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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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2. Die Reaction und die spanische Tracht.
aber in ihrem Sinne um. Erst mit dem Strumpf verschwinden
die gehenden, trippelnden und hopfenden Bewegungen des spät
mittelalterlichen Tanzes, welche Kunst nun erst in ein System
edler oder vielmehr eleganter Bewegungen nach den Regeln einer
akademischen Grazie gebracht wurde. Als die Heimath derselben
ist Italien und zwar, wie es scheint, vorzugsweise das spanische
zu betrachten, welches auch die ersten "Professoren der Tanz-
kunst" aufstellte. Von hier gingen auch am Ende des sechszehn-
ten Jahrhunderts die ersten großen Werke aus, welche den Tanz
mit Illustrationen theoretisch und systematisch behandeln. Doch
vermochten trotzdem die Folgen in Deutschland sich noch nicht
in höherem Grade sichtbar zu machen, da bald eine neue Periode
naturalistisch entgegentrat, und der dreißigjährige Krieg und die
Herrschaft des colossalen soldatischen Stulpstiefels Strumpf und
Schuh eine Zeitlang ganz zurückdrängten. Erst nach dem Kriege
werden wir die Franzosen die unterbrochene Richtung wieder auf-
nehmen sehen, und damit betrat der Strumpf unter Ludwig XIV.
sein goldenes Zeitalter'.

Im Jahre 1552 trugen die französischen Herren noch keine
Strümpfe, sondern das lange Beinkleid nach spanischer Weise.
Damals kam aber in Deutschland der Strumpf zum Durchbruch,
zwar noch nicht von Seide, sondern von Baumwolle oder Wolle.
Die ersten seidenen gestrickten Beinkleider trug in Frankreich Kö-
nig Heinrich II. im Jahre 1559 bei der Hochzeit seiner Schwe-
ster mit dem Herzog von Savoyen; ein paar Jahrzehnte später
aber, zu Brantome's Zeiten, waren mit der gepufften Kniehose
auch die seidenen Strümpfe mit Knieband bei den Herren allge-
mein geworden. Brantome erzählt, er habe viele Liebhaber ge-
kannt, die, wenn sie sich neue seidene Strümpfe gekauft, ihre
Schönen darum ersucht hätten, sie erst acht oder zehn Tage an-
zulegen, wonach sie die also eingeweihten dann mit großer Ver-
ehrung und Befriedigung getragen hätten.

Gestrickte Beinkleider der Herren und gleiche Strümpfe der
Frauen scheinen in England schon einige Jahrzehnte früher im
Gebrauch gewesen zu sein, doch neben ihnen und später noch die

2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.
aber in ihrem Sinne um. Erſt mit dem Strumpf verſchwinden
die gehenden, trippelnden und hopfenden Bewegungen des ſpät
mittelalterlichen Tanzes, welche Kunſt nun erſt in ein Syſtem
edler oder vielmehr eleganter Bewegungen nach den Regeln einer
akademiſchen Grazie gebracht wurde. Als die Heimath derſelben
iſt Italien und zwar, wie es ſcheint, vorzugsweiſe das ſpaniſche
zu betrachten, welches auch die erſten „Profeſſoren der Tanz-
kunſt“ aufſtellte. Von hier gingen auch am Ende des ſechszehn-
ten Jahrhunderts die erſten großen Werke aus, welche den Tanz
mit Illuſtrationen theoretiſch und ſyſtematiſch behandeln. Doch
vermochten trotzdem die Folgen in Deutſchland ſich noch nicht
in höherem Grade ſichtbar zu machen, da bald eine neue Periode
naturaliſtiſch entgegentrat, und der dreißigjährige Krieg und die
Herrſchaft des coloſſalen ſoldatiſchen Stulpſtiefels Strumpf und
Schuh eine Zeitlang ganz zurückdrängten. Erſt nach dem Kriege
werden wir die Franzoſen die unterbrochene Richtung wieder auf-
nehmen ſehen, und damit betrat der Strumpf unter Ludwig XIV.
ſein goldenes Zeitalter’.

Im Jahre 1552 trugen die franzöſiſchen Herren noch keine
Strümpfe, ſondern das lange Beinkleid nach ſpaniſcher Weiſe.
Damals kam aber in Deutſchland der Strumpf zum Durchbruch,
zwar noch nicht von Seide, ſondern von Baumwolle oder Wolle.
Die erſten ſeidenen geſtrickten Beinkleider trug in Frankreich Kö-
nig Heinrich II. im Jahre 1559 bei der Hochzeit ſeiner Schwe-
ſter mit dem Herzog von Savoyen; ein paar Jahrzehnte ſpäter
aber, zu Brantome’s Zeiten, waren mit der gepufften Kniehoſe
auch die ſeidenen Strümpfe mit Knieband bei den Herren allge-
mein geworden. Brantome erzählt, er habe viele Liebhaber ge-
kannt, die, wenn ſie ſich neue ſeidene Strümpfe gekauft, ihre
Schönen darum erſucht hätten, ſie erſt acht oder zehn Tage an-
zulegen, wonach ſie die alſo eingeweihten dann mit großer Ver-
ehrung und Befriedigung getragen hätten.

Geſtrickte Beinkleider der Herren und gleiche Strümpfe der
Frauen ſcheinen in England ſchon einige Jahrzehnte früher im
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[141/0153] 2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht. aber in ihrem Sinne um. Erſt mit dem Strumpf verſchwinden die gehenden, trippelnden und hopfenden Bewegungen des ſpät mittelalterlichen Tanzes, welche Kunſt nun erſt in ein Syſtem edler oder vielmehr eleganter Bewegungen nach den Regeln einer akademiſchen Grazie gebracht wurde. Als die Heimath derſelben iſt Italien und zwar, wie es ſcheint, vorzugsweiſe das ſpaniſche zu betrachten, welches auch die erſten „Profeſſoren der Tanz- kunſt“ aufſtellte. Von hier gingen auch am Ende des ſechszehn- ten Jahrhunderts die erſten großen Werke aus, welche den Tanz mit Illuſtrationen theoretiſch und ſyſtematiſch behandeln. Doch vermochten trotzdem die Folgen in Deutſchland ſich noch nicht in höherem Grade ſichtbar zu machen, da bald eine neue Periode naturaliſtiſch entgegentrat, und der dreißigjährige Krieg und die Herrſchaft des coloſſalen ſoldatiſchen Stulpſtiefels Strumpf und Schuh eine Zeitlang ganz zurückdrängten. Erſt nach dem Kriege werden wir die Franzoſen die unterbrochene Richtung wieder auf- nehmen ſehen, und damit betrat der Strumpf unter Ludwig XIV. ſein goldenes Zeitalter’. Im Jahre 1552 trugen die franzöſiſchen Herren noch keine Strümpfe, ſondern das lange Beinkleid nach ſpaniſcher Weiſe. Damals kam aber in Deutſchland der Strumpf zum Durchbruch, zwar noch nicht von Seide, ſondern von Baumwolle oder Wolle. Die erſten ſeidenen geſtrickten Beinkleider trug in Frankreich Kö- nig Heinrich II. im Jahre 1559 bei der Hochzeit ſeiner Schwe- ſter mit dem Herzog von Savoyen; ein paar Jahrzehnte ſpäter aber, zu Brantome’s Zeiten, waren mit der gepufften Kniehoſe auch die ſeidenen Strümpfe mit Knieband bei den Herren allge- mein geworden. Brantome erzählt, er habe viele Liebhaber ge- kannt, die, wenn ſie ſich neue ſeidene Strümpfe gekauft, ihre Schönen darum erſucht hätten, ſie erſt acht oder zehn Tage an- zulegen, wonach ſie die alſo eingeweihten dann mit großer Ver- ehrung und Befriedigung getragen hätten. Geſtrickte Beinkleider der Herren und gleiche Strümpfe der Frauen ſcheinen in England ſchon einige Jahrzehnte früher im Gebrauch geweſen zu ſein, doch neben ihnen und ſpäter noch die

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/153>, abgerufen am 23.11.2024.