als ob es königlicher Hermelin sei. -- Ueberall in der Kunst, bei den Kupferstechern wie bei den Malern, den Niederländern wie den Deutschen, begegnen wir diesem Gesindel: es ist immer das- selbe in seinem Aeußern, und es ist zu sehr die Carricatur der ausgelassenen, bunten Modenwelt, als daß wir an der Wirklich- keit seiner Existenz Zweifel hegen wollten. -- --
Ueber diese tolle Welt bricht die Reformation herein, aber nicht wie ein Erdbeben alles sogleich zertrümmernd oder ins Ge- gentheil verkehrend. Nicht ohne weiteres wird die Ueppigkeit zur Demuth, die Entblößung zur Verhüllung, nicht sogleich kehrt die Scham und Ehrbarkeit zurück oder verschwindet der Reiz zur Phantastik und zur Uebertreibung. Die Reformation trieb auch in den Kleidern ihre tollen Auswüchse, dem wiedertäuferischen Wahnsinn vergleichbar. Aber Einheit, Charakter, selbst ein ge- wisser Ernst dringt in die leichtfertige, zerfahrene Welt. Es kommt das Bewußtsein, daß es noch andere Dinge zu bedenken giebt, als den Putz des Körpers und ein lustiges Leben. --
Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig.
II. Das Mittelalter.
als ob es königlicher Hermelin ſei. — Ueberall in der Kunſt, bei den Kupferſtechern wie bei den Malern, den Niederländern wie den Deutſchen, begegnen wir dieſem Geſindel: es iſt immer daſ- ſelbe in ſeinem Aeußern, und es iſt zu ſehr die Carricatur der ausgelaſſenen, bunten Modenwelt, als daß wir an der Wirklich- keit ſeiner Exiſtenz Zweifel hegen wollten. — —
Ueber dieſe tolle Welt bricht die Reformation herein, aber nicht wie ein Erdbeben alles ſogleich zertrümmernd oder ins Ge- gentheil verkehrend. Nicht ohne weiteres wird die Ueppigkeit zur Demuth, die Entblößung zur Verhüllung, nicht ſogleich kehrt die Scham und Ehrbarkeit zurück oder verſchwindet der Reiz zur Phantaſtik und zur Uebertreibung. Die Reformation trieb auch in den Kleidern ihre tollen Auswüchſe, dem wiedertäuferiſchen Wahnſinn vergleichbar. Aber Einheit, Charakter, ſelbſt ein ge- wiſſer Ernſt dringt in die leichtfertige, zerfahrene Welt. Es kommt das Bewußtſein, daß es noch andere Dinge zu bedenken giebt, als den Putz des Körpers und ein luſtiges Leben. —
Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig.
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II. Das Mittelalter.
als ob es königlicher Hermelin ſei. — Ueberall in der Kunſt, bei
den Kupferſtechern wie bei den Malern, den Niederländern wie
den Deutſchen, begegnen wir dieſem Geſindel: es iſt immer daſ-
ſelbe in ſeinem Aeußern, und es iſt zu ſehr die Carricatur der
ausgelaſſenen, bunten Modenwelt, als daß wir an der Wirklich-
keit ſeiner Exiſtenz Zweifel hegen wollten. — —
Ueber dieſe tolle Welt bricht die Reformation herein, aber
nicht wie ein Erdbeben alles ſogleich zertrümmernd oder ins Ge-
gentheil verkehrend. Nicht ohne weiteres wird die Ueppigkeit zur
Demuth, die Entblößung zur Verhüllung, nicht ſogleich kehrt die
Scham und Ehrbarkeit zurück oder verſchwindet der Reiz zur
Phantaſtik und zur Uebertreibung. Die Reformation trieb auch
in den Kleidern ihre tollen Auswüchſe, dem wiedertäuferiſchen
Wahnſinn vergleichbar. Aber Einheit, Charakter, ſelbſt ein ge-
wiſſer Ernſt dringt in die leichtfertige, zerfahrene Welt. Es kommt
das Bewußtſein, daß es noch andere Dinge zu bedenken giebt,
als den Putz des Körpers und ein luſtiges Leben. —
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/334>, abgerufen am 01.08.2024.
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