Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.2. Schwankungen zwischen den nationalen und antiken Elementen. steinen überdeckt, genügten sie völlig dem Bedürfniß des Cultusund des gläubigen Gemüthes. -- Ein entsprechender Geschmack herrscht in der Kleidung. Wie 2. Schwankungen zwiſchen den nationalen und antiken Elementen. ſteinen überdeckt, genügten ſie völlig dem Bedürfniß des Cultusund des gläubigen Gemüthes. — Ein entſprechender Geſchmack herrſcht in der Kleidung. Wie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0065" n="47"/><fw place="top" type="header">2. Schwankungen zwiſchen den nationalen und antiken Elementen.</fw><lb/> ſteinen überdeckt, genügten ſie völlig dem Bedürfniß des Cultus<lb/> und des gläubigen Gemüthes. —</p><lb/> <p>Ein entſprechender Geſchmack herrſcht in der Kleidung. Wie<lb/> in die Litteratur und in die Kunſt waren auch in dieſe römiſch-<lb/> griechiſche Elemente eingedrungen, wie wir ſchon oben geſehen<lb/> haben, und hatten civiliſirend die ererbte Tracht modificirt, ohne<lb/> jedoch die volle Herrſchaft erlangt zu haben. Aber von altdeutſcher<lb/> Nacktheit und Einfachheit, die ſelbſt dem Bedürfniß den Trotz der<lb/> Abhärtung entgegenſetzte, iſt keine Spur vorhanden, ſie iſt viel-<lb/> mehr bei den Claſſen der Geſellſchaft, wohin die Noth nicht dringt,<lb/> in ihr Gegentheil umgeſchlagen. Der Körper iſt doppelt und drei-<lb/> fach von oben bis unten bedeckt und das in einer Weiſe, die,<lb/> ſoviel wir ſehen können, weder Gefälliges und Reizendes noch<lb/> Großartiges, weder Maleriſches noch Plaſtiſches hat. Die Ge-<lb/> wandung läßt weder die Form der Glieder günſtig hervortreten,<lb/> noch hat ſie etwas Leichtes, Luftiges, Heiteres, noch bietet ſie<lb/> Gelegenheit zum ſchönen Faltenwurf. Die Binden umziehen un-<lb/> ſchön die Beine, der enge Leinwandrock iſt größten Theils verbor-<lb/> gen, und der Mantel liegt platt und flach um den Leib, wenn er<lb/> nicht auf der einen Seite mit dem Arm in die Höhe genommen<lb/> iſt, und dann bricht er trockne, faſt parallele, unter ſehr ſpitzen<lb/> Winkeln in einen Punkt zuſammenlaufende Falten. Nur bei der<lb/> Tracht der Geiſtlichkeit, welche directer die römiſch-griechiſche Ge-<lb/> wandung fortſetzt, iſt größerer Fluß der Draperie, aber der vor-<lb/> herrſchende Gebrauch der Leinwand, welcher ſie nicht zu groß-<lb/> artiger Entfaltung kommen läßt, geſtattet nur die vielen langen,<lb/> magern Falten, die parallel eng neben einander herlaufen. Dieſen<lb/> Stil im Faltenwurf zeigt auch durchweg die gleichzeitige Kunſt.<lb/> — Noch mehr ſpricht ſich die Roheit des Geſchmacks im Orna-<lb/> ment der Kleidung aus. Wir kennen ſchon zur Genüge die Ueber-<lb/> ladung mit Gold und Edelſteinen: ſie überziehen die ganze Klei-<lb/> dung vom Scheitel bis zur Sohle. Die an ſich ſchon wirkungs-<lb/> vollen Kleider, die in den hellſten oder kräftigſten Farben prun-<lb/> ken, in Purpur, Scharlach, Hellgrün, Gelb, Blau, werden am<lb/> Hals und unten, von oben ſenkrecht herab, mehrfach um die<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [47/0065]
2. Schwankungen zwiſchen den nationalen und antiken Elementen.
ſteinen überdeckt, genügten ſie völlig dem Bedürfniß des Cultus
und des gläubigen Gemüthes. —
Ein entſprechender Geſchmack herrſcht in der Kleidung. Wie
in die Litteratur und in die Kunſt waren auch in dieſe römiſch-
griechiſche Elemente eingedrungen, wie wir ſchon oben geſehen
haben, und hatten civiliſirend die ererbte Tracht modificirt, ohne
jedoch die volle Herrſchaft erlangt zu haben. Aber von altdeutſcher
Nacktheit und Einfachheit, die ſelbſt dem Bedürfniß den Trotz der
Abhärtung entgegenſetzte, iſt keine Spur vorhanden, ſie iſt viel-
mehr bei den Claſſen der Geſellſchaft, wohin die Noth nicht dringt,
in ihr Gegentheil umgeſchlagen. Der Körper iſt doppelt und drei-
fach von oben bis unten bedeckt und das in einer Weiſe, die,
ſoviel wir ſehen können, weder Gefälliges und Reizendes noch
Großartiges, weder Maleriſches noch Plaſtiſches hat. Die Ge-
wandung läßt weder die Form der Glieder günſtig hervortreten,
noch hat ſie etwas Leichtes, Luftiges, Heiteres, noch bietet ſie
Gelegenheit zum ſchönen Faltenwurf. Die Binden umziehen un-
ſchön die Beine, der enge Leinwandrock iſt größten Theils verbor-
gen, und der Mantel liegt platt und flach um den Leib, wenn er
nicht auf der einen Seite mit dem Arm in die Höhe genommen
iſt, und dann bricht er trockne, faſt parallele, unter ſehr ſpitzen
Winkeln in einen Punkt zuſammenlaufende Falten. Nur bei der
Tracht der Geiſtlichkeit, welche directer die römiſch-griechiſche Ge-
wandung fortſetzt, iſt größerer Fluß der Draperie, aber der vor-
herrſchende Gebrauch der Leinwand, welcher ſie nicht zu groß-
artiger Entfaltung kommen läßt, geſtattet nur die vielen langen,
magern Falten, die parallel eng neben einander herlaufen. Dieſen
Stil im Faltenwurf zeigt auch durchweg die gleichzeitige Kunſt.
— Noch mehr ſpricht ſich die Roheit des Geſchmacks im Orna-
ment der Kleidung aus. Wir kennen ſchon zur Genüge die Ueber-
ladung mit Gold und Edelſteinen: ſie überziehen die ganze Klei-
dung vom Scheitel bis zur Sohle. Die an ſich ſchon wirkungs-
vollen Kleider, die in den hellſten oder kräftigſten Farben prun-
ken, in Purpur, Scharlach, Hellgrün, Gelb, Blau, werden am
Hals und unten, von oben ſenkrecht herab, mehrfach um die
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