Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. immer das Ehrenkleid des Standes. Im Allgemeinen aber tratder Mantel schon seit dem dreizehnten Jahrhundert mehr und mehr vor dem Oberrock zurück, endlich fast bis zum völligen Ver- schwinden. Seine nahende Niederlage kündigte er dadurch an, daß er seinen eigentlichen Charakter zu ändern anfing, indem die Seiten auf der Schulter und später ganz herunter zugenäht wur- den, und er nunmehr glockenförmig über den Kopf gezogen oder geworfen werden mußte. Er wurde dadurch ein Mittelding zwi- schen Rock und Mantel. In dieser Form erhielt er den Namen Hoike; so trugen ihn Männer wie Frauen. Die Limburger Chronik erwähnt ihrer nach dem Jahre 1351: "Auch trugen sie Hoiken, die waren all um rund und ganz. Das hieße man Glocken, die waren weit, lang und kurz." Gleichzeitig spricht sie von einer Art von Hoiken, die bis auf die Füße herabreichten und vorn von oben bis unten herab zugeknöpft waren. Hier war die Entfernung vom Mantel schon wieder um einen Schritt vergrö- ßert. Gefüttert waren die Mäntel und Hoiken mit aller Art von feinem Pelz, nach Stand, Vermögen und nach Zulaß der Klei- derordnungen, oder mit andersfarbigem Stoff von Wolle oder Seide. Das Wort Hoike ist arabischen Ursprungs. Mehr noch als der Mantel und sein Stellvertreter, die 2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. immer das Ehrenkleid des Standes. Im Allgemeinen aber tratder Mantel ſchon ſeit dem dreizehnten Jahrhundert mehr und mehr vor dem Oberrock zurück, endlich faſt bis zum völligen Ver- ſchwinden. Seine nahende Niederlage kündigte er dadurch an, daß er ſeinen eigentlichen Charakter zu ändern anfing, indem die Seiten auf der Schulter und ſpäter ganz herunter zugenäht wur- den, und er nunmehr glockenförmig über den Kopf gezogen oder geworfen werden mußte. Er wurde dadurch ein Mittelding zwi- ſchen Rock und Mantel. In dieſer Form erhielt er den Namen Hoike; ſo trugen ihn Männer wie Frauen. Die Limburger Chronik erwähnt ihrer nach dem Jahre 1351: „Auch trugen ſie Hoiken, die waren all um rund und ganz. Das hieße man Glocken, die waren weit, lang und kurz.“ Gleichzeitig ſpricht ſie von einer Art von Hoiken, die bis auf die Füße herabreichten und vorn von oben bis unten herab zugeknöpft waren. Hier war die Entfernung vom Mantel ſchon wieder um einen Schritt vergrö- ßert. Gefüttert waren die Mäntel und Hoiken mit aller Art von feinem Pelz, nach Stand, Vermögen und nach Zulaß der Klei- derordnungen, oder mit andersfarbigem Stoff von Wolle oder Seide. Das Wort Hoike iſt arabiſchen Urſprungs. Mehr noch als der Mantel und ſein Stellvertreter, die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0225" n="207"/><fw place="top" type="header">2. 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2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
immer das Ehrenkleid des Standes. Im Allgemeinen aber trat
der Mantel ſchon ſeit dem dreizehnten Jahrhundert mehr und
mehr vor dem Oberrock zurück, endlich faſt bis zum völligen Ver-
ſchwinden. Seine nahende Niederlage kündigte er dadurch an,
daß er ſeinen eigentlichen Charakter zu ändern anfing, indem die
Seiten auf der Schulter und ſpäter ganz herunter zugenäht wur-
den, und er nunmehr glockenförmig über den Kopf gezogen oder
geworfen werden mußte. Er wurde dadurch ein Mittelding zwi-
ſchen Rock und Mantel. In dieſer Form erhielt er den Namen
Hoike; ſo trugen ihn Männer wie Frauen. Die Limburger
Chronik erwähnt ihrer nach dem Jahre 1351: „Auch trugen ſie
Hoiken, die waren all um rund und ganz. Das hieße man
Glocken, die waren weit, lang und kurz.“ Gleichzeitig ſpricht ſie
von einer Art von Hoiken, die bis auf die Füße herabreichten und
vorn von oben bis unten herab zugeknöpft waren. Hier war die
Entfernung vom Mantel ſchon wieder um einen Schritt vergrö-
ßert. Gefüttert waren die Mäntel und Hoiken mit aller Art von
feinem Pelz, nach Stand, Vermögen und nach Zulaß der Klei-
derordnungen, oder mit andersfarbigem Stoff von Wolle oder
Seide. Das Wort Hoike iſt arabiſchen Urſprungs.
Mehr noch als der Mantel und ſein Stellvertreter, die
Hoike, war ſeit der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts der
Trappert als Oberkleid in Gebrauch. Es war aber eigentlich
nur ein neuer Name für die alte Sache, obwohl auch dieſe ſich
formell geändert hatte. Der Trappert ſetzt den alten Oberrock fort,
um ſpäter wieder der Schaube zu weichen. Das Wort ſelbſt wird
aus dem Celtiſchen hergeleitet und hat im Franzöſiſchen, wo es
ſchon früher als ein langes Obergewand vorkommt, ſeine ſpätere
Form erhalten. Im Deutſchen ſagte man zu jener Zeit Trapp-
hart, Trappert und Tappert. Alle Formen des Oberrocks wur-
den damals mit dieſem Wort bezeichnet, obwohl ſich local auch
ſchon die Schaube als Joppe und Juppe findet. Er iſt von mä-
ßiger Weite, über den Hüften gegürtet und — wenigſtens am
Ausgang des Jahrhunderts — bis zu den Füßen herabfallend,
aber von hier aufwärts bis zum Gürtel geſpalten, um das koſtbare
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