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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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I. Aelteste Zeit bis zu den Kreuzzügen.
Langobarden heißt, daß keines andern Hand so leicht, keines an-
dern Herz so freigebig an Ringen und leuchtenden Baugen sei.
Im Gegentheil wird es auch als schlechte Eigenschaft eines Herr-
schers getadelt, daß er niemals verdienten Helden Ringe geschenkt
habe. Freunde oder auch Feinde, die sich im Kampf tapfer be-
standen, tauschten zur Erinnerung ihre Armringe mit einander
aus. In diesen Bedeutungen sind die Baugen in die Sage über-
gegangen, wenn auch mit Umwandlung des dunklen und bald
feilen Erzes in das so hoch geschätzte leuchtende Gold, und noch
spät in christlicher Zeit findet sich in Lied und Sage die altheid-
nische Sitte wieder, als sie längst aus dem Leben verschwunden.
Als Walter von Aquitanien dem Hofe des Hunnenkönigs Etzel
entflieht, nimmt er aus dessen Schatze an Baugen mit, so viel er
kann, und ihre Zahl war so beträchtlich, daß er dem Burgunden-
könig Gunther ihrer hundert als Geschenk zu bieten vermochte.
Hildebrand, des Dietrich von Bern Genosse und Dienstmann,
nach langer Abwesenheit wieder heimkehrend, führt Baugen, aus
byzantinischen Goldmünzen geschlagen, mit sich. Auch im Ni-
belungenliede lebt noch die alte heidnische Sitte. Als Siegfried
nach Worms zurückkehrt, um die glückliche Gewinnung der Brun-
hilde als Braut Günthers der Chriemhilde zu verkünden, da
reicht ihm die Königstochter als Botenlohn 24 Armringe; und
beim Abschied der Burgundenhelden von Pechlarn legt die Mark-
gräfin Gotelinde dem trefflichen Spielmann Volker 12 Ringe
um die Hand.

Da gebot die Markgräfin eine Lade herzutragen,
Daraus nahm sie zwölf Baugen und spannte sie an seine Hand:
"Die sollt ihr mit euch führen von hinnen in Etzels Land,
Und sollt um meinetwillen sie zu Hofe tragen,
Wenn ihr wiederkehret, daß man mir möge sagen,
Wie ihr mir habt gedienet da bei dem hohen Fest."

Im Beowulflied erscheint die Königin ebenfalls als Ringspen-
derin, indem sie mit dem Becher noch zwei Armringe von gewun-
denem Golde und einen herrlichen Halsring dem Beowulf unter
holden Worten überreicht. -- Als Karl der Große, so erzählt die

I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.
Langobarden heißt, daß keines andern Hand ſo leicht, keines an-
dern Herz ſo freigebig an Ringen und leuchtenden Baugen ſei.
Im Gegentheil wird es auch als ſchlechte Eigenſchaft eines Herr-
ſchers getadelt, daß er niemals verdienten Helden Ringe geſchenkt
habe. Freunde oder auch Feinde, die ſich im Kampf tapfer be-
ſtanden, tauſchten zur Erinnerung ihre Armringe mit einander
aus. In dieſen Bedeutungen ſind die Baugen in die Sage über-
gegangen, wenn auch mit Umwandlung des dunklen und bald
feilen Erzes in das ſo hoch geſchätzte leuchtende Gold, und noch
ſpät in chriſtlicher Zeit findet ſich in Lied und Sage die altheid-
niſche Sitte wieder, als ſie längſt aus dem Leben verſchwunden.
Als Walter von Aquitanien dem Hofe des Hunnenkönigs Etzel
entflieht, nimmt er aus deſſen Schatze an Baugen mit, ſo viel er
kann, und ihre Zahl war ſo beträchtlich, daß er dem Burgunden-
könig Gunther ihrer hundert als Geſchenk zu bieten vermochte.
Hildebrand, des Dietrich von Bern Genoſſe und Dienſtmann,
nach langer Abweſenheit wieder heimkehrend, führt Baugen, aus
byzantiniſchen Goldmünzen geſchlagen, mit ſich. Auch im Ni-
belungenliede lebt noch die alte heidniſche Sitte. Als Siegfried
nach Worms zurückkehrt, um die glückliche Gewinnung der Brun-
hilde als Braut Günthers der Chriemhilde zu verkünden, da
reicht ihm die Königstochter als Botenlohn 24 Armringe; und
beim Abſchied der Burgundenhelden von Pechlarn legt die Mark-
gräfin Gotelinde dem trefflichen Spielmann Volker 12 Ringe
um die Hand.

Da gebot die Markgräfin eine Lade herzutragen,
Daraus nahm ſie zwölf Baugen und ſpannte ſie an ſeine Hand:
„Die ſollt ihr mit euch führen von hinnen in Etzels Land,
Und ſollt um meinetwillen ſie zu Hofe tragen,
Wenn ihr wiederkehret, daß man mir möge ſagen,
Wie ihr mir habt gedienet da bei dem hohen Feſt.“

Im Beowulflied erſcheint die Königin ebenfalls als Ringſpen-
derin, indem ſie mit dem Becher noch zwei Armringe von gewun-
denem Golde und einen herrlichen Halsring dem Beowulf unter
holden Worten überreicht. — Als Karl der Große, ſo erzählt die

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[16/0034] I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen. Langobarden heißt, daß keines andern Hand ſo leicht, keines an- dern Herz ſo freigebig an Ringen und leuchtenden Baugen ſei. Im Gegentheil wird es auch als ſchlechte Eigenſchaft eines Herr- ſchers getadelt, daß er niemals verdienten Helden Ringe geſchenkt habe. Freunde oder auch Feinde, die ſich im Kampf tapfer be- ſtanden, tauſchten zur Erinnerung ihre Armringe mit einander aus. In dieſen Bedeutungen ſind die Baugen in die Sage über- gegangen, wenn auch mit Umwandlung des dunklen und bald feilen Erzes in das ſo hoch geſchätzte leuchtende Gold, und noch ſpät in chriſtlicher Zeit findet ſich in Lied und Sage die altheid- niſche Sitte wieder, als ſie längſt aus dem Leben verſchwunden. Als Walter von Aquitanien dem Hofe des Hunnenkönigs Etzel entflieht, nimmt er aus deſſen Schatze an Baugen mit, ſo viel er kann, und ihre Zahl war ſo beträchtlich, daß er dem Burgunden- könig Gunther ihrer hundert als Geſchenk zu bieten vermochte. Hildebrand, des Dietrich von Bern Genoſſe und Dienſtmann, nach langer Abweſenheit wieder heimkehrend, führt Baugen, aus byzantiniſchen Goldmünzen geſchlagen, mit ſich. Auch im Ni- belungenliede lebt noch die alte heidniſche Sitte. Als Siegfried nach Worms zurückkehrt, um die glückliche Gewinnung der Brun- hilde als Braut Günthers der Chriemhilde zu verkünden, da reicht ihm die Königstochter als Botenlohn 24 Armringe; und beim Abſchied der Burgundenhelden von Pechlarn legt die Mark- gräfin Gotelinde dem trefflichen Spielmann Volker 12 Ringe um die Hand. Da gebot die Markgräfin eine Lade herzutragen, Daraus nahm ſie zwölf Baugen und ſpannte ſie an ſeine Hand: „Die ſollt ihr mit euch führen von hinnen in Etzels Land, Und ſollt um meinetwillen ſie zu Hofe tragen, Wenn ihr wiederkehret, daß man mir möge ſagen, Wie ihr mir habt gedienet da bei dem hohen Feſt.“ Im Beowulflied erſcheint die Königin ebenfalls als Ringſpen- derin, indem ſie mit dem Becher noch zwei Armringe von gewun- denem Golde und einen herrlichen Halsring dem Beowulf unter holden Worten überreicht. — Als Karl der Große, ſo erzählt die

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/34>, abgerufen am 25.04.2024.