Italienerinnen angedeutet: "Da bleichet man zu jüngst das Haar, henket sie über einen Gang, wäschet sie mit sonderlicher darzu gerichteter Laugen."
Der Gebrauch der falschen Haare wurde noch gewöhnlicher, als in den letzten Jahrzehnten des sechszehnten Jahrhunderts die der Mode folgende Welt die gewöhnliche Haube und das hut- artige Barett aufgab und das Haar in freierer und offener Weise frisirte. Es war das schon früher zuweilen, doch in seltneren Fällen geschehen, und dann in directerer Nachahmung der spa- nischen Mode der Hut in mehr männlicher Form darauf gesetzt worden. Im Jahr 1586 erregt die neue Weise, mit welcher sich auch wohl der Miniaturhut verbunden zeigt, die Aufmerksamkeit des Osiander, welcher uns die folgende Beschreibung giebt: "Darnach damit man auch mit dem Haar sondere Hoffart treibe, so machen die Weibsbilder mit ihren Haaren einen Säuhag. Dann die Haar müssen über sich gezogen werden, über einen Draht: gleichwie man in den Säuhägen die Ruthen über die Tremel zeucht." Das Haar richtete sich dabei von Stirn und Schläfen und aus dem Nacken aufwärts und gipfelte sich dann gekräuselt in vielfacher Weise empor. Diese Frisuren folgten im Ganzen denen der Italienerinnen, die wir oben haben kennen lernen; auch die zweigehörnte der keuschen Luna fand Beifall in Deutschland. Vielerlei Schmuck wurde mit ihnen verbunden. Durch Nadeln und Draht in ihrer Höhe fest gehalten, durch klebrige Stoffe gesteift, hatten sie nicht selten ein schweres Ge- wicht von Geschmeide zu tragen. So finden wir bei vornehmen Damen hohe Diademe, Perlschnüre, hängenden Schmuck, Ju- welen in reicher Zahl, gefaßt und geformt in den reichen Weisen der Renaissance. Sehr gewöhnlich ist noch eine besondere Haube oder eine Art von Hut, welche, entstanden, wie es scheint, aus der früheren Goldhaube, von den höchsten Häuptern wie von wohlhabenden Bürgerinnen getragen wurde und in Frankreich, in den Niederlanden, in England und überall in Deutschland gleich beliebt war. Ihre Ausbildung findet erst in den letzten Jahrzehnten des Jahrhunderts statt; um das Jahr 1600 aber
III. Die Neuzeit.
Italienerinnen angedeutet: „Da bleichet man zu jüngſt das Haar, henket ſie über einen Gang, wäſchet ſie mit ſonderlicher darzu gerichteter Laugen.“
Der Gebrauch der falſchen Haare wurde noch gewöhnlicher, als in den letzten Jahrzehnten des ſechszehnten Jahrhunderts die der Mode folgende Welt die gewöhnliche Haube und das hut- artige Barett aufgab und das Haar in freierer und offener Weiſe friſirte. Es war das ſchon früher zuweilen, doch in ſeltneren Fällen geſchehen, und dann in directerer Nachahmung der ſpa- niſchen Mode der Hut in mehr männlicher Form darauf geſetzt worden. Im Jahr 1586 erregt die neue Weiſe, mit welcher ſich auch wohl der Miniaturhut verbunden zeigt, die Aufmerkſamkeit des Oſiander, welcher uns die folgende Beſchreibung giebt: „Darnach damit man auch mit dem Haar ſondere Hoffart treibe, ſo machen die Weibsbilder mit ihren Haaren einen Säuhag. Dann die Haar müſſen über ſich gezogen werden, über einen Draht: gleichwie man in den Säuhägen die Ruthen über die Tremel zeucht.“ Das Haar richtete ſich dabei von Stirn und Schläfen und aus dem Nacken aufwärts und gipfelte ſich dann gekräuſelt in vielfacher Weiſe empor. Dieſe Friſuren folgten im Ganzen denen der Italienerinnen, die wir oben haben kennen lernen; auch die zweigehörnte der keuſchen Luna fand Beifall in Deutſchland. Vielerlei Schmuck wurde mit ihnen verbunden. Durch Nadeln und Draht in ihrer Höhe feſt gehalten, durch klebrige Stoffe geſteift, hatten ſie nicht ſelten ein ſchweres Ge- wicht von Geſchmeide zu tragen. So finden wir bei vornehmen Damen hohe Diademe, Perlſchnüre, hängenden Schmuck, Ju- welen in reicher Zahl, gefaßt und geformt in den reichen Weiſen der Renaiſſance. Sehr gewöhnlich iſt noch eine beſondere Haube oder eine Art von Hut, welche, entſtanden, wie es ſcheint, aus der früheren Goldhaube, von den höchſten Häuptern wie von wohlhabenden Bürgerinnen getragen wurde und in Frankreich, in den Niederlanden, in England und überall in Deutſchland gleich beliebt war. Ihre Ausbildung findet erſt in den letzten Jahrzehnten des Jahrhunderts ſtatt; um das Jahr 1600 aber
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0148"n="136"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">III.</hi> Die Neuzeit.</fw><lb/>
Italienerinnen angedeutet: „Da bleichet man zu jüngſt das Haar,<lb/>
henket ſie über einen Gang, wäſchet ſie mit ſonderlicher darzu<lb/>
gerichteter Laugen.“</p><lb/><p>Der Gebrauch der falſchen Haare wurde noch gewöhnlicher,<lb/>
als in den letzten Jahrzehnten des ſechszehnten Jahrhunderts die<lb/>
der Mode folgende Welt die gewöhnliche Haube und das hut-<lb/>
artige Barett aufgab und das Haar in freierer und offener Weiſe<lb/>
friſirte. Es war das ſchon früher zuweilen, doch in ſeltneren<lb/>
Fällen geſchehen, und dann in directerer Nachahmung der ſpa-<lb/>
niſchen Mode der Hut in mehr männlicher Form darauf geſetzt<lb/>
worden. Im Jahr 1586 erregt die neue Weiſe, mit welcher ſich<lb/>
auch wohl der Miniaturhut verbunden zeigt, die Aufmerkſamkeit<lb/>
des Oſiander, welcher uns die folgende Beſchreibung giebt:<lb/>„Darnach damit man auch mit dem Haar ſondere Hoffart treibe,<lb/>ſo machen die Weibsbilder mit ihren Haaren einen Säuhag.<lb/>
Dann die Haar müſſen über ſich gezogen werden, über einen<lb/>
Draht: gleichwie man in den Säuhägen die Ruthen über die<lb/>
Tremel zeucht.“ Das Haar richtete ſich dabei von Stirn und<lb/>
Schläfen und aus dem Nacken aufwärts und gipfelte ſich dann<lb/>
gekräuſelt in vielfacher Weiſe empor. Dieſe Friſuren folgten im<lb/>
Ganzen denen der Italienerinnen, die wir oben haben kennen<lb/>
lernen; auch die zweigehörnte der keuſchen Luna fand Beifall in<lb/>
Deutſchland. Vielerlei Schmuck wurde mit ihnen verbunden.<lb/>
Durch Nadeln und Draht in ihrer Höhe feſt gehalten, durch<lb/>
klebrige Stoffe geſteift, hatten ſie nicht ſelten ein ſchweres Ge-<lb/>
wicht von Geſchmeide zu tragen. So finden wir bei vornehmen<lb/>
Damen hohe Diademe, Perlſchnüre, hängenden Schmuck, Ju-<lb/>
welen in reicher Zahl, gefaßt und geformt in den reichen Weiſen<lb/>
der Renaiſſance. Sehr gewöhnlich iſt noch eine beſondere Haube<lb/>
oder eine Art von Hut, welche, entſtanden, wie es ſcheint, aus<lb/>
der früheren Goldhaube, von den höchſten Häuptern wie von<lb/>
wohlhabenden Bürgerinnen getragen wurde und in Frankreich,<lb/>
in den Niederlanden, in England und überall in Deutſchland<lb/>
gleich beliebt war. Ihre Ausbildung findet erſt in den letzten<lb/>
Jahrzehnten des Jahrhunderts ſtatt; um das Jahr 1600 aber<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[136/0148]
III. Die Neuzeit.
Italienerinnen angedeutet: „Da bleichet man zu jüngſt das Haar,
henket ſie über einen Gang, wäſchet ſie mit ſonderlicher darzu
gerichteter Laugen.“
Der Gebrauch der falſchen Haare wurde noch gewöhnlicher,
als in den letzten Jahrzehnten des ſechszehnten Jahrhunderts die
der Mode folgende Welt die gewöhnliche Haube und das hut-
artige Barett aufgab und das Haar in freierer und offener Weiſe
friſirte. Es war das ſchon früher zuweilen, doch in ſeltneren
Fällen geſchehen, und dann in directerer Nachahmung der ſpa-
niſchen Mode der Hut in mehr männlicher Form darauf geſetzt
worden. Im Jahr 1586 erregt die neue Weiſe, mit welcher ſich
auch wohl der Miniaturhut verbunden zeigt, die Aufmerkſamkeit
des Oſiander, welcher uns die folgende Beſchreibung giebt:
„Darnach damit man auch mit dem Haar ſondere Hoffart treibe,
ſo machen die Weibsbilder mit ihren Haaren einen Säuhag.
Dann die Haar müſſen über ſich gezogen werden, über einen
Draht: gleichwie man in den Säuhägen die Ruthen über die
Tremel zeucht.“ Das Haar richtete ſich dabei von Stirn und
Schläfen und aus dem Nacken aufwärts und gipfelte ſich dann
gekräuſelt in vielfacher Weiſe empor. Dieſe Friſuren folgten im
Ganzen denen der Italienerinnen, die wir oben haben kennen
lernen; auch die zweigehörnte der keuſchen Luna fand Beifall in
Deutſchland. Vielerlei Schmuck wurde mit ihnen verbunden.
Durch Nadeln und Draht in ihrer Höhe feſt gehalten, durch
klebrige Stoffe geſteift, hatten ſie nicht ſelten ein ſchweres Ge-
wicht von Geſchmeide zu tragen. So finden wir bei vornehmen
Damen hohe Diademe, Perlſchnüre, hängenden Schmuck, Ju-
welen in reicher Zahl, gefaßt und geformt in den reichen Weiſen
der Renaiſſance. Sehr gewöhnlich iſt noch eine beſondere Haube
oder eine Art von Hut, welche, entſtanden, wie es ſcheint, aus
der früheren Goldhaube, von den höchſten Häuptern wie von
wohlhabenden Bürgerinnen getragen wurde und in Frankreich,
in den Niederlanden, in England und überall in Deutſchland
gleich beliebt war. Ihre Ausbildung findet erſt in den letzten
Jahrzehnten des Jahrhunderts ſtatt; um das Jahr 1600 aber
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/148>, abgerufen am 08.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.