Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.II. Das Mittelalter. Dreiecken u. s. w. zusammen. Sie vertheilen auch die Farben indie Quere und lassen die obere rechte Hälfte der unteren linken, und die obere linke der unteren rechten correspondiren, und ver- theilen noch dazu an Kopfbedeckung und Schuhen die Farben über Kreuz. Auf einem Altar in Heilsbronn findet sich ein jun- ger Mann, der ein Beinkleid trägt, dessen eine Hälfte gelb ist, die andere aber dreifach getheilt. Von oben her bis zur Mitte des Oberschenkels laufen Streifen neben einander herunter, weiß, rosa, grün, gelb, zinnoberroth u. s. w. Dann läuft ein hand- breiter Streif herum aus lauter kleinen Quadraten bestehend, die wieder durch Diagonalen in kleine Dreiecke zerlegt sind: jedes dieser kleinen Dreiecke ist andersfarbig. Der untere Theil des Beinkleides ist wieder gelb. Es läßt sich denken, daß auf diese Weise der Machlohn den Preis des Stoffes, wie erzählt wird, doppelt übertreffen konnte. Es waren nicht bloß die jungen Her- ren der Städte, welche sich so kleideten, die jungen Fürsten mach- ten keine Ausnahme. *) Das grauhaarige Alter aber, der gesetzte Mann, der Rathsherr und der solide Handwerker bleiben ehrbar. Nur die Schneider, das leichteste Blut im Gewerbestand, trachte- ten sich diese eitle Mode der vornehmen Jugend anzueignen, und brachten dadurch unter anderm den wohlweisen Rath des Städt- leins Friedberg in der Wetterau in große Verlegenheit. Es war im Jahr 1468, da entstand ein Streit zwischen den Schneider- gesellen einerseits und den Bäcker- und Schustergesellen andrer- seits, weil die ersteren anfingen, getheilte Schuhe zu tragen, den einen weiß, den andern schwarz. Die Bäcker und Schuster wider- setzten sich dieser Neuerung. Der Rath legte sich ins Mittel und verbot die Schuhe. Aber ein Schneidermeister meinte, ihm als Bürger der Stadt könne so etwas nicht verboten werden, und er- laubte sich auch ferner die getheilten Schuhe zu tragen. Diese kühne Opposition brachte wirklich den Rath der guten Stadt Friedberg in die äußerste Verlegenheit, und nicht wissend, was zu *) S. die Söhne des Markgr. Albrecht Achilles v. Brandenburg bei
Stillfried l. l. und Kunst und Leben, Heft 14, Bl. 3. II. Das Mittelalter. Dreiecken u. ſ. w. zuſammen. Sie vertheilen auch die Farben indie Quere und laſſen die obere rechte Hälfte der unteren linken, und die obere linke der unteren rechten correſpondiren, und ver- theilen noch dazu an Kopfbedeckung und Schuhen die Farben über Kreuz. Auf einem Altar in Heilsbronn findet ſich ein jun- ger Mann, der ein Beinkleid trägt, deſſen eine Hälfte gelb iſt, die andere aber dreifach getheilt. Von oben her bis zur Mitte des Oberſchenkels laufen Streifen neben einander herunter, weiß, roſa, grün, gelb, zinnoberroth u. ſ. w. Dann läuft ein hand- breiter Streif herum aus lauter kleinen Quadraten beſtehend, die wieder durch Diagonalen in kleine Dreiecke zerlegt ſind: jedes dieſer kleinen Dreiecke iſt andersfarbig. Der untere Theil des Beinkleides iſt wieder gelb. Es läßt ſich denken, daß auf dieſe Weiſe der Machlohn den Preis des Stoffes, wie erzählt wird, doppelt übertreffen konnte. Es waren nicht bloß die jungen Her- ren der Städte, welche ſich ſo kleideten, die jungen Fürſten mach- ten keine Ausnahme. *) Das grauhaarige Alter aber, der geſetzte Mann, der Rathsherr und der ſolide Handwerker bleiben ehrbar. Nur die Schneider, das leichteſte Blut im Gewerbeſtand, trachte- ten ſich dieſe eitle Mode der vornehmen Jugend anzueignen, und brachten dadurch unter anderm den wohlweiſen Rath des Städt- leins Friedberg in der Wetterau in große Verlegenheit. Es war im Jahr 1468, da entſtand ein Streit zwiſchen den Schneider- geſellen einerſeits und den Bäcker- und Schuſtergeſellen andrer- ſeits, weil die erſteren anfingen, getheilte Schuhe zu tragen, den einen weiß, den andern ſchwarz. Die Bäcker und Schuſter wider- ſetzten ſich dieſer Neuerung. Der Rath legte ſich ins Mittel und verbot die Schuhe. Aber ein Schneidermeiſter meinte, ihm als Bürger der Stadt könne ſo etwas nicht verboten werden, und er- laubte ſich auch ferner die getheilten Schuhe zu tragen. Dieſe kühne Oppoſition brachte wirklich den Rath der guten Stadt Friedberg in die äußerſte Verlegenheit, und nicht wiſſend, was zu *) S. die Söhne des Markgr. Albrecht Achilles v. Brandenburg bei
Stillfried l. l. und Kunſt und Leben, Heft 14, Bl. 3. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0314" n="296"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Das Mittelalter.</fw><lb/> Dreiecken u. ſ. w. zuſammen. Sie vertheilen auch die Farben in<lb/> die Quere und laſſen die obere rechte Hälfte der unteren linken,<lb/> und die obere linke der unteren rechten correſpondiren, und ver-<lb/> theilen noch dazu an Kopfbedeckung und Schuhen die Farben<lb/> über Kreuz. Auf einem Altar in Heilsbronn findet ſich ein jun-<lb/> ger Mann, der ein Beinkleid trägt, deſſen eine Hälfte gelb iſt,<lb/> die andere aber dreifach getheilt. Von oben her bis zur Mitte<lb/> des Oberſchenkels laufen Streifen neben einander herunter, weiß,<lb/> roſa, grün, gelb, zinnoberroth u. ſ. w. Dann läuft ein hand-<lb/> breiter Streif herum aus lauter kleinen Quadraten beſtehend, die<lb/> wieder durch Diagonalen in kleine Dreiecke zerlegt ſind: jedes<lb/> dieſer kleinen Dreiecke iſt andersfarbig. Der untere Theil des<lb/> Beinkleides iſt wieder gelb. Es läßt ſich denken, daß auf dieſe<lb/> Weiſe der Machlohn den Preis des Stoffes, wie erzählt wird,<lb/> doppelt übertreffen konnte. Es waren nicht bloß die jungen Her-<lb/> ren der Städte, welche ſich ſo kleideten, die jungen Fürſten mach-<lb/> ten keine Ausnahme. <note place="foot" n="*)">S. die Söhne des Markgr. Albrecht Achilles v. Brandenburg bei<lb/> Stillfried <hi rendition="#aq">l. l.</hi> und Kunſt und Leben, Heft 14, Bl. 3.</note> Das grauhaarige Alter aber, der geſetzte<lb/> Mann, der Rathsherr und der ſolide Handwerker bleiben ehrbar.<lb/> Nur die Schneider, das leichteſte Blut im Gewerbeſtand, trachte-<lb/> ten ſich dieſe eitle Mode der vornehmen Jugend anzueignen, und<lb/> brachten dadurch unter anderm den wohlweiſen Rath des Städt-<lb/> leins Friedberg in der Wetterau in große Verlegenheit. Es war<lb/> im Jahr 1468, da entſtand ein Streit zwiſchen den Schneider-<lb/> geſellen einerſeits und den Bäcker- und Schuſtergeſellen andrer-<lb/> ſeits, weil die erſteren anfingen, getheilte Schuhe zu tragen, den<lb/> einen weiß, den andern ſchwarz. Die Bäcker und Schuſter wider-<lb/> ſetzten ſich dieſer Neuerung. Der Rath legte ſich ins Mittel und<lb/> verbot die Schuhe. Aber ein Schneidermeiſter meinte, ihm als<lb/> Bürger der Stadt könne ſo etwas nicht verboten werden, und er-<lb/> laubte ſich auch ferner die getheilten Schuhe zu tragen. Dieſe<lb/> kühne Oppoſition brachte wirklich den Rath der guten Stadt<lb/> Friedberg in die äußerſte Verlegenheit, und nicht wiſſend, was zu<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [296/0314]
II. Das Mittelalter.
Dreiecken u. ſ. w. zuſammen. Sie vertheilen auch die Farben in
die Quere und laſſen die obere rechte Hälfte der unteren linken,
und die obere linke der unteren rechten correſpondiren, und ver-
theilen noch dazu an Kopfbedeckung und Schuhen die Farben
über Kreuz. Auf einem Altar in Heilsbronn findet ſich ein jun-
ger Mann, der ein Beinkleid trägt, deſſen eine Hälfte gelb iſt,
die andere aber dreifach getheilt. Von oben her bis zur Mitte
des Oberſchenkels laufen Streifen neben einander herunter, weiß,
roſa, grün, gelb, zinnoberroth u. ſ. w. Dann läuft ein hand-
breiter Streif herum aus lauter kleinen Quadraten beſtehend, die
wieder durch Diagonalen in kleine Dreiecke zerlegt ſind: jedes
dieſer kleinen Dreiecke iſt andersfarbig. Der untere Theil des
Beinkleides iſt wieder gelb. Es läßt ſich denken, daß auf dieſe
Weiſe der Machlohn den Preis des Stoffes, wie erzählt wird,
doppelt übertreffen konnte. Es waren nicht bloß die jungen Her-
ren der Städte, welche ſich ſo kleideten, die jungen Fürſten mach-
ten keine Ausnahme. *) Das grauhaarige Alter aber, der geſetzte
Mann, der Rathsherr und der ſolide Handwerker bleiben ehrbar.
Nur die Schneider, das leichteſte Blut im Gewerbeſtand, trachte-
ten ſich dieſe eitle Mode der vornehmen Jugend anzueignen, und
brachten dadurch unter anderm den wohlweiſen Rath des Städt-
leins Friedberg in der Wetterau in große Verlegenheit. Es war
im Jahr 1468, da entſtand ein Streit zwiſchen den Schneider-
geſellen einerſeits und den Bäcker- und Schuſtergeſellen andrer-
ſeits, weil die erſteren anfingen, getheilte Schuhe zu tragen, den
einen weiß, den andern ſchwarz. Die Bäcker und Schuſter wider-
ſetzten ſich dieſer Neuerung. Der Rath legte ſich ins Mittel und
verbot die Schuhe. Aber ein Schneidermeiſter meinte, ihm als
Bürger der Stadt könne ſo etwas nicht verboten werden, und er-
laubte ſich auch ferner die getheilten Schuhe zu tragen. Dieſe
kühne Oppoſition brachte wirklich den Rath der guten Stadt
Friedberg in die äußerſte Verlegenheit, und nicht wiſſend, was zu
*) S. die Söhne des Markgr. Albrecht Achilles v. Brandenburg bei
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