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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
mit merkwürdiger Uebereinstimmung gleichzeitig nachweisen läßt.
Froissart, freilich ein späterer Geschichtschreiber, erzählt, daß
Heinrich (IV.) von Lancaster bei seinem Einzug in London (1399)
eine courte jacque von Goldstoff a la fachon d'Almayne ge-
tragen habe. Der kurze Rock, Röcklein, daher bei den Franzosen
roquette und bei den Engländern rocket genannt, sei, so meint
man, aus Deutschland nach England gekommen unter dem volks-
thümlichen Namen "Hanselein", welche Bezeichnung Chaucer in
seinen Canterbury tales giebt. Hanselein hätten nun die Eng-
länder in das ihnen mundgerechtere Jack (Jacob) umgetauft,
woraus denn bei den Franzosen jacque geworden, obwohl sie den
gewöhnlichen Namen cote-hardie (cotardia) dafür haben. Diese
Benennung des kurzen Rockes ist wieder nach Deutschland zurück-
gekommen als Schecke oder Scheckenrock, worin wir die eng-
lische Aussprache erkennen. Unwahrscheinliches dürfte nicht darin
liegen. Die Limburger Chronik erwähnt ihrer zum Jahr 1389,
früher aber noch die Straßburger Chronik des Jakob Twinger
von Königshofen. Es ist bekannt, wie im Jahr 1365 aus den
französisch-englischen Kriegen ein Haufe Engländer plündernd ins
Elsaß eindrang. Von diesen wird gesagt, sie hätten lange Kleider
und Schecken getragen, was wohl so zu verstehen ist, daß sie
den kurzen Rock unter langen Oberkleidern trugen. Wenn der
Chronist hinzufügt: davon kam die Sitte aus zu Straßburg, daß
man lange Kleider und Schecken und Beingewand und spitze
Hauben gerieth zu machen, das vorher zu Straßburg ungewöhn-
lich war," -- so mag das theils local sein, theils ist es ungenau:
denn die frühere Kleidung war im Elsaß lang wie überall.

Neben der Schecke, der Friedenstracht des Ritters wie des
Bürgers, finden sich noch zwei andere Namen im Gebrauch,
Wamms und Lendner. Der letztere gehört der Rüstung an
und wird nur aus der Aehnlichkeit auf den Scheckenrock übertra-
gen, das erstere verdankt ihr wenigstens seinen Ursprung. So
lange man das Kettenhemd trug, bedurfte man, um sich vor dem
Druck der Ringe und der Schwere des Eisens zu schützen, eines
dicken, festen Kleidungsstückes unter demselben, das wohl durch-

2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
mit merkwürdiger Uebereinſtimmung gleichzeitig nachweiſen läßt.
Froiſſart, freilich ein ſpäterer Geſchichtſchreiber, erzählt, daß
Heinrich (IV.) von Lancaſter bei ſeinem Einzug in London (1399)
eine courte jacque von Goldſtoff à la fachon d’Almayne ge-
tragen habe. Der kurze Rock, Röcklein, daher bei den Franzoſen
roquette und bei den Engländern rocket genannt, ſei, ſo meint
man, aus Deutſchland nach England gekommen unter dem volks-
thümlichen Namen „Hanſelein“, welche Bezeichnung Chaucer in
ſeinen Canterbury tales giebt. Hanſelein hätten nun die Eng-
länder in das ihnen mundgerechtere Jack (Jacob) umgetauft,
woraus denn bei den Franzoſen jacque geworden, obwohl ſie den
gewöhnlichen Namen cote-hardie (cotardia) dafür haben. Dieſe
Benennung des kurzen Rockes iſt wieder nach Deutſchland zurück-
gekommen als Schecke oder Scheckenrock, worin wir die eng-
liſche Ausſprache erkennen. Unwahrſcheinliches dürfte nicht darin
liegen. Die Limburger Chronik erwähnt ihrer zum Jahr 1389,
früher aber noch die Straßburger Chronik des Jakob Twinger
von Königshofen. Es iſt bekannt, wie im Jahr 1365 aus den
franzöſiſch-engliſchen Kriegen ein Haufe Engländer plündernd ins
Elſaß eindrang. Von dieſen wird geſagt, ſie hätten lange Kleider
und Schecken getragen, was wohl ſo zu verſtehen iſt, daß ſie
den kurzen Rock unter langen Oberkleidern trugen. Wenn der
Chroniſt hinzufügt: davon kam die Sitte aus zu Straßburg, daß
man lange Kleider und Schecken und Beingewand und ſpitze
Hauben gerieth zu machen, das vorher zu Straßburg ungewöhn-
lich war,“ — ſo mag das theils local ſein, theils iſt es ungenau:
denn die frühere Kleidung war im Elſaß lang wie überall.

Neben der Schecke, der Friedenstracht des Ritters wie des
Bürgers, finden ſich noch zwei andere Namen im Gebrauch,
Wamms und Lendner. Der letztere gehört der Rüſtung an
und wird nur aus der Aehnlichkeit auf den Scheckenrock übertra-
gen, das erſtere verdankt ihr wenigſtens ſeinen Urſprung. So
lange man das Kettenhemd trug, bedurfte man, um ſich vor dem
Druck der Ringe und der Schwere des Eiſens zu ſchützen, eines
dicken, feſten Kleidungsſtückes unter demſelben, das wohl durch-

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[199/0217] 2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. mit merkwürdiger Uebereinſtimmung gleichzeitig nachweiſen läßt. Froiſſart, freilich ein ſpäterer Geſchichtſchreiber, erzählt, daß Heinrich (IV.) von Lancaſter bei ſeinem Einzug in London (1399) eine courte jacque von Goldſtoff à la fachon d’Almayne ge- tragen habe. Der kurze Rock, Röcklein, daher bei den Franzoſen roquette und bei den Engländern rocket genannt, ſei, ſo meint man, aus Deutſchland nach England gekommen unter dem volks- thümlichen Namen „Hanſelein“, welche Bezeichnung Chaucer in ſeinen Canterbury tales giebt. Hanſelein hätten nun die Eng- länder in das ihnen mundgerechtere Jack (Jacob) umgetauft, woraus denn bei den Franzoſen jacque geworden, obwohl ſie den gewöhnlichen Namen cote-hardie (cotardia) dafür haben. Dieſe Benennung des kurzen Rockes iſt wieder nach Deutſchland zurück- gekommen als Schecke oder Scheckenrock, worin wir die eng- liſche Ausſprache erkennen. Unwahrſcheinliches dürfte nicht darin liegen. Die Limburger Chronik erwähnt ihrer zum Jahr 1389, früher aber noch die Straßburger Chronik des Jakob Twinger von Königshofen. Es iſt bekannt, wie im Jahr 1365 aus den franzöſiſch-engliſchen Kriegen ein Haufe Engländer plündernd ins Elſaß eindrang. Von dieſen wird geſagt, ſie hätten lange Kleider und Schecken getragen, was wohl ſo zu verſtehen iſt, daß ſie den kurzen Rock unter langen Oberkleidern trugen. Wenn der Chroniſt hinzufügt: davon kam die Sitte aus zu Straßburg, daß man lange Kleider und Schecken und Beingewand und ſpitze Hauben gerieth zu machen, das vorher zu Straßburg ungewöhn- lich war,“ — ſo mag das theils local ſein, theils iſt es ungenau: denn die frühere Kleidung war im Elſaß lang wie überall. Neben der Schecke, der Friedenstracht des Ritters wie des Bürgers, finden ſich noch zwei andere Namen im Gebrauch, Wamms und Lendner. Der letztere gehört der Rüſtung an und wird nur aus der Aehnlichkeit auf den Scheckenrock übertra- gen, das erſtere verdankt ihr wenigſtens ſeinen Urſprung. So lange man das Kettenhemd trug, bedurfte man, um ſich vor dem Druck der Ringe und der Schwere des Eiſens zu ſchützen, eines dicken, feſten Kleidungsſtückes unter demſelben, das wohl durch-

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/217>, abgerufen am 24.11.2024.