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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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1. Urzeit und Urzustände.
mit steigender Civilisation und mit dem Hereinbrechen römi-
scher Formen auf das niedere Volk über, bei dem er noch
lange blieb, wenn auch nicht, ohne sich seinerseits ein wenig ro-
manisiren zu lassen. Indessen stoßen wir noch in der Zeit der
Völkerwanderung, noch in der Mitte des 6. Jahrhunderts, auf
Völkerschaften, welche Brust und Rücken unbedeckt hatten, also
der großen Mehrzahl nach den engen Rock nicht kannten.

Von einer Beinbekleidung oder bestimmt von Hosen,
wie sie Gallier und Dacier trugen und wie sie von jenen auf die
Römer übergingen, findet sich in den ersten Jahrhunderten in
Bezug auf die Germanen keine Spur, und es ist umsomehr an-
zunehmen, daß dieselben ihnen im Allgemeinen unbekannt wa-
ren, als Tacitus, der am genauesten von der Kleidung berichtet,
ihrer durchaus nicht gedenkt, und später noch die Nacktheit ger-
manischer Beine aufs bestimmteste versichert wird. Von den Lan-
gobarden sagt Paulus Diaconus geradezu, daß sie Hosen -- er
bedient sich schon dieses Wortes -- von den Römern angenom-
men hätten. Doch giebt es auch Ausnahmen, wie z. B. die Go-
then im 4. Jahrhundert in Hosen und einer eigenen Art von
Stiefeln erscheinen, aber das war im fernen Osten an der Mün-
dung der Donau, und als sie sich hier zeigten, hatten sie bereits
an der Nordseite des schwarzen Meeres in langem Verkehr mit
sarmatischen und scythischen Völkerschaften gestanden.

Die dürftige Kleidung germanischer Männer erhält eine be-
deutende Ergänzung durch Pelze. Ihr Gebrauch ist nicht bloß
durch die Nothwendigkeit hervorgerufen, um sich gegen die Kälte
zu schützen, denn schon in ältester Zeit pflegten sie nur einen klei-
nen Theil des Körpers zu bedecken, und von Anfang an waren
sie bereits vielfach ein Luxusartikel, wie sich denn die Vorliebe für
sie in gleicher Weise durch das ganze Mittelalter erhalten hat.
Unbewußt mochte sich mit dieser Tracht, wenn die rauhe Seite
nach außen gekehrt war, der Gedanke einstellen, daß sie dem
Mann ein kriegerisches und wilderes Ansehen gäbe, gleich dem
freien Thier des Waldes. Die Völkerschaften am Rhein legten

1. Urzeit und Urzuſtände.
mit ſteigender Civiliſation und mit dem Hereinbrechen römi-
ſcher Formen auf das niedere Volk über, bei dem er noch
lange blieb, wenn auch nicht, ohne ſich ſeinerſeits ein wenig ro-
maniſiren zu laſſen. Indeſſen ſtoßen wir noch in der Zeit der
Völkerwanderung, noch in der Mitte des 6. Jahrhunderts, auf
Völkerſchaften, welche Bruſt und Rücken unbedeckt hatten, alſo
der großen Mehrzahl nach den engen Rock nicht kannten.

Von einer Beinbekleidung oder beſtimmt von Hoſen,
wie ſie Gallier und Dacier trugen und wie ſie von jenen auf die
Römer übergingen, findet ſich in den erſten Jahrhunderten in
Bezug auf die Germanen keine Spur, und es iſt umſomehr an-
zunehmen, daß dieſelben ihnen im Allgemeinen unbekannt wa-
ren, als Tacitus, der am genaueſten von der Kleidung berichtet,
ihrer durchaus nicht gedenkt, und ſpäter noch die Nacktheit ger-
maniſcher Beine aufs beſtimmteſte verſichert wird. Von den Lan-
gobarden ſagt Paulus Diaconus geradezu, daß ſie Hoſen — er
bedient ſich ſchon dieſes Wortes — von den Römern angenom-
men hätten. Doch giebt es auch Ausnahmen, wie z. B. die Go-
then im 4. Jahrhundert in Hoſen und einer eigenen Art von
Stiefeln erſcheinen, aber das war im fernen Oſten an der Mün-
dung der Donau, und als ſie ſich hier zeigten, hatten ſie bereits
an der Nordſeite des ſchwarzen Meeres in langem Verkehr mit
ſarmatiſchen und ſcythiſchen Völkerſchaften geſtanden.

Die dürftige Kleidung germaniſcher Männer erhält eine be-
deutende Ergänzung durch Pelze. Ihr Gebrauch iſt nicht bloß
durch die Nothwendigkeit hervorgerufen, um ſich gegen die Kälte
zu ſchützen, denn ſchon in älteſter Zeit pflegten ſie nur einen klei-
nen Theil des Körpers zu bedecken, und von Anfang an waren
ſie bereits vielfach ein Luxusartikel, wie ſich denn die Vorliebe für
ſie in gleicher Weiſe durch das ganze Mittelalter erhalten hat.
Unbewußt mochte ſich mit dieſer Tracht, wenn die rauhe Seite
nach außen gekehrt war, der Gedanke einſtellen, daß ſie dem
Mann ein kriegeriſches und wilderes Anſehen gäbe, gleich dem
freien Thier des Waldes. Die Völkerſchaften am Rhein legten

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[5/0023] 1. Urzeit und Urzuſtände. mit ſteigender Civiliſation und mit dem Hereinbrechen römi- ſcher Formen auf das niedere Volk über, bei dem er noch lange blieb, wenn auch nicht, ohne ſich ſeinerſeits ein wenig ro- maniſiren zu laſſen. Indeſſen ſtoßen wir noch in der Zeit der Völkerwanderung, noch in der Mitte des 6. Jahrhunderts, auf Völkerſchaften, welche Bruſt und Rücken unbedeckt hatten, alſo der großen Mehrzahl nach den engen Rock nicht kannten. Von einer Beinbekleidung oder beſtimmt von Hoſen, wie ſie Gallier und Dacier trugen und wie ſie von jenen auf die Römer übergingen, findet ſich in den erſten Jahrhunderten in Bezug auf die Germanen keine Spur, und es iſt umſomehr an- zunehmen, daß dieſelben ihnen im Allgemeinen unbekannt wa- ren, als Tacitus, der am genaueſten von der Kleidung berichtet, ihrer durchaus nicht gedenkt, und ſpäter noch die Nacktheit ger- maniſcher Beine aufs beſtimmteſte verſichert wird. Von den Lan- gobarden ſagt Paulus Diaconus geradezu, daß ſie Hoſen — er bedient ſich ſchon dieſes Wortes — von den Römern angenom- men hätten. Doch giebt es auch Ausnahmen, wie z. B. die Go- then im 4. Jahrhundert in Hoſen und einer eigenen Art von Stiefeln erſcheinen, aber das war im fernen Oſten an der Mün- dung der Donau, und als ſie ſich hier zeigten, hatten ſie bereits an der Nordſeite des ſchwarzen Meeres in langem Verkehr mit ſarmatiſchen und ſcythiſchen Völkerſchaften geſtanden. Die dürftige Kleidung germaniſcher Männer erhält eine be- deutende Ergänzung durch Pelze. Ihr Gebrauch iſt nicht bloß durch die Nothwendigkeit hervorgerufen, um ſich gegen die Kälte zu ſchützen, denn ſchon in älteſter Zeit pflegten ſie nur einen klei- nen Theil des Körpers zu bedecken, und von Anfang an waren ſie bereits vielfach ein Luxusartikel, wie ſich denn die Vorliebe für ſie in gleicher Weiſe durch das ganze Mittelalter erhalten hat. Unbewußt mochte ſich mit dieſer Tracht, wenn die rauhe Seite nach außen gekehrt war, der Gedanke einſtellen, daß ſie dem Mann ein kriegeriſches und wilderes Anſehen gäbe, gleich dem freien Thier des Waldes. Die Völkerſchaften am Rhein legten

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/23>, abgerufen am 25.11.2024.