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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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I. Aelteste Zeit bis zu den Kreuzzügen.
päck durchsuchen zu lassen und ihm fünf Stück des kostbarsten
Purpurs zu nehmen. "Welche Schande!" ruft der erzürnte Ge-
sandte aus, "weichliche, weibische Menschen, die weite Aermel,
Weiberhauben und Schleier tragen, Lügner, Menschen von kei-
nerlei Geschlecht, Faulenzer sollen sich in Purpur kleiden, nicht
aber Helden!"

Als Kleiderstoff war außer der so gesuchten, feinen by-
zantinischen Leinwand noch zu Kleidern wie zu Mänteln Seide
beliebt und gebraucht; sie kam ebenfalls aus dem Orient. Nicht
minder war schon Sammet im Gebrauch, denn im Gedicht vom
Rudlieb heißt es, daß dieser Ritter seine Hausfrau, da sie seiner
gut gepflegt hatte, mit einem Mantel von Sammet beschenkte,
sich damit beim Kirchenbesuch zu schmücken. In Deutschland
wurde die Seide, wie es auch mit andern Stoffen geschah, mit
Stickereien verziert. Es war das eine Arbeit der Damen, aber
nicht immer eine freiwillige, denn im zehnten Jahrhundert waren
z. B. die Frauen und Töchter der Dienstmannen des Erzstifts
Mainz zu solchen Stickereien in Seide verpflichtet. Am berühm-
testen waren in dieser Arbeit die englischen Damen, und die noch
erhaltene großartige Stickerei der Königin Mathilde und ihrer
Damen, welche die Eroberung Englands durch den Normannen
Wilhelm darstellt, legt das rühmendste Zeugniß ab. -- Auch mit
fremdem und kostbarem Pelzwerk wurde der Luxus fortgesetzt, wie
er den Germanen seit ältester Zeit eigenthümlich zugeschrieben
wird, und man begnügte sich nicht mehr mit der natürlichen Fein-
heit und mit dem Zusammennähen verschiedenfarbiger Felle, son-
dern man färbte sie selbst. So trugen die Hofleute des Gegenkö-
nigs Rudolf von Schwaben bei seiner Krönung in Mainz roth-
gefärbte Pelzverbrämung. Die Feinheit und Kostbarkeit des Pel-
zes unterschied schon früh die Stände von einander, und Bürgern
und Bauern war der feine selbst rechtlich untersagt.

Wie sehr in dieser Zeit trotz Bürgerkriege und trotz Norman-
nen- und Ungarnnoth Luxus und Putzsucht sich aller Stände,
die überhaupt derselben fähig waren, bemächtigt hatten, zeigt am
besten die Art und die Ausdehnung, in welcher sie unter die Geist-

I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.
päck durchſuchen zu laſſen und ihm fünf Stück des koſtbarſten
Purpurs zu nehmen. „Welche Schande!“ ruft der erzürnte Ge-
ſandte aus, „weichliche, weibiſche Menſchen, die weite Aermel,
Weiberhauben und Schleier tragen, Lügner, Menſchen von kei-
nerlei Geſchlecht, Faulenzer ſollen ſich in Purpur kleiden, nicht
aber Helden!“

Als Kleiderſtoff war außer der ſo geſuchten, feinen by-
zantiniſchen Leinwand noch zu Kleidern wie zu Mänteln Seide
beliebt und gebraucht; ſie kam ebenfalls aus dem Orient. Nicht
minder war ſchon Sammet im Gebrauch, denn im Gedicht vom
Rudlieb heißt es, daß dieſer Ritter ſeine Hausfrau, da ſie ſeiner
gut gepflegt hatte, mit einem Mantel von Sammet beſchenkte,
ſich damit beim Kirchenbeſuch zu ſchmücken. In Deutſchland
wurde die Seide, wie es auch mit andern Stoffen geſchah, mit
Stickereien verziert. Es war das eine Arbeit der Damen, aber
nicht immer eine freiwillige, denn im zehnten Jahrhundert waren
z. B. die Frauen und Töchter der Dienſtmannen des Erzſtifts
Mainz zu ſolchen Stickereien in Seide verpflichtet. Am berühm-
teſten waren in dieſer Arbeit die engliſchen Damen, und die noch
erhaltene großartige Stickerei der Königin Mathilde und ihrer
Damen, welche die Eroberung Englands durch den Normannen
Wilhelm darſtellt, legt das rühmendſte Zeugniß ab. — Auch mit
fremdem und koſtbarem Pelzwerk wurde der Luxus fortgeſetzt, wie
er den Germanen ſeit älteſter Zeit eigenthümlich zugeſchrieben
wird, und man begnügte ſich nicht mehr mit der natürlichen Fein-
heit und mit dem Zuſammennähen verſchiedenfarbiger Felle, ſon-
dern man färbte ſie ſelbſt. So trugen die Hofleute des Gegenkö-
nigs Rudolf von Schwaben bei ſeiner Krönung in Mainz roth-
gefärbte Pelzverbrämung. Die Feinheit und Koſtbarkeit des Pel-
zes unterſchied ſchon früh die Stände von einander, und Bürgern
und Bauern war der feine ſelbſt rechtlich unterſagt.

Wie ſehr in dieſer Zeit trotz Bürgerkriege und trotz Norman-
nen- und Ungarnnoth Luxus und Putzſucht ſich aller Stände,
die überhaupt derſelben fähig waren, bemächtigt hatten, zeigt am
beſten die Art und die Ausdehnung, in welcher ſie unter die Geiſt-

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[70/0088] I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen. päck durchſuchen zu laſſen und ihm fünf Stück des koſtbarſten Purpurs zu nehmen. „Welche Schande!“ ruft der erzürnte Ge- ſandte aus, „weichliche, weibiſche Menſchen, die weite Aermel, Weiberhauben und Schleier tragen, Lügner, Menſchen von kei- nerlei Geſchlecht, Faulenzer ſollen ſich in Purpur kleiden, nicht aber Helden!“ Als Kleiderſtoff war außer der ſo geſuchten, feinen by- zantiniſchen Leinwand noch zu Kleidern wie zu Mänteln Seide beliebt und gebraucht; ſie kam ebenfalls aus dem Orient. Nicht minder war ſchon Sammet im Gebrauch, denn im Gedicht vom Rudlieb heißt es, daß dieſer Ritter ſeine Hausfrau, da ſie ſeiner gut gepflegt hatte, mit einem Mantel von Sammet beſchenkte, ſich damit beim Kirchenbeſuch zu ſchmücken. In Deutſchland wurde die Seide, wie es auch mit andern Stoffen geſchah, mit Stickereien verziert. Es war das eine Arbeit der Damen, aber nicht immer eine freiwillige, denn im zehnten Jahrhundert waren z. B. die Frauen und Töchter der Dienſtmannen des Erzſtifts Mainz zu ſolchen Stickereien in Seide verpflichtet. Am berühm- teſten waren in dieſer Arbeit die engliſchen Damen, und die noch erhaltene großartige Stickerei der Königin Mathilde und ihrer Damen, welche die Eroberung Englands durch den Normannen Wilhelm darſtellt, legt das rühmendſte Zeugniß ab. — Auch mit fremdem und koſtbarem Pelzwerk wurde der Luxus fortgeſetzt, wie er den Germanen ſeit älteſter Zeit eigenthümlich zugeſchrieben wird, und man begnügte ſich nicht mehr mit der natürlichen Fein- heit und mit dem Zuſammennähen verſchiedenfarbiger Felle, ſon- dern man färbte ſie ſelbſt. So trugen die Hofleute des Gegenkö- nigs Rudolf von Schwaben bei ſeiner Krönung in Mainz roth- gefärbte Pelzverbrämung. Die Feinheit und Koſtbarkeit des Pel- zes unterſchied ſchon früh die Stände von einander, und Bürgern und Bauern war der feine ſelbſt rechtlich unterſagt. Wie ſehr in dieſer Zeit trotz Bürgerkriege und trotz Norman- nen- und Ungarnnoth Luxus und Putzſucht ſich aller Stände, die überhaupt derſelben fähig waren, bemächtigt hatten, zeigt am beſten die Art und die Ausdehnung, in welcher ſie unter die Geiſt-

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/88>, abgerufen am 28.03.2024.