Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
weit und in gleicher Weise mit Pelz ausgeschlagen. Seine Kürze
ist gewöhnlich von der Art, daß er kaum mehr als Handbreit auf
die Hüften reicht, doch tragen ihn auch andere bis zu den Knieen.
Seine weiten Aermel hatten eine doppelte Oeffnung, die gewöhn-
liche am untern Ende und einen langen Schlitz an der Seite,
welche beide benutzt werden konnten. An den Schultern erhielt
dieser Galarock, der lange wie der kurze, die sogenannten ma-
hoeitres
*), wulstartige, künstliche Ansätze oder Auswattirungen
also falsche Schultern, welche den Mann breiter in der Brust er-
scheinen lassen sollten. Der Herzog wie der Junker trug dieselben,
auch König Karl VII. von Frankreich. Man beachtete nicht, daß
dadurch der Körper unschön aus allem Verhältniß kam, da nach
unten zu bei kurzem Rock und engem Beinkleid die ganze Figur
bis zum langen Schnabel in die Spitze auslief. -- Der gewöhn-
liche Oberrock gleicht mehr oder weniger dem kurzen ceremo-
niellen. Er ist ebenso weit an Aermeln, Schultern und am Leib,
in der Taille geschnürt oder ohne alle Einengung frei und offen;
in der Länge aber reicht er gewöhnlich kaum eine Handbreit auf
die Hüften. -- Der Mantel ist mehr ein Stück des fürstlichen
oder königlichen Ornats, bis in den letzten Jahrzehnten des funf-
zehnten Jahrhunderts das ganz kurze, später s. g. spanische Män-
telchen aufkam. Wir werden es im eigentlichen Deutschland wie-
der finden.

Im Uebrigen, wenn wir von dem weiten Oberrock absehen,
war die Kleidung des Mannes nach wie vor in immer steigendem
Grade auf Enge angelegt. Das Beinkleid, welches mit Nesteln
an die Jacke befestigt wurde, schloß so eng an, daß es alle For-
men zeigte, selbst diejenigen, welche man immer verdeckt. Der
Rock konnte es nicht verhindern, weil er nicht immer getragen
wurde, vor allem aber seiner Kürze wegen, da sie, wie Monstrelet
zum Jahr 1467 sagt, so zunahm, que l'on veoit la facon de
leurs culs et de leurs genitoires comme l'on souloit vestir
les singes.
Ebenso war es mit der Jacke oder Schecke. Bei brei-

*) Von mahot, Baumwolle?

2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
weit und in gleicher Weiſe mit Pelz ausgeſchlagen. Seine Kürze
iſt gewöhnlich von der Art, daß er kaum mehr als Handbreit auf
die Hüften reicht, doch tragen ihn auch andere bis zu den Knieen.
Seine weiten Aermel hatten eine doppelte Oeffnung, die gewöhn-
liche am untern Ende und einen langen Schlitz an der Seite,
welche beide benutzt werden konnten. An den Schultern erhielt
dieſer Galarock, der lange wie der kurze, die ſogenannten ma-
hoîtres
*), wulſtartige, künſtliche Anſätze oder Auswattirungen
alſo falſche Schultern, welche den Mann breiter in der Bruſt er-
ſcheinen laſſen ſollten. Der Herzog wie der Junker trug dieſelben,
auch König Karl VII. von Frankreich. Man beachtete nicht, daß
dadurch der Körper unſchön aus allem Verhältniß kam, da nach
unten zu bei kurzem Rock und engem Beinkleid die ganze Figur
bis zum langen Schnabel in die Spitze auslief. — Der gewöhn-
liche Oberrock gleicht mehr oder weniger dem kurzen ceremo-
niellen. Er iſt ebenſo weit an Aermeln, Schultern und am Leib,
in der Taille geſchnürt oder ohne alle Einengung frei und offen;
in der Länge aber reicht er gewöhnlich kaum eine Handbreit auf
die Hüften. — Der Mantel iſt mehr ein Stück des fürſtlichen
oder königlichen Ornats, bis in den letzten Jahrzehnten des funf-
zehnten Jahrhunderts das ganz kurze, ſpäter ſ. g. ſpaniſche Män-
telchen aufkam. Wir werden es im eigentlichen Deutſchland wie-
der finden.

Im Uebrigen, wenn wir von dem weiten Oberrock abſehen,
war die Kleidung des Mannes nach wie vor in immer ſteigendem
Grade auf Enge angelegt. Das Beinkleid, welches mit Neſteln
an die Jacke befeſtigt wurde, ſchloß ſo eng an, daß es alle For-
men zeigte, ſelbſt diejenigen, welche man immer verdeckt. Der
Rock konnte es nicht verhindern, weil er nicht immer getragen
wurde, vor allem aber ſeiner Kürze wegen, da ſie, wie Monſtrelet
zum Jahr 1467 ſagt, ſo zunahm, que l’on veoit la façon de
leurs culs et de leurs génitoires comme l’on souloit vestir
les singes.
Ebenſo war es mit der Jacke oder Schecke. Bei brei-

*) Von mahot, Baumwolle?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0285" n="267"/><fw place="top" type="header">2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.</fw><lb/>
weit und in gleicher Wei&#x017F;e mit Pelz ausge&#x017F;chlagen. Seine Kürze<lb/>
i&#x017F;t gewöhnlich von der Art, daß er kaum mehr als Handbreit auf<lb/>
die Hüften reicht, doch tragen ihn auch andere bis zu den Knieen.<lb/>
Seine weiten Aermel hatten eine doppelte Oeffnung, die gewöhn-<lb/>
liche am untern Ende und einen langen Schlitz an der Seite,<lb/>
welche beide benutzt werden konnten. An den Schultern erhielt<lb/>
die&#x017F;er Galarock, der lange wie der kurze, die &#x017F;ogenannten <hi rendition="#aq">ma-<lb/>
hoîtres</hi> <note place="foot" n="*)">Von <hi rendition="#aq">mahot,</hi> Baumwolle?</note>, wul&#x017F;tartige, kün&#x017F;tliche An&#x017F;ätze oder Auswattirungen<lb/>
al&#x017F;o fal&#x017F;che Schultern, welche den Mann breiter in der Bru&#x017F;t er-<lb/>
&#x017F;cheinen la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollten. Der Herzog wie der Junker trug die&#x017F;elben,<lb/>
auch König Karl <hi rendition="#aq">VII.</hi> von Frankreich. Man beachtete nicht, daß<lb/>
dadurch der Körper un&#x017F;chön aus allem Verhältniß kam, da nach<lb/>
unten zu bei kurzem Rock und engem Beinkleid die ganze Figur<lb/>
bis zum langen Schnabel in die Spitze auslief. &#x2014; Der gewöhn-<lb/>
liche <hi rendition="#g">Oberrock</hi> gleicht mehr oder weniger dem kurzen ceremo-<lb/>
niellen. Er i&#x017F;t eben&#x017F;o weit an Aermeln, Schultern und am Leib,<lb/>
in der Taille ge&#x017F;chnürt oder ohne alle Einengung frei und offen;<lb/>
in der Länge aber reicht er gewöhnlich kaum eine Handbreit auf<lb/>
die Hüften. &#x2014; Der Mantel i&#x017F;t mehr ein Stück des für&#x017F;tlichen<lb/>
oder königlichen Ornats, bis in den letzten Jahrzehnten des funf-<lb/>
zehnten Jahrhunderts das ganz kurze, &#x017F;päter &#x017F;. g. &#x017F;pani&#x017F;che Män-<lb/>
telchen aufkam. Wir werden es im eigentlichen Deut&#x017F;chland wie-<lb/>
der finden.</p><lb/>
              <p>Im Uebrigen, wenn wir von dem weiten Oberrock ab&#x017F;ehen,<lb/>
war die Kleidung des Mannes nach wie vor in immer &#x017F;teigendem<lb/>
Grade auf Enge angelegt. Das Beinkleid, welches mit Ne&#x017F;teln<lb/>
an die Jacke befe&#x017F;tigt wurde, &#x017F;chloß &#x017F;o eng an, daß es alle For-<lb/>
men zeigte, &#x017F;elb&#x017F;t diejenigen, welche man immer verdeckt. Der<lb/>
Rock konnte es nicht verhindern, weil er nicht immer getragen<lb/>
wurde, vor allem aber &#x017F;einer Kürze wegen, da &#x017F;ie, wie Mon&#x017F;trelet<lb/>
zum Jahr 1467 &#x017F;agt, &#x017F;o zunahm, <hi rendition="#aq">que l&#x2019;on veoit la façon de<lb/>
leurs culs et de leurs génitoires comme l&#x2019;on souloit vestir<lb/>
les singes.</hi> Eben&#x017F;o war es mit der Jacke oder Schecke. Bei brei-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[267/0285] 2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. weit und in gleicher Weiſe mit Pelz ausgeſchlagen. Seine Kürze iſt gewöhnlich von der Art, daß er kaum mehr als Handbreit auf die Hüften reicht, doch tragen ihn auch andere bis zu den Knieen. Seine weiten Aermel hatten eine doppelte Oeffnung, die gewöhn- liche am untern Ende und einen langen Schlitz an der Seite, welche beide benutzt werden konnten. An den Schultern erhielt dieſer Galarock, der lange wie der kurze, die ſogenannten ma- hoîtres *), wulſtartige, künſtliche Anſätze oder Auswattirungen alſo falſche Schultern, welche den Mann breiter in der Bruſt er- ſcheinen laſſen ſollten. Der Herzog wie der Junker trug dieſelben, auch König Karl VII. von Frankreich. Man beachtete nicht, daß dadurch der Körper unſchön aus allem Verhältniß kam, da nach unten zu bei kurzem Rock und engem Beinkleid die ganze Figur bis zum langen Schnabel in die Spitze auslief. — Der gewöhn- liche Oberrock gleicht mehr oder weniger dem kurzen ceremo- niellen. Er iſt ebenſo weit an Aermeln, Schultern und am Leib, in der Taille geſchnürt oder ohne alle Einengung frei und offen; in der Länge aber reicht er gewöhnlich kaum eine Handbreit auf die Hüften. — Der Mantel iſt mehr ein Stück des fürſtlichen oder königlichen Ornats, bis in den letzten Jahrzehnten des funf- zehnten Jahrhunderts das ganz kurze, ſpäter ſ. g. ſpaniſche Män- telchen aufkam. Wir werden es im eigentlichen Deutſchland wie- der finden. Im Uebrigen, wenn wir von dem weiten Oberrock abſehen, war die Kleidung des Mannes nach wie vor in immer ſteigendem Grade auf Enge angelegt. Das Beinkleid, welches mit Neſteln an die Jacke befeſtigt wurde, ſchloß ſo eng an, daß es alle For- men zeigte, ſelbſt diejenigen, welche man immer verdeckt. Der Rock konnte es nicht verhindern, weil er nicht immer getragen wurde, vor allem aber ſeiner Kürze wegen, da ſie, wie Monſtrelet zum Jahr 1467 ſagt, ſo zunahm, que l’on veoit la façon de leurs culs et de leurs génitoires comme l’on souloit vestir les singes. Ebenſo war es mit der Jacke oder Schecke. Bei brei- *) Von mahot, Baumwolle?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/285
Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/285>, abgerufen am 22.11.2024.