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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
und leeres Gepränge verachten müssen. Aber er liebte die Pracht
und den Glanz und hielt das alles für nothwendig mit seiner
Würde verbunden, die er noch durch die Königskrone erhöhen
wollte. Er fügte sich darum in Zwang und Formen und erhöhte
sie eher, als er sie verringerte. Es hat Fürsten gegeben wie Karl
den Großen, die den glänzendsten Hofstaat hielten und inmitten
desselben an sich selbst die größtmögliche Einfachheit liebten;
Karl der Kühne gehörte nicht zu ihnen: er war der Prächtigste
unter den Prächtigen seines Hofes.

Ein glücklicher Zufall hat uns über das burgundische Hof-
ceremoniell die Aufzeichnungen einer Dame dieses Hofes, Alienor
von Poitiers, Vicomtesse de Furnes, hinterlassen. Sie beschreibt,
was sie gesehen und erfahren hat, und setzt die Vorschriften aufs
genauste auseinander mit der vollsten Ueberzeugung ihrer unfehl-
baren Zweckmäßigkeit. Das ganze spätere Hofwesen findet hier
bereits sein bis ins kleinste ausgearbeitetes Muster. Ein Beispiel
wird genügen, um die Detaillirung der Vorschriften zu zeigen.
Daß Gräfinnen und Baronessen zur Verbrämung keinen gefleck-
ten Hermelin oder schwarzen Zobel tragen sollen, noch Kleidungs-
stücke von gekräuseltem Goldstoff, noch in ihrem Hause sich dieses
Stoffes bedienen, sondern sich mit Sammet und Seide begnügen
sollen, dergleichen selten eingehaltene Vorschriften, bestimmt den
Unterschied der Stände aufrecht zu halten, finden sich auch an-
derswo. Dann heißt es weiter: "Bei Tisch können sie von Edel-
leuten bedient werden, aber dieselben dürfen die Serviette nicht
auf der Schulter, sondern nur einfach unter dem Arm tragen;
ihr Brot darf nicht eingewickelt sein, sondern wird neben das
Messer auf eine untergebreitete Serviette gelegt; ihr Haushofmei-
ster darf keinen Stock führen, noch ihre Tafel mit doppelten
Tischtüchern bedeckt sein; auch dürfen sie die Schleppe ihrer Röcke
nicht von Frauen tragen lassen, sondern nur von einem Junker
oder Pagen."

Wo solche Bestimmungen das gesellige Leben regeln, da
paßt allerdings nicht eine anmuthige, leichte und gefällige Klei-
dung; sie würde nur dazu verleiten, übermüthig die Schranken

2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
und leeres Gepränge verachten müſſen. Aber er liebte die Pracht
und den Glanz und hielt das alles für nothwendig mit ſeiner
Würde verbunden, die er noch durch die Königskrone erhöhen
wollte. Er fügte ſich darum in Zwang und Formen und erhöhte
ſie eher, als er ſie verringerte. Es hat Fürſten gegeben wie Karl
den Großen, die den glänzendſten Hofſtaat hielten und inmitten
deſſelben an ſich ſelbſt die größtmögliche Einfachheit liebten;
Karl der Kühne gehörte nicht zu ihnen: er war der Prächtigſte
unter den Prächtigen ſeines Hofes.

Ein glücklicher Zufall hat uns über das burgundiſche Hof-
ceremoniell die Aufzeichnungen einer Dame dieſes Hofes, Alienor
von Poitiers, Vicomteſſe de Furnes, hinterlaſſen. Sie beſchreibt,
was ſie geſehen und erfahren hat, und ſetzt die Vorſchriften aufs
genauſte auseinander mit der vollſten Ueberzeugung ihrer unfehl-
baren Zweckmäßigkeit. Das ganze ſpätere Hofweſen findet hier
bereits ſein bis ins kleinſte ausgearbeitetes Muſter. Ein Beiſpiel
wird genügen, um die Detaillirung der Vorſchriften zu zeigen.
Daß Gräfinnen und Baroneſſen zur Verbrämung keinen gefleck-
ten Hermelin oder ſchwarzen Zobel tragen ſollen, noch Kleidungs-
ſtücke von gekräuſeltem Goldſtoff, noch in ihrem Hauſe ſich dieſes
Stoffes bedienen, ſondern ſich mit Sammet und Seide begnügen
ſollen, dergleichen ſelten eingehaltene Vorſchriften, beſtimmt den
Unterſchied der Stände aufrecht zu halten, finden ſich auch an-
derswo. Dann heißt es weiter: „Bei Tiſch können ſie von Edel-
leuten bedient werden, aber dieſelben dürfen die Serviette nicht
auf der Schulter, ſondern nur einfach unter dem Arm tragen;
ihr Brot darf nicht eingewickelt ſein, ſondern wird neben das
Meſſer auf eine untergebreitete Serviette gelegt; ihr Haushofmei-
ſter darf keinen Stock führen, noch ihre Tafel mit doppelten
Tiſchtüchern bedeckt ſein; auch dürfen ſie die Schleppe ihrer Röcke
nicht von Frauen tragen laſſen, ſondern nur von einem Junker
oder Pagen.“

Wo ſolche Beſtimmungen das geſellige Leben regeln, da
paßt allerdings nicht eine anmuthige, leichte und gefällige Klei-
dung; ſie würde nur dazu verleiten, übermüthig die Schranken

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[265/0283] 2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. und leeres Gepränge verachten müſſen. Aber er liebte die Pracht und den Glanz und hielt das alles für nothwendig mit ſeiner Würde verbunden, die er noch durch die Königskrone erhöhen wollte. Er fügte ſich darum in Zwang und Formen und erhöhte ſie eher, als er ſie verringerte. Es hat Fürſten gegeben wie Karl den Großen, die den glänzendſten Hofſtaat hielten und inmitten deſſelben an ſich ſelbſt die größtmögliche Einfachheit liebten; Karl der Kühne gehörte nicht zu ihnen: er war der Prächtigſte unter den Prächtigen ſeines Hofes. Ein glücklicher Zufall hat uns über das burgundiſche Hof- ceremoniell die Aufzeichnungen einer Dame dieſes Hofes, Alienor von Poitiers, Vicomteſſe de Furnes, hinterlaſſen. Sie beſchreibt, was ſie geſehen und erfahren hat, und ſetzt die Vorſchriften aufs genauſte auseinander mit der vollſten Ueberzeugung ihrer unfehl- baren Zweckmäßigkeit. Das ganze ſpätere Hofweſen findet hier bereits ſein bis ins kleinſte ausgearbeitetes Muſter. Ein Beiſpiel wird genügen, um die Detaillirung der Vorſchriften zu zeigen. Daß Gräfinnen und Baroneſſen zur Verbrämung keinen gefleck- ten Hermelin oder ſchwarzen Zobel tragen ſollen, noch Kleidungs- ſtücke von gekräuſeltem Goldſtoff, noch in ihrem Hauſe ſich dieſes Stoffes bedienen, ſondern ſich mit Sammet und Seide begnügen ſollen, dergleichen ſelten eingehaltene Vorſchriften, beſtimmt den Unterſchied der Stände aufrecht zu halten, finden ſich auch an- derswo. Dann heißt es weiter: „Bei Tiſch können ſie von Edel- leuten bedient werden, aber dieſelben dürfen die Serviette nicht auf der Schulter, ſondern nur einfach unter dem Arm tragen; ihr Brot darf nicht eingewickelt ſein, ſondern wird neben das Meſſer auf eine untergebreitete Serviette gelegt; ihr Haushofmei- ſter darf keinen Stock führen, noch ihre Tafel mit doppelten Tiſchtüchern bedeckt ſein; auch dürfen ſie die Schleppe ihrer Röcke nicht von Frauen tragen laſſen, ſondern nur von einem Junker oder Pagen.“ Wo ſolche Beſtimmungen das geſellige Leben regeln, da paßt allerdings nicht eine anmuthige, leichte und gefällige Klei- dung; ſie würde nur dazu verleiten, übermüthig die Schranken

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/283>, abgerufen am 06.05.2024.