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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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II. Das Mittelalter.
gängig kurz und gesteppt war. Obwohl es somit zur Rüstung
gehörte, war doch nicht ausgeschlossen, daß es der Ritter auch
ohne das Kettenhemd tragen konnte, wenn er der Ruhe pflegte.
In der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts aber, also in einer
Zeit, wo das Kettenhemd noch immer das Hauptstück der Rüstung
war, findet sich das Wamms als selbstständiges Stück in den
Kleiderordnungen neben dem Rock erwähnt. Die Speierer Ord-
nung (1356) stellt es noch zu der Kleidung des Ritters und Rei-
ters und will es als solches in seiner Kürze nicht beschränken; der
Rath von Straßburg aber (1370) behandelt es als eine gewöhn-
liche Tracht des Bürgers und unterwirft es mit dem Rock densel-
ben Bestimmungen. Doch unterscheidet er ein "reisiges Wamms",
das er gleich dem Reitrock des Ritters vom Gesetz ausnimmt.
Wodurch das Wamms von der Schecke des Bürgers verschieden
war, dürfte sich schwer bestimmen lassen.

Der Lendner, dessen wir schon am Schluß des vorigen Ka-
pitels in Kürze gedacht haben, verdankt seine Entstehung dem
Waffenrock und blieb, was er war, ein Stück der Kriegstracht.
Wie unter dem Kettenhemd das Wamms, so lag über demselben
schon in sehr früher Zeit der Waffen- oder Wappenrock, ein lan-
ges, weites Gewand, mit den Farben oder dem Wappen seines
ritterlichen Trägers geschmückt. Der Wappenrock mußte mitsammt
dem Panzerhemd die Wandlungen der Mode mitmachen. Seit
dem Beginn des vierzehnten Jahrhunderts verkürzte sich das letz-
tere nicht bloß, sondern legte sich auch immer enger um die Hüf-
ten. Grade dasselbe geschah auch mit dem Wappenrock; es läßt
sich genau verfolgen, wie beide allmählig Taille gewinnen. Nun
kamen aber andre Dinge hinzu, die mitwirkend in den Gang der
Mode eingriffen, das war die Einführung des Schießpulvers in
das Kriegswesen, und vielleicht im Anfange noch mehr die eng-
lische Armbrust. Den scharfen Bolzen oder den kurzen, eisenge-
spitzten Pfeilen leistete das Kettengeflecht zu wenig Widerstand,
und man sah sich daher nach weiterem Schutze um. In Folge
desselben erlitt der Wappenrock eine durchgreifende Veränderung:
er wurde aus der bloßen Zierde, aus einem Luxuskleid eine

II. Das Mittelalter.
gängig kurz und geſteppt war. Obwohl es ſomit zur Rüſtung
gehörte, war doch nicht ausgeſchloſſen, daß es der Ritter auch
ohne das Kettenhemd tragen konnte, wenn er der Ruhe pflegte.
In der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts aber, alſo in einer
Zeit, wo das Kettenhemd noch immer das Hauptſtück der Rüſtung
war, findet ſich das Wamms als ſelbſtſtändiges Stück in den
Kleiderordnungen neben dem Rock erwähnt. Die Speierer Ord-
nung (1356) ſtellt es noch zu der Kleidung des Ritters und Rei-
ters und will es als ſolches in ſeiner Kürze nicht beſchränken; der
Rath von Straßburg aber (1370) behandelt es als eine gewöhn-
liche Tracht des Bürgers und unterwirft es mit dem Rock denſel-
ben Beſtimmungen. Doch unterſcheidet er ein „reiſiges Wamms“,
das er gleich dem Reitrock des Ritters vom Geſetz ausnimmt.
Wodurch das Wamms von der Schecke des Bürgers verſchieden
war, dürfte ſich ſchwer beſtimmen laſſen.

Der Lendner, deſſen wir ſchon am Schluß des vorigen Ka-
pitels in Kürze gedacht haben, verdankt ſeine Entſtehung dem
Waffenrock und blieb, was er war, ein Stück der Kriegstracht.
Wie unter dem Kettenhemd das Wamms, ſo lag über demſelben
ſchon in ſehr früher Zeit der Waffen- oder Wappenrock, ein lan-
ges, weites Gewand, mit den Farben oder dem Wappen ſeines
ritterlichen Trägers geſchmückt. Der Wappenrock mußte mitſammt
dem Panzerhemd die Wandlungen der Mode mitmachen. Seit
dem Beginn des vierzehnten Jahrhunderts verkürzte ſich das letz-
tere nicht bloß, ſondern legte ſich auch immer enger um die Hüf-
ten. Grade daſſelbe geſchah auch mit dem Wappenrock; es läßt
ſich genau verfolgen, wie beide allmählig Taille gewinnen. Nun
kamen aber andre Dinge hinzu, die mitwirkend in den Gang der
Mode eingriffen, das war die Einführung des Schießpulvers in
das Kriegsweſen, und vielleicht im Anfange noch mehr die eng-
liſche Armbruſt. Den ſcharfen Bolzen oder den kurzen, eiſenge-
ſpitzten Pfeilen leiſtete das Kettengeflecht zu wenig Widerſtand,
und man ſah ſich daher nach weiterem Schutze um. In Folge
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[200/0218] II. Das Mittelalter. gängig kurz und geſteppt war. Obwohl es ſomit zur Rüſtung gehörte, war doch nicht ausgeſchloſſen, daß es der Ritter auch ohne das Kettenhemd tragen konnte, wenn er der Ruhe pflegte. In der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts aber, alſo in einer Zeit, wo das Kettenhemd noch immer das Hauptſtück der Rüſtung war, findet ſich das Wamms als ſelbſtſtändiges Stück in den Kleiderordnungen neben dem Rock erwähnt. Die Speierer Ord- nung (1356) ſtellt es noch zu der Kleidung des Ritters und Rei- ters und will es als ſolches in ſeiner Kürze nicht beſchränken; der Rath von Straßburg aber (1370) behandelt es als eine gewöhn- liche Tracht des Bürgers und unterwirft es mit dem Rock denſel- ben Beſtimmungen. Doch unterſcheidet er ein „reiſiges Wamms“, das er gleich dem Reitrock des Ritters vom Geſetz ausnimmt. Wodurch das Wamms von der Schecke des Bürgers verſchieden war, dürfte ſich ſchwer beſtimmen laſſen. Der Lendner, deſſen wir ſchon am Schluß des vorigen Ka- pitels in Kürze gedacht haben, verdankt ſeine Entſtehung dem Waffenrock und blieb, was er war, ein Stück der Kriegstracht. Wie unter dem Kettenhemd das Wamms, ſo lag über demſelben ſchon in ſehr früher Zeit der Waffen- oder Wappenrock, ein lan- ges, weites Gewand, mit den Farben oder dem Wappen ſeines ritterlichen Trägers geſchmückt. Der Wappenrock mußte mitſammt dem Panzerhemd die Wandlungen der Mode mitmachen. Seit dem Beginn des vierzehnten Jahrhunderts verkürzte ſich das letz- tere nicht bloß, ſondern legte ſich auch immer enger um die Hüf- ten. Grade daſſelbe geſchah auch mit dem Wappenrock; es läßt ſich genau verfolgen, wie beide allmählig Taille gewinnen. Nun kamen aber andre Dinge hinzu, die mitwirkend in den Gang der Mode eingriffen, das war die Einführung des Schießpulvers in das Kriegsweſen, und vielleicht im Anfange noch mehr die eng- liſche Armbruſt. Den ſcharfen Bolzen oder den kurzen, eiſenge- ſpitzten Pfeilen leiſtete das Kettengeflecht zu wenig Widerſtand, und man ſah ſich daher nach weiterem Schutze um. In Folge deſſelben erlitt der Wappenrock eine durchgreifende Veränderung: er wurde aus der bloßen Zierde, aus einem Luxuskleid eine

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/218>, abgerufen am 28.11.2024.