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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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II. Das Mittelalter.
von 1493 schildert das Uebel mit folgenden Worten: "Als sich
yetz begit das ettlich mannes personen die gotsvorcht nit habent
unerbere schampere Kleider tragent, die oben tieff ußgeschnytten
sinnt biß uff die schultern oder unten so kurtz, daß sie jme voran
und hinden sin schamme nit bedecken mögent mit anderer schent-
licher ungestalt, das doch in erberer personen ougen lesterlich zu
sehen und nit zu leiden ist." Es waren auch Vorboten der Refor-
mation, als endlich der Mann sich der lästigen Enge bewußt
wurde, und die Brust sich öffnete und die Ellbogen, die Schul-
tern und dann die Kniee den gespannten Stoff durchbrachen.

Der enge Lendner oder die Schecke, in alten Zeiten der un-
tere Rock, hatte sich zur bloßen Jacke oder zum Wamms, wie
er nun häufig genannt wurde, verkürzt. Den Namen Rock ver-
dient er nicht mehr. Es war noch viel, wenn die Schöße eine
Hand breit waren, und auch dann war es zumeist nur vorn und
hinten, die Hüften aber waren herausgeschnitten. Auch diese
Schöße von kleinster Gestalt fielen ganz fort, und nun fügte sich
das Beinkleid auf der Hüfte mit Bändern oder Nesteln unmittel-
bar an die Jacke. Mit dieser gingen dann noch weitere Verän-
derungen vor. Als Nacken und Schultern weit genug entblößt
waren und die Aermel auch gewöhnlich den Unterarm nackt lie-
ßen, da schnitt man das ganze Bruststück von einer Schulter zur
andern und in der ganzen Tiefe heraus (seit 1470). Man ersetzte
den Ausschnitt Anfangs durch einen andersfarbigen Einsatz, der
für alle Stickereien von Blumen, Flammen, Sonnen, Sinnsprü-
chen u. s. w. die Lieblingsstätte wurde. Als dann aber die Vor-
liebe für feine Leinwand aufkam, ließ man diesen Einsatz weg
und zeigte in ganzer Breite das Hemd, sei es, daß ein reicher und
vornehmer Mann, den täuschenden Schein des Wollens und
Nichtkönnens verachtend, es ganz von der feinsten holländischen
Leinwand trug, oder ein ärmerer sich mit dem Vorhemd begnügte
oder in den gröberen Stoff einen feineren als Bruststück eingesetzt
hatte. Ganz wie heutiges Tages. Dabei blieb man nicht stehen.
Die Erfurter Chronik sagt zum Jahr 1480: "die Männer trugen
breite große Hemden mit großen breiten Brustlisten (Streifen)

II. Das Mittelalter.
von 1493 ſchildert das Uebel mit folgenden Worten: „Als ſich
yetz begit das ettlich mannes perſonen die gotsvorcht nit habent
unerbere ſchampere Kleider tragent, die oben tieff ußgeſchnytten
ſinnt biß uff die ſchultern oder unten ſo kurtz, daß ſie jme voran
und hinden ſin ſchamme nit bedecken mögent mit anderer ſchent-
licher ungeſtalt, das doch in erberer perſonen ougen leſterlich zu
ſehen und nit zu leiden iſt.“ Es waren auch Vorboten der Refor-
mation, als endlich der Mann ſich der läſtigen Enge bewußt
wurde, und die Bruſt ſich öffnete und die Ellbogen, die Schul-
tern und dann die Kniee den geſpannten Stoff durchbrachen.

Der enge Lendner oder die Schecke, in alten Zeiten der un-
tere Rock, hatte ſich zur bloßen Jacke oder zum Wamms, wie
er nun häufig genannt wurde, verkürzt. Den Namen Rock ver-
dient er nicht mehr. Es war noch viel, wenn die Schöße eine
Hand breit waren, und auch dann war es zumeiſt nur vorn und
hinten, die Hüften aber waren herausgeſchnitten. Auch dieſe
Schöße von kleinſter Geſtalt fielen ganz fort, und nun fügte ſich
das Beinkleid auf der Hüfte mit Bändern oder Neſteln unmittel-
bar an die Jacke. Mit dieſer gingen dann noch weitere Verän-
derungen vor. Als Nacken und Schultern weit genug entblößt
waren und die Aermel auch gewöhnlich den Unterarm nackt lie-
ßen, da ſchnitt man das ganze Bruſtſtück von einer Schulter zur
andern und in der ganzen Tiefe heraus (ſeit 1470). Man erſetzte
den Ausſchnitt Anfangs durch einen andersfarbigen Einſatz, der
für alle Stickereien von Blumen, Flammen, Sonnen, Sinnſprü-
chen u. ſ. w. die Lieblingsſtätte wurde. Als dann aber die Vor-
liebe für feine Leinwand aufkam, ließ man dieſen Einſatz weg
und zeigte in ganzer Breite das Hemd, ſei es, daß ein reicher und
vornehmer Mann, den täuſchenden Schein des Wollens und
Nichtkönnens verachtend, es ganz von der feinſten holländiſchen
Leinwand trug, oder ein ärmerer ſich mit dem Vorhemd begnügte
oder in den gröberen Stoff einen feineren als Bruſtſtück eingeſetzt
hatte. Ganz wie heutiges Tages. Dabei blieb man nicht ſtehen.
Die Erfurter Chronik ſagt zum Jahr 1480: „die Männer trugen
breite große Hemden mit großen breiten Bruſtliſten (Streifen)

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[298/0316] II. Das Mittelalter. von 1493 ſchildert das Uebel mit folgenden Worten: „Als ſich yetz begit das ettlich mannes perſonen die gotsvorcht nit habent unerbere ſchampere Kleider tragent, die oben tieff ußgeſchnytten ſinnt biß uff die ſchultern oder unten ſo kurtz, daß ſie jme voran und hinden ſin ſchamme nit bedecken mögent mit anderer ſchent- licher ungeſtalt, das doch in erberer perſonen ougen leſterlich zu ſehen und nit zu leiden iſt.“ Es waren auch Vorboten der Refor- mation, als endlich der Mann ſich der läſtigen Enge bewußt wurde, und die Bruſt ſich öffnete und die Ellbogen, die Schul- tern und dann die Kniee den geſpannten Stoff durchbrachen. Der enge Lendner oder die Schecke, in alten Zeiten der un- tere Rock, hatte ſich zur bloßen Jacke oder zum Wamms, wie er nun häufig genannt wurde, verkürzt. Den Namen Rock ver- dient er nicht mehr. Es war noch viel, wenn die Schöße eine Hand breit waren, und auch dann war es zumeiſt nur vorn und hinten, die Hüften aber waren herausgeſchnitten. Auch dieſe Schöße von kleinſter Geſtalt fielen ganz fort, und nun fügte ſich das Beinkleid auf der Hüfte mit Bändern oder Neſteln unmittel- bar an die Jacke. Mit dieſer gingen dann noch weitere Verän- derungen vor. Als Nacken und Schultern weit genug entblößt waren und die Aermel auch gewöhnlich den Unterarm nackt lie- ßen, da ſchnitt man das ganze Bruſtſtück von einer Schulter zur andern und in der ganzen Tiefe heraus (ſeit 1470). Man erſetzte den Ausſchnitt Anfangs durch einen andersfarbigen Einſatz, der für alle Stickereien von Blumen, Flammen, Sonnen, Sinnſprü- chen u. ſ. w. die Lieblingsſtätte wurde. Als dann aber die Vor- liebe für feine Leinwand aufkam, ließ man dieſen Einſatz weg und zeigte in ganzer Breite das Hemd, ſei es, daß ein reicher und vornehmer Mann, den täuſchenden Schein des Wollens und Nichtkönnens verachtend, es ganz von der feinſten holländiſchen Leinwand trug, oder ein ärmerer ſich mit dem Vorhemd begnügte oder in den gröberen Stoff einen feineren als Bruſtſtück eingeſetzt hatte. Ganz wie heutiges Tages. Dabei blieb man nicht ſtehen. Die Erfurter Chronik ſagt zum Jahr 1480: „die Männer trugen breite große Hemden mit großen breiten Bruſtliſten (Streifen)

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/316>, abgerufen am 25.11.2024.