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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.
geraume Zeit früher erscheint der Reifrock -- zum ersten Mal
in der Geschichte -- als ein nothwendiges und unterscheiden-
des Stück der vornehmen weiblichen Tracht. Es ist Therese
Pansa, die Frau des neuen Statthalters, welche in ihrem Eifer,
sich des neuen Standes würdig zu kleiden, uns das verräth. Als
sie die glückliche Botschaft erhalten hat, sagt sie zum Geistlichen:
"Herr Pfarrer, horcht mir doch aus, ob es hier nicht einen giebt,
der nach Madrid geht oder nach Toledo, daß er mir einen runden
Reifrock kauft, recht und gerecht, nach der Mode und so schön
man ihn nur haben kann, denn, meiner Seel, ich will der Statt-
halterschaft meines Mannes, soviel ich nur immer kann, Ehre
machen."

Dieser Reifrock spannte den Rock des unteren Kleides in
faltenloser Weite wie eine Glocke aus und ahmte von der
engen Taille an genau das geschweifte Profil derselben nach.
Die Brust war vom Leibchen ganz verdeckt, und auch die Aermel
schlossen eng an, waren jedoch an den Schultern gewöhnlich mit
hohen Wülsten umlegt, die später wieder vergingen. Die De-
colletirung war ganz verschwunden, und statt deren legte sich die
breite Krause mit den großen und eingebrannten Falten um den
Hals. Das Oberkleid, dessen Gebrauch in Spanien bei der Be-
deutung des Mantels nicht unter allen Umständen ein nothwen-
diger war, schloß sich dem Oberkörper eng an, um in keiner
Weise Wuchs und Fülle, welche bei den Spanierinnen viel galt,
zu verdecken. Da es aber bei der nunmehrigen Steifheit mit der
Hand nicht in die Höhe genommen wurde, sodaß auf diese Weise
das untere Kleid hätte sichtbar werden können, so wurde es von
oben herab vom Kinn bis zum Fuß aufgeschnitten und erhielt
eine Reihe nach Vermögen kostbarer Knöpfe von Gold, von Edel-
steinen oder anderem Stoffe. Jedoch wurde es nur bis zum
Gürtel geschlossen, und von hier öffnete es sich nach unten, sodaß
das Unterkleid nun gleichfalls vorn sich zeigte. Beide Gewänder,
verschieden an Stoff und Farbe, pflegten unten mit breitem Be-
satz umzogen zu sein und waren bei besonderen Gelegenheiten
mit Juwelen, Perlen und Geschmeide über und über bestickt.

III. Die Neuzeit.
geraume Zeit früher erſcheint der Reifrock — zum erſten Mal
in der Geſchichte — als ein nothwendiges und unterſcheiden-
des Stück der vornehmen weiblichen Tracht. Es iſt Thereſe
Panſa, die Frau des neuen Statthalters, welche in ihrem Eifer,
ſich des neuen Standes würdig zu kleiden, uns das verräth. Als
ſie die glückliche Botſchaft erhalten hat, ſagt ſie zum Geiſtlichen:
„Herr Pfarrer, horcht mir doch aus, ob es hier nicht einen giebt,
der nach Madrid geht oder nach Toledo, daß er mir einen runden
Reifrock kauft, recht und gerecht, nach der Mode und ſo ſchön
man ihn nur haben kann, denn, meiner Seel, ich will der Statt-
halterſchaft meines Mannes, ſoviel ich nur immer kann, Ehre
machen.“

Dieſer Reifrock ſpannte den Rock des unteren Kleides in
faltenloſer Weite wie eine Glocke aus und ahmte von der
engen Taille an genau das geſchweifte Profil derſelben nach.
Die Bruſt war vom Leibchen ganz verdeckt, und auch die Aermel
ſchloſſen eng an, waren jedoch an den Schultern gewöhnlich mit
hohen Wülſten umlegt, die ſpäter wieder vergingen. Die De-
colletirung war ganz verſchwunden, und ſtatt deren legte ſich die
breite Krauſe mit den großen und eingebrannten Falten um den
Hals. Das Oberkleid, deſſen Gebrauch in Spanien bei der Be-
deutung des Mantels nicht unter allen Umſtänden ein nothwen-
diger war, ſchloß ſich dem Oberkörper eng an, um in keiner
Weiſe Wuchs und Fülle, welche bei den Spanierinnen viel galt,
zu verdecken. Da es aber bei der nunmehrigen Steifheit mit der
Hand nicht in die Höhe genommen wurde, ſodaß auf dieſe Weiſe
das untere Kleid hätte ſichtbar werden können, ſo wurde es von
oben herab vom Kinn bis zum Fuß aufgeſchnitten und erhielt
eine Reihe nach Vermögen koſtbarer Knöpfe von Gold, von Edel-
ſteinen oder anderem Stoffe. Jedoch wurde es nur bis zum
Gürtel geſchloſſen, und von hier öffnete es ſich nach unten, ſodaß
das Unterkleid nun gleichfalls vorn ſich zeigte. Beide Gewänder,
verſchieden an Stoff und Farbe, pflegten unten mit breitem Be-
ſatz umzogen zu ſein und waren bei beſonderen Gelegenheiten
mit Juwelen, Perlen und Geſchmeide über und über beſtickt.

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[94/0106] III. Die Neuzeit. geraume Zeit früher erſcheint der Reifrock — zum erſten Mal in der Geſchichte — als ein nothwendiges und unterſcheiden- des Stück der vornehmen weiblichen Tracht. Es iſt Thereſe Panſa, die Frau des neuen Statthalters, welche in ihrem Eifer, ſich des neuen Standes würdig zu kleiden, uns das verräth. Als ſie die glückliche Botſchaft erhalten hat, ſagt ſie zum Geiſtlichen: „Herr Pfarrer, horcht mir doch aus, ob es hier nicht einen giebt, der nach Madrid geht oder nach Toledo, daß er mir einen runden Reifrock kauft, recht und gerecht, nach der Mode und ſo ſchön man ihn nur haben kann, denn, meiner Seel, ich will der Statt- halterſchaft meines Mannes, ſoviel ich nur immer kann, Ehre machen.“ Dieſer Reifrock ſpannte den Rock des unteren Kleides in faltenloſer Weite wie eine Glocke aus und ahmte von der engen Taille an genau das geſchweifte Profil derſelben nach. Die Bruſt war vom Leibchen ganz verdeckt, und auch die Aermel ſchloſſen eng an, waren jedoch an den Schultern gewöhnlich mit hohen Wülſten umlegt, die ſpäter wieder vergingen. Die De- colletirung war ganz verſchwunden, und ſtatt deren legte ſich die breite Krauſe mit den großen und eingebrannten Falten um den Hals. Das Oberkleid, deſſen Gebrauch in Spanien bei der Be- deutung des Mantels nicht unter allen Umſtänden ein nothwen- diger war, ſchloß ſich dem Oberkörper eng an, um in keiner Weiſe Wuchs und Fülle, welche bei den Spanierinnen viel galt, zu verdecken. Da es aber bei der nunmehrigen Steifheit mit der Hand nicht in die Höhe genommen wurde, ſodaß auf dieſe Weiſe das untere Kleid hätte ſichtbar werden können, ſo wurde es von oben herab vom Kinn bis zum Fuß aufgeſchnitten und erhielt eine Reihe nach Vermögen koſtbarer Knöpfe von Gold, von Edel- ſteinen oder anderem Stoffe. Jedoch wurde es nur bis zum Gürtel geſchloſſen, und von hier öffnete es ſich nach unten, ſodaß das Unterkleid nun gleichfalls vorn ſich zeigte. Beide Gewänder, verſchieden an Stoff und Farbe, pflegten unten mit breitem Be- ſatz umzogen zu ſein und waren bei beſonderen Gelegenheiten mit Juwelen, Perlen und Geſchmeide über und über beſtickt.

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/106>, abgerufen am 22.11.2024.