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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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2. Die Reaction und die spanische Tracht.
ging. Bis dahin war sie mit ihrer Schwester Margaretha für
Frankreich die Herrscherin im Reich der Moden gewesen, nun-
mehr konnte sie Putz und Kleidung nicht erfinderisch in derselben
Weise verändern. Sie entschädigte sich dafür, wie erzählt wird,
durch beständigen Wechsel der Kleider: keines trug sie zweimal,
und doch waren sie so kostbar, daß das wohlfeilste wenigstens
drei- bis vierhundert Thaler kostete. Philipp war sehr streng in
diesen Dingen und hatte besondere Vorschriften darüber gegeben.
Als im Jahr 1565 die Zusammenkunft der Königin Elisabeth
mit ihrer Mutter in Bayonne stattfinden sollte, that Philipp sei-
ner Gemahlin zu wissen, sie möge für ihre Person alles anord-
nen, wie es ihr gefalle, aber nicht erlauben, daß ihre Damen sich
im Widerspruch mit der Pragmatica neue Kleider machen ließen;
die, welche sie besäßen, wären reich und schön genug und sollten
noch neun Monat lang getragen werden; ebenso sollten alle Her-
ren ihrer Begleitung jenem Gesetze gemäß gekleidet sein und
keine goldenen oder silbernen Zierrathen tragen; er hoffe, man
werde in Frankreich nach derselben Ansicht verfahren, damit eine
Zusammenkunft, welche lediglich Vergnügen bezwecke, nicht Ver-
anlassung zu übermäßigen Ausgaben werde."

Die spanische Kleidung der vornehmen Stände, wie wir sie
bisher geschildert haben, wurde im Wesentlichen die Tracht aller
höheren Classen und großentheils auch der bürgerlichen in der
ganzen abendländischen Welt. Die Ursache lag nicht bloß in dem
überwiegenden Einflusse und Ansehn Spaniens und der ausge-
dehnten verwandtschaftlichen Verbindungen des Hauses Habs-
burg. Es ist ebenso der ähnliche, wenn auch nicht gleiche Gang
der Geschichte in den einzelnen Ländern zu berücksichtigen, wel-
cher ähnliche Formen in der Kleidung erzeugte oder die Völker
geneigt machte, die ihnen entsprechenden aus der Fremde ohne
Widerstand anzunehmen. So finden wir in allen Trachtenbü-
chern ziemlich das gleiche Bild wieder. Wenn dennoch von
nationalen Unterschieden öfter geredet wird, so liegen diese mehr
in dem größeren oder geringeren Maße der herrschenden Moden,
in Uebertreibung oder Mäßigung, mehr in der beschränkten Will-

7*

2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.
ging. Bis dahin war ſie mit ihrer Schweſter Margaretha für
Frankreich die Herrſcherin im Reich der Moden geweſen, nun-
mehr konnte ſie Putz und Kleidung nicht erfinderiſch in derſelben
Weiſe verändern. Sie entſchädigte ſich dafür, wie erzählt wird,
durch beſtändigen Wechſel der Kleider: keines trug ſie zweimal,
und doch waren ſie ſo koſtbar, daß das wohlfeilſte wenigſtens
drei- bis vierhundert Thaler koſtete. Philipp war ſehr ſtreng in
dieſen Dingen und hatte beſondere Vorſchriften darüber gegeben.
Als im Jahr 1565 die Zuſammenkunft der Königin Eliſabeth
mit ihrer Mutter in Bayonne ſtattfinden ſollte, that Philipp ſei-
ner Gemahlin zu wiſſen, ſie möge für ihre Perſon alles anord-
nen, wie es ihr gefalle, aber nicht erlauben, daß ihre Damen ſich
im Widerſpruch mit der Pragmatica neue Kleider machen ließen;
die, welche ſie beſäßen, wären reich und ſchön genug und ſollten
noch neun Monat lang getragen werden; ebenſo ſollten alle Her-
ren ihrer Begleitung jenem Geſetze gemäß gekleidet ſein und
keine goldenen oder ſilbernen Zierrathen tragen; er hoffe, man
werde in Frankreich nach derſelben Anſicht verfahren, damit eine
Zuſammenkunft, welche lediglich Vergnügen bezwecke, nicht Ver-
anlaſſung zu übermäßigen Ausgaben werde.“

Die ſpaniſche Kleidung der vornehmen Stände, wie wir ſie
bisher geſchildert haben, wurde im Weſentlichen die Tracht aller
höheren Claſſen und großentheils auch der bürgerlichen in der
ganzen abendländiſchen Welt. Die Urſache lag nicht bloß in dem
überwiegenden Einfluſſe und Anſehn Spaniens und der ausge-
dehnten verwandtſchaftlichen Verbindungen des Hauſes Habs-
burg. Es iſt ebenſo der ähnliche, wenn auch nicht gleiche Gang
der Geſchichte in den einzelnen Ländern zu berückſichtigen, wel-
cher ähnliche Formen in der Kleidung erzeugte oder die Völker
geneigt machte, die ihnen entſprechenden aus der Fremde ohne
Widerſtand anzunehmen. So finden wir in allen Trachtenbü-
chern ziemlich das gleiche Bild wieder. Wenn dennoch von
nationalen Unterſchieden öfter geredet wird, ſo liegen dieſe mehr
in dem größeren oder geringeren Maße der herrſchenden Moden,
in Uebertreibung oder Mäßigung, mehr in der beſchränkten Will-

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[99/0111] 2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht. ging. Bis dahin war ſie mit ihrer Schweſter Margaretha für Frankreich die Herrſcherin im Reich der Moden geweſen, nun- mehr konnte ſie Putz und Kleidung nicht erfinderiſch in derſelben Weiſe verändern. Sie entſchädigte ſich dafür, wie erzählt wird, durch beſtändigen Wechſel der Kleider: keines trug ſie zweimal, und doch waren ſie ſo koſtbar, daß das wohlfeilſte wenigſtens drei- bis vierhundert Thaler koſtete. Philipp war ſehr ſtreng in dieſen Dingen und hatte beſondere Vorſchriften darüber gegeben. Als im Jahr 1565 die Zuſammenkunft der Königin Eliſabeth mit ihrer Mutter in Bayonne ſtattfinden ſollte, that Philipp ſei- ner Gemahlin zu wiſſen, ſie möge für ihre Perſon alles anord- nen, wie es ihr gefalle, aber nicht erlauben, daß ihre Damen ſich im Widerſpruch mit der Pragmatica neue Kleider machen ließen; die, welche ſie beſäßen, wären reich und ſchön genug und ſollten noch neun Monat lang getragen werden; ebenſo ſollten alle Her- ren ihrer Begleitung jenem Geſetze gemäß gekleidet ſein und keine goldenen oder ſilbernen Zierrathen tragen; er hoffe, man werde in Frankreich nach derſelben Anſicht verfahren, damit eine Zuſammenkunft, welche lediglich Vergnügen bezwecke, nicht Ver- anlaſſung zu übermäßigen Ausgaben werde.“ Die ſpaniſche Kleidung der vornehmen Stände, wie wir ſie bisher geſchildert haben, wurde im Weſentlichen die Tracht aller höheren Claſſen und großentheils auch der bürgerlichen in der ganzen abendländiſchen Welt. Die Urſache lag nicht bloß in dem überwiegenden Einfluſſe und Anſehn Spaniens und der ausge- dehnten verwandtſchaftlichen Verbindungen des Hauſes Habs- burg. Es iſt ebenſo der ähnliche, wenn auch nicht gleiche Gang der Geſchichte in den einzelnen Ländern zu berückſichtigen, wel- cher ähnliche Formen in der Kleidung erzeugte oder die Völker geneigt machte, die ihnen entſprechenden aus der Fremde ohne Widerſtand anzunehmen. So finden wir in allen Trachtenbü- chern ziemlich das gleiche Bild wieder. Wenn dennoch von nationalen Unterſchieden öfter geredet wird, ſo liegen dieſe mehr in dem größeren oder geringeren Maße der herrſchenden Moden, in Uebertreibung oder Mäßigung, mehr in der beſchränkten Will- 7*

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/111>, abgerufen am 24.11.2024.