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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
auf rothem Grund oder umgekehrt war von allen der kostbarste
Stoff im vierzehnten und funfzehnten Jahrhundert. Gelb war
besonders für den Kopfputz bei den Frauen beliebt, so sehr, daß
selbst die Prediger gegen die gelben Schleier und Gebende zu
Felde ziehen. "O we, gele gebende!" klagt Maria Magdalena in
einem Passionsspiel, da sie von der Reue ergriffen wird. Weiß
ist die Farbe der Jungfrauen, der Unschuld und Reinheit des
Herzens. In Weiß waren die Novizen der Ritterschaft gekleidet,
am Abend bevor ihnen das erforderliche Gelübde abgenommen
und die Zeichen der neuen Würde angelegt wurden. Ebenso klei-
deten sich die Könige und Königinnen von England am Vorabend
ihrer Krönung. Weiß war auch, wie wir schon früher bei Ludwig
dem Frommen gesehen, die Farbe des Täuflings; auch den Glocken,
die man taufen wollte, legte man ein weißes Hemd über. In
Frankreich gab es einen Ritterorden von der weißen Dame, ge-
gründet die Rechte aller artigen und züchtigen Damen zu be-
schützen. Weiß konnte auch die Freude bezeichnen. So zogen ein-
mal sieben Franzosen des Hauses Orleans, die ihre Gegner sieg-
reich bestanden hatten, in weißen Kleidern in Paris ein. Eine
sinnige Bedeutung der weißen Farbe hat sich noch vielfach bis
auf unsre Tage erhalten. Auch unter den Farben der Meßgewän-
der, wie sie mit den kirchlichen Jahreszeiten abwechseln, bedeutet
Weiß Unschuld und Freude, Roth aber Liebe und Opfer, Grün
die Hoffnung, Blau Demuth und Buße, Schwarz Tod und
Trauer. --

Die poetischen Kreise der Höfe nun beziehen alle Farben auf
die Liebe. Dichter des vierzehnten und funfzehnten Jahrhunderts,
welche mehr oder minder ausführlich von ihnen berichten, bleiben
in der Angabe der Bedeutungen so ziemlich gleich, doch finden
auch einige Abweichungen statt.

Grün ist der Liebe Anfang. Wer zum ersten Mal von der
Macht der Minne bezwungen oder wer noch frei von ihr ist, den
soll man in Grün schauen. Grün ist aber auch die Farbe der
irrenden Ritter, vermuthlich weil sie, auf der ewigen, ziellosen
Wanderung begriffen, immer so gut wie noch im Beginn ihrer

2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
auf rothem Grund oder umgekehrt war von allen der koſtbarſte
Stoff im vierzehnten und funfzehnten Jahrhundert. Gelb war
beſonders für den Kopfputz bei den Frauen beliebt, ſo ſehr, daß
ſelbſt die Prediger gegen die gelben Schleier und Gebende zu
Felde ziehen. „O we, gele gebende!“ klagt Maria Magdalena in
einem Paſſionsſpiel, da ſie von der Reue ergriffen wird. Weiß
iſt die Farbe der Jungfrauen, der Unſchuld und Reinheit des
Herzens. In Weiß waren die Novizen der Ritterſchaft gekleidet,
am Abend bevor ihnen das erforderliche Gelübde abgenommen
und die Zeichen der neuen Würde angelegt wurden. Ebenſo klei-
deten ſich die Könige und Königinnen von England am Vorabend
ihrer Krönung. Weiß war auch, wie wir ſchon früher bei Ludwig
dem Frommen geſehen, die Farbe des Täuflings; auch den Glocken,
die man taufen wollte, legte man ein weißes Hemd über. In
Frankreich gab es einen Ritterorden von der weißen Dame, ge-
gründet die Rechte aller artigen und züchtigen Damen zu be-
ſchützen. Weiß konnte auch die Freude bezeichnen. So zogen ein-
mal ſieben Franzoſen des Hauſes Orleans, die ihre Gegner ſieg-
reich beſtanden hatten, in weißen Kleidern in Paris ein. Eine
ſinnige Bedeutung der weißen Farbe hat ſich noch vielfach bis
auf unſre Tage erhalten. Auch unter den Farben der Meßgewän-
der, wie ſie mit den kirchlichen Jahreszeiten abwechſeln, bedeutet
Weiß Unſchuld und Freude, Roth aber Liebe und Opfer, Grün
die Hoffnung, Blau Demuth und Buße, Schwarz Tod und
Trauer. —

Die poetiſchen Kreiſe der Höfe nun beziehen alle Farben auf
die Liebe. Dichter des vierzehnten und funfzehnten Jahrhunderts,
welche mehr oder minder ausführlich von ihnen berichten, bleiben
in der Angabe der Bedeutungen ſo ziemlich gleich, doch finden
auch einige Abweichungen ſtatt.

Grün iſt der Liebe Anfang. Wer zum erſten Mal von der
Macht der Minne bezwungen oder wer noch frei von ihr iſt, den
ſoll man in Grün ſchauen. Grün iſt aber auch die Farbe der
irrenden Ritter, vermuthlich weil ſie, auf der ewigen, zielloſen
Wanderung begriffen, immer ſo gut wie noch im Beginn ihrer

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[255/0273] 2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. auf rothem Grund oder umgekehrt war von allen der koſtbarſte Stoff im vierzehnten und funfzehnten Jahrhundert. Gelb war beſonders für den Kopfputz bei den Frauen beliebt, ſo ſehr, daß ſelbſt die Prediger gegen die gelben Schleier und Gebende zu Felde ziehen. „O we, gele gebende!“ klagt Maria Magdalena in einem Paſſionsſpiel, da ſie von der Reue ergriffen wird. Weiß iſt die Farbe der Jungfrauen, der Unſchuld und Reinheit des Herzens. In Weiß waren die Novizen der Ritterſchaft gekleidet, am Abend bevor ihnen das erforderliche Gelübde abgenommen und die Zeichen der neuen Würde angelegt wurden. Ebenſo klei- deten ſich die Könige und Königinnen von England am Vorabend ihrer Krönung. Weiß war auch, wie wir ſchon früher bei Ludwig dem Frommen geſehen, die Farbe des Täuflings; auch den Glocken, die man taufen wollte, legte man ein weißes Hemd über. In Frankreich gab es einen Ritterorden von der weißen Dame, ge- gründet die Rechte aller artigen und züchtigen Damen zu be- ſchützen. Weiß konnte auch die Freude bezeichnen. So zogen ein- mal ſieben Franzoſen des Hauſes Orleans, die ihre Gegner ſieg- reich beſtanden hatten, in weißen Kleidern in Paris ein. Eine ſinnige Bedeutung der weißen Farbe hat ſich noch vielfach bis auf unſre Tage erhalten. Auch unter den Farben der Meßgewän- der, wie ſie mit den kirchlichen Jahreszeiten abwechſeln, bedeutet Weiß Unſchuld und Freude, Roth aber Liebe und Opfer, Grün die Hoffnung, Blau Demuth und Buße, Schwarz Tod und Trauer. — Die poetiſchen Kreiſe der Höfe nun beziehen alle Farben auf die Liebe. Dichter des vierzehnten und funfzehnten Jahrhunderts, welche mehr oder minder ausführlich von ihnen berichten, bleiben in der Angabe der Bedeutungen ſo ziemlich gleich, doch finden auch einige Abweichungen ſtatt. Grün iſt der Liebe Anfang. Wer zum erſten Mal von der Macht der Minne bezwungen oder wer noch frei von ihr iſt, den ſoll man in Grün ſchauen. Grün iſt aber auch die Farbe der irrenden Ritter, vermuthlich weil ſie, auf der ewigen, zielloſen Wanderung begriffen, immer ſo gut wie noch im Beginn ihrer

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/273>, abgerufen am 25.11.2024.