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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
außer anderm Schmuck über dreißig Ringe. Eine Breslauerin,
Jungfrau Margarethe, des Niklas von Brige Tochter, erhielt
1470 von ihren Vormündern als Erbtheil von Seiten ihrer Mut-
ter nebst Gürteln und Hefteln und Ketten noch 36 goldene Ringe
ausgeliefert. Eine andere Breslauerin, Dorothea Frank, hinter-
ließ zwanzig goldene Ringe, die sie an einem größeren Ring
gleich einem Schlüsselbund aufbewahrt hatte. Als Kaiser Al-
brechts II. Tochter Anna den Herzog Wilhelm von Sachsen hei-
rathete, befand sich an Schmuck unter ihrer Aussteuer: zwei
Halsbänder, 12 Heftel, 32 Ringe, vier Mark Perlen und drei
Gürtel.

Aber darin zeichnete sich diese Periode vor der früheren aus,
daß sie auf die Form, auf die Facon oder Fassung des Schmuckes,
auf die künstlerische Arbeit einen außerordentlichen Werth legte.
Oft übertraf der Preis der Arbeit den Werth des Metalls um
das Doppelte und Dreifache. Es stand aber auch damals das
Goldschmiedegewerk in hoher Blüthe und wurde von der gleich-
zeitigen Kunst wesentlich unterstützt und gefördert. Der Stil der
Verzierung entsprach natürlich der reichen gothischen Ornamentik
des funfzehnten Jahrhunderts. Zunächst waren es Blätter, Blü-
then und Ranken, die frei ins Metall getrieben wurden. Aber
man blieb dabei nicht stehen: wo es der Raum zuließ, brachte
man allerlei Figürliches an, Thiergestalten, Frauenbilder, pro-
fane oder religiöse Gruppen, die man entweder in Metall trieb
oder in Perlmutter schnitt oder auch emaillirte. Die Schmelzkunst
fand dabei vielfache und ausgezeichnete Anwendung: man email-
lirte z. B. Pfauen mit den schillernden Schwänzen, Frauenge-
stalten mit farbigen, bunten Kleidern, mit goldenen Kronen auf
dem Haar, und setzte zu weiterer Verzierung noch Perlen und
Edelsteine hinein. -- Die Preise, die man selbst im bürgerlichen
Stande für dergleichen zahlte, waren nach den damaligen Ver-
hältnissen nicht gering. So befand sich auch unter der Aussteuer,
welche in dieser Zeit ein Bürger zu Breslau seiner Tochter mit-
gab, ein mit Perlen besetztes Leibchen im Werth von 24 Gulden,
ein Gürtel von 20 und ein Trauring von 25 fl. Werth. Die

Falke, Trachten- und Modenwelt. I. 19

2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
außer anderm Schmuck über dreißig Ringe. Eine Breslauerin,
Jungfrau Margarethe, des Niklas von Brige Tochter, erhielt
1470 von ihren Vormündern als Erbtheil von Seiten ihrer Mut-
ter nebſt Gürteln und Hefteln und Ketten noch 36 goldene Ringe
ausgeliefert. Eine andere Breslauerin, Dorothea Frank, hinter-
ließ zwanzig goldene Ringe, die ſie an einem größeren Ring
gleich einem Schlüſſelbund aufbewahrt hatte. Als Kaiſer Al-
brechts II. Tochter Anna den Herzog Wilhelm von Sachſen hei-
rathete, befand ſich an Schmuck unter ihrer Ausſteuer: zwei
Halsbänder, 12 Heftel, 32 Ringe, vier Mark Perlen und drei
Gürtel.

Aber darin zeichnete ſich dieſe Periode vor der früheren aus,
daß ſie auf die Form, auf die Façon oder Faſſung des Schmuckes,
auf die künſtleriſche Arbeit einen außerordentlichen Werth legte.
Oft übertraf der Preis der Arbeit den Werth des Metalls um
das Doppelte und Dreifache. Es ſtand aber auch damals das
Goldſchmiedegewerk in hoher Blüthe und wurde von der gleich-
zeitigen Kunſt weſentlich unterſtützt und gefördert. Der Stil der
Verzierung entſprach natürlich der reichen gothiſchen Ornamentik
des funfzehnten Jahrhunderts. Zunächſt waren es Blätter, Blü-
then und Ranken, die frei ins Metall getrieben wurden. Aber
man blieb dabei nicht ſtehen: wo es der Raum zuließ, brachte
man allerlei Figürliches an, Thiergeſtalten, Frauenbilder, pro-
fane oder religiöſe Gruppen, die man entweder in Metall trieb
oder in Perlmutter ſchnitt oder auch emaillirte. Die Schmelzkunſt
fand dabei vielfache und ausgezeichnete Anwendung: man email-
lirte z. B. Pfauen mit den ſchillernden Schwänzen, Frauenge-
ſtalten mit farbigen, bunten Kleidern, mit goldenen Kronen auf
dem Haar, und ſetzte zu weiterer Verzierung noch Perlen und
Edelſteine hinein. — Die Preiſe, die man ſelbſt im bürgerlichen
Stande für dergleichen zahlte, waren nach den damaligen Ver-
hältniſſen nicht gering. So befand ſich auch unter der Ausſteuer,
welche in dieſer Zeit ein Bürger zu Breslau ſeiner Tochter mit-
gab, ein mit Perlen beſetztes Leibchen im Werth von 24 Gulden,
ein Gürtel von 20 und ein Trauring von 25 fl. Werth. Die

Falke, Trachten- und Modenwelt. I. 19
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[289/0307] 2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. außer anderm Schmuck über dreißig Ringe. Eine Breslauerin, Jungfrau Margarethe, des Niklas von Brige Tochter, erhielt 1470 von ihren Vormündern als Erbtheil von Seiten ihrer Mut- ter nebſt Gürteln und Hefteln und Ketten noch 36 goldene Ringe ausgeliefert. Eine andere Breslauerin, Dorothea Frank, hinter- ließ zwanzig goldene Ringe, die ſie an einem größeren Ring gleich einem Schlüſſelbund aufbewahrt hatte. Als Kaiſer Al- brechts II. Tochter Anna den Herzog Wilhelm von Sachſen hei- rathete, befand ſich an Schmuck unter ihrer Ausſteuer: zwei Halsbänder, 12 Heftel, 32 Ringe, vier Mark Perlen und drei Gürtel. Aber darin zeichnete ſich dieſe Periode vor der früheren aus, daß ſie auf die Form, auf die Façon oder Faſſung des Schmuckes, auf die künſtleriſche Arbeit einen außerordentlichen Werth legte. Oft übertraf der Preis der Arbeit den Werth des Metalls um das Doppelte und Dreifache. Es ſtand aber auch damals das Goldſchmiedegewerk in hoher Blüthe und wurde von der gleich- zeitigen Kunſt weſentlich unterſtützt und gefördert. Der Stil der Verzierung entſprach natürlich der reichen gothiſchen Ornamentik des funfzehnten Jahrhunderts. Zunächſt waren es Blätter, Blü- then und Ranken, die frei ins Metall getrieben wurden. Aber man blieb dabei nicht ſtehen: wo es der Raum zuließ, brachte man allerlei Figürliches an, Thiergeſtalten, Frauenbilder, pro- fane oder religiöſe Gruppen, die man entweder in Metall trieb oder in Perlmutter ſchnitt oder auch emaillirte. Die Schmelzkunſt fand dabei vielfache und ausgezeichnete Anwendung: man email- lirte z. B. Pfauen mit den ſchillernden Schwänzen, Frauenge- ſtalten mit farbigen, bunten Kleidern, mit goldenen Kronen auf dem Haar, und ſetzte zu weiterer Verzierung noch Perlen und Edelſteine hinein. — Die Preiſe, die man ſelbſt im bürgerlichen Stande für dergleichen zahlte, waren nach den damaligen Ver- hältniſſen nicht gering. So befand ſich auch unter der Ausſteuer, welche in dieſer Zeit ein Bürger zu Breslau ſeiner Tochter mit- gab, ein mit Perlen beſetztes Leibchen im Werth von 24 Gulden, ein Gürtel von 20 und ein Trauring von 25 fl. Werth. Die Falke, Trachten- und Modenwelt. I. 19

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/307>, abgerufen am 20.04.2024.