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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.
deres Reizmittel der Liebe, und damals konnte, worauf früher
niemand verfallen wäre, Brantome eine eigene Abhandlung
schreiben: Sur la beaute de la belle Jambe et la vertu qu'elle a.
Trotz der Verborgenheit wurde nun die ganze Chaussüre einer
besondern Sorgfalt unterzogen, wie sie früher nur etwa den Fü-
ßen zu Theil geworden war, und diejenigen Kammerfrauen und
Zofen hoher Damen standen in der höchsten Gunst und Gnade
ihrer Gebieterinnen, welche es verstanden, ihnen die Strümpfe
aufs beste ohne eine Spur von Falte "wie das Fell einer Trom-
mel" in straffer Enge zu befestigen und das Knieband aufs zier-
lichste umzulegen. Brantome gesteht übrigens, daß es unter
Umständen doch den Damen möglich war, hiermit Parade zu
machen, namentlich seitdem die Königin von Ungarn, die Schwe-
ster Kaiser Karls V., einmal mit ihrem Hofstaat ein allegorisch-
mythologisches Spiel aufgeführt hatte, wobei die Damen als
Nymphen erschienen. Es wurde dann beliebte Mode für die
Hofleute, in eigener Person solche Ballette aufzuführen, in wel-
chen die Damen a la nymphale sich kleideten, d. h. mit Röcken,
welche nur bis zum Knie reichten.

Als der Strumpf und mit ihm das Bein zur Anerkennung
gekommen, machten sich davon noch andere Einflüsse in der Ge-
sellschaft geltend. Es ist nicht ohne Bedeutung, daß dies mit
der Herrschaft der spanischen Etiquette zusammentrifft, welche
damals, aus den Höhen der Höfe herabsteigend, die verschiede-
nen Lebenskreise der gebildeten Welt mehr und mehr in ihre er-
starrenden Fesseln zu schlagen begann. Der Strumpf und die
Ziergrazie der Etiquette gehören nothwendig zusammen, und
wenn das spanische Costüm den Kniestrumpf Anfangs abwies
als ein Erzeugniß deutscher Ungebundenheit und landsknechtischer
freiheitslüsterner Renommisterei, so ersetzte es diesen Mangel
dadurch, daß es fast zuerst die Strickerei für sein langes anschmie-
gendes Beinkleid benutzte: seidene Tricotbeinkleider mußten für
die Zierlichkeit des Strumpfes und des Kniebandes entschädigen.
Die Franzosen und die Italiener erkannten rascher die Bedeu-
tung der deutschen Erfindung, nahmen sie an, wandelten sie

III. Die Neuzeit.
deres Reizmittel der Liebe, und damals konnte, worauf früher
niemand verfallen wäre, Brantome eine eigene Abhandlung
ſchreiben: Sur la beauté de la belle Jambe et la vertu qu’elle a.
Trotz der Verborgenheit wurde nun die ganze Chauſſüre einer
beſondern Sorgfalt unterzogen, wie ſie früher nur etwa den Fü-
ßen zu Theil geworden war, und diejenigen Kammerfrauen und
Zofen hoher Damen ſtanden in der höchſten Gunſt und Gnade
ihrer Gebieterinnen, welche es verſtanden, ihnen die Strümpfe
aufs beſte ohne eine Spur von Falte „wie das Fell einer Trom-
mel“ in ſtraffer Enge zu befeſtigen und das Knieband aufs zier-
lichſte umzulegen. Brantome geſteht übrigens, daß es unter
Umſtänden doch den Damen möglich war, hiermit Parade zu
machen, namentlich ſeitdem die Königin von Ungarn, die Schwe-
ſter Kaiſer Karls V., einmal mit ihrem Hofſtaat ein allegoriſch-
mythologiſches Spiel aufgeführt hatte, wobei die Damen als
Nymphen erſchienen. Es wurde dann beliebte Mode für die
Hofleute, in eigener Perſon ſolche Ballette aufzuführen, in wel-
chen die Damen à la nymphale ſich kleideten, d. h. mit Röcken,
welche nur bis zum Knie reichten.

Als der Strumpf und mit ihm das Bein zur Anerkennung
gekommen, machten ſich davon noch andere Einflüſſe in der Ge-
ſellſchaft geltend. Es iſt nicht ohne Bedeutung, daß dies mit
der Herrſchaft der ſpaniſchen Etiquette zuſammentrifft, welche
damals, aus den Höhen der Höfe herabſteigend, die verſchiede-
nen Lebenskreiſe der gebildeten Welt mehr und mehr in ihre er-
ſtarrenden Feſſeln zu ſchlagen begann. Der Strumpf und die
Ziergrazie der Etiquette gehören nothwendig zuſammen, und
wenn das ſpaniſche Coſtüm den Knieſtrumpf Anfangs abwies
als ein Erzeugniß deutſcher Ungebundenheit und landsknechtiſcher
freiheitslüſterner Renommiſterei, ſo erſetzte es dieſen Mangel
dadurch, daß es faſt zuerſt die Strickerei für ſein langes anſchmie-
gendes Beinkleid benutzte: ſeidene Tricotbeinkleider mußten für
die Zierlichkeit des Strumpfes und des Kniebandes entſchädigen.
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tung der deutſchen Erfindung, nahmen ſie an, wandelten ſie

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[140/0152] III. Die Neuzeit. deres Reizmittel der Liebe, und damals konnte, worauf früher niemand verfallen wäre, Brantome eine eigene Abhandlung ſchreiben: Sur la beauté de la belle Jambe et la vertu qu’elle a. Trotz der Verborgenheit wurde nun die ganze Chauſſüre einer beſondern Sorgfalt unterzogen, wie ſie früher nur etwa den Fü- ßen zu Theil geworden war, und diejenigen Kammerfrauen und Zofen hoher Damen ſtanden in der höchſten Gunſt und Gnade ihrer Gebieterinnen, welche es verſtanden, ihnen die Strümpfe aufs beſte ohne eine Spur von Falte „wie das Fell einer Trom- mel“ in ſtraffer Enge zu befeſtigen und das Knieband aufs zier- lichſte umzulegen. Brantome geſteht übrigens, daß es unter Umſtänden doch den Damen möglich war, hiermit Parade zu machen, namentlich ſeitdem die Königin von Ungarn, die Schwe- ſter Kaiſer Karls V., einmal mit ihrem Hofſtaat ein allegoriſch- mythologiſches Spiel aufgeführt hatte, wobei die Damen als Nymphen erſchienen. Es wurde dann beliebte Mode für die Hofleute, in eigener Perſon ſolche Ballette aufzuführen, in wel- chen die Damen à la nymphale ſich kleideten, d. h. mit Röcken, welche nur bis zum Knie reichten. Als der Strumpf und mit ihm das Bein zur Anerkennung gekommen, machten ſich davon noch andere Einflüſſe in der Ge- ſellſchaft geltend. Es iſt nicht ohne Bedeutung, daß dies mit der Herrſchaft der ſpaniſchen Etiquette zuſammentrifft, welche damals, aus den Höhen der Höfe herabſteigend, die verſchiede- nen Lebenskreiſe der gebildeten Welt mehr und mehr in ihre er- ſtarrenden Feſſeln zu ſchlagen begann. Der Strumpf und die Ziergrazie der Etiquette gehören nothwendig zuſammen, und wenn das ſpaniſche Coſtüm den Knieſtrumpf Anfangs abwies als ein Erzeugniß deutſcher Ungebundenheit und landsknechtiſcher freiheitslüſterner Renommiſterei, ſo erſetzte es dieſen Mangel dadurch, daß es faſt zuerſt die Strickerei für ſein langes anſchmie- gendes Beinkleid benutzte: ſeidene Tricotbeinkleider mußten für die Zierlichkeit des Strumpfes und des Kniebandes entſchädigen. Die Franzoſen und die Italiener erkannten raſcher die Bedeu- tung der deutſchen Erfindung, nahmen ſie an, wandelten ſie

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/152>, abgerufen am 23.11.2024.