erſten ſchon oben erwähnten Andeu- tungen. Allein ſo lange die Krauſe noch ihre ſteife, unter den Ohren und im Nacken emporſtehende Geſtalt behielt, waren ſolche Verſuche erfolglos und vereinzelt. Mit dem Beginne des ſiebzehnten Jahrhunderts fängt aber dieſe Schranke zu fallen an,

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/186>, abgerufen am 25.11.2024.