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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
trifft, so begnügte man sich, den höhern Würdenträgern der
Kirche zu empfehlen, daß sie die ihnen untergebenen Geistlichen
anhalten, sich ihrem Stande gemäß zu kleiden und alle ungezie-
mende Kostbarkeit abzustellen. Man enthielt sich weiter ins Ein-
zelne einzugehen, nur die Kürze des Rockes und des Mantels traf
eine specielle Bestimmung: beide sollen in der Länge gemacht
werden, daß sie hinten und vorn ziemlich wohl decken mögen.

Im nächsten Jahr 1498 wurden auf dem Reichstag zu
Freiburg im Breisgau diese Artikel noch einmal vorgenommen,
bestätigt und ihnen noch einiges hinzugefügt. Auch für den
Handwerksmann sollte der Stoff zu Röcken und Mänteln nur
1/2 Gulden kosten und zwar sollte er inländisches Fabrikat sein,
für Kappen und Hosen war der Stoff zu 3/4 Gulden erlaubt.
Aller Schmuck, Sammet, Seide, Schamlot und buntgestickte
Kleidung wurde ihm verboten. "Reisigen Knechten", wie die Ver-
ordnung sie bezeichnet, wurde Gold, Silber und Seide verboten;
auch sollten sie kein "Brusttuch" tragen, noch goldene oder silberne
Hauben -- die einzelnen Gegenstände und Bezeichnungen finden
später ihre Erklärung --, nicht einmal besetzen durften sie ihre
Kleider mit Seide. Ein in Falten gelegtes, mit Gold und Sil-
ber gesticktes Hemd blieb den Fürsten und ihren Angehörigen
nebst den Grafen und dem niedern Adel, falls es Ritter oder
Doctoren waren, vorbehalten. Der Doctor stand damals an
Rang und Ehren dem Ritter gleich. Adligen, die nicht Ritter
oder Doctoren sind, waren Perlen und Gold in den Brusttüchern
und Hemden verboten.

Die Durchführung dieser Beschlüsse hing von dem guten
Willen der einzelnen Fürsten und Städte ab. Es scheint sich aber
kein Eifer darin gezeigt zu haben, und so mußte die Angelegen-
heit im Jahr 1500 auf dem Reichstag zu Augsburg zum dritten
Mal vorgenommen werden. Nun wurde "den Kurfürsten, Fürsten
oder andern Obrigkeiten, weß Würden, Wesen oder Standes sie
seien, bei Vermeidung kaiserlicher Ungnade und Strafe" aufgege-
ben, daß sie die Reichstagsbeschlüsse in Betreff der "Ueberflüssig-
keit der Kleider" in ihren Landen in Ausführung zu bringen

2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
trifft, ſo begnügte man ſich, den höhern Würdenträgern der
Kirche zu empfehlen, daß ſie die ihnen untergebenen Geiſtlichen
anhalten, ſich ihrem Stande gemäß zu kleiden und alle ungezie-
mende Koſtbarkeit abzuſtellen. Man enthielt ſich weiter ins Ein-
zelne einzugehen, nur die Kürze des Rockes und des Mantels traf
eine ſpecielle Beſtimmung: beide ſollen in der Länge gemacht
werden, daß ſie hinten und vorn ziemlich wohl decken mögen.

Im nächſten Jahr 1498 wurden auf dem Reichstag zu
Freiburg im Breisgau dieſe Artikel noch einmal vorgenommen,
beſtätigt und ihnen noch einiges hinzugefügt. Auch für den
Handwerksmann ſollte der Stoff zu Röcken und Mänteln nur
½ Gulden koſten und zwar ſollte er inländiſches Fabrikat ſein,
für Kappen und Hoſen war der Stoff zu ¾ Gulden erlaubt.
Aller Schmuck, Sammet, Seide, Schamlot und buntgeſtickte
Kleidung wurde ihm verboten. „Reiſigen Knechten“, wie die Ver-
ordnung ſie bezeichnet, wurde Gold, Silber und Seide verboten;
auch ſollten ſie kein „Bruſttuch“ tragen, noch goldene oder ſilberne
Hauben — die einzelnen Gegenſtände und Bezeichnungen finden
ſpäter ihre Erklärung —, nicht einmal beſetzen durften ſie ihre
Kleider mit Seide. Ein in Falten gelegtes, mit Gold und Sil-
ber geſticktes Hemd blieb den Fürſten und ihren Angehörigen
nebſt den Grafen und dem niedern Adel, falls es Ritter oder
Doctoren waren, vorbehalten. Der Doctor ſtand damals an
Rang und Ehren dem Ritter gleich. Adligen, die nicht Ritter
oder Doctoren ſind, waren Perlen und Gold in den Bruſttüchern
und Hemden verboten.

Die Durchführung dieſer Beſchlüſſe hing von dem guten
Willen der einzelnen Fürſten und Städte ab. Es ſcheint ſich aber
kein Eifer darin gezeigt zu haben, und ſo mußte die Angelegen-
heit im Jahr 1500 auf dem Reichstag zu Augsburg zum dritten
Mal vorgenommen werden. Nun wurde „den Kurfürſten, Fürſten
oder andern Obrigkeiten, weß Würden, Weſen oder Standes ſie
ſeien, bei Vermeidung kaiſerlicher Ungnade und Strafe“ aufgege-
ben, daß ſie die Reichstagsbeſchlüſſe in Betreff der „Ueberflüſſig-
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[191/0209] 2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. trifft, ſo begnügte man ſich, den höhern Würdenträgern der Kirche zu empfehlen, daß ſie die ihnen untergebenen Geiſtlichen anhalten, ſich ihrem Stande gemäß zu kleiden und alle ungezie- mende Koſtbarkeit abzuſtellen. Man enthielt ſich weiter ins Ein- zelne einzugehen, nur die Kürze des Rockes und des Mantels traf eine ſpecielle Beſtimmung: beide ſollen in der Länge gemacht werden, daß ſie hinten und vorn ziemlich wohl decken mögen. Im nächſten Jahr 1498 wurden auf dem Reichstag zu Freiburg im Breisgau dieſe Artikel noch einmal vorgenommen, beſtätigt und ihnen noch einiges hinzugefügt. Auch für den Handwerksmann ſollte der Stoff zu Röcken und Mänteln nur ½ Gulden koſten und zwar ſollte er inländiſches Fabrikat ſein, für Kappen und Hoſen war der Stoff zu ¾ Gulden erlaubt. Aller Schmuck, Sammet, Seide, Schamlot und buntgeſtickte Kleidung wurde ihm verboten. „Reiſigen Knechten“, wie die Ver- ordnung ſie bezeichnet, wurde Gold, Silber und Seide verboten; auch ſollten ſie kein „Bruſttuch“ tragen, noch goldene oder ſilberne Hauben — die einzelnen Gegenſtände und Bezeichnungen finden ſpäter ihre Erklärung —, nicht einmal beſetzen durften ſie ihre Kleider mit Seide. Ein in Falten gelegtes, mit Gold und Sil- ber geſticktes Hemd blieb den Fürſten und ihren Angehörigen nebſt den Grafen und dem niedern Adel, falls es Ritter oder Doctoren waren, vorbehalten. Der Doctor ſtand damals an Rang und Ehren dem Ritter gleich. Adligen, die nicht Ritter oder Doctoren ſind, waren Perlen und Gold in den Bruſttüchern und Hemden verboten. Die Durchführung dieſer Beſchlüſſe hing von dem guten Willen der einzelnen Fürſten und Städte ab. Es ſcheint ſich aber kein Eifer darin gezeigt zu haben, und ſo mußte die Angelegen- heit im Jahr 1500 auf dem Reichstag zu Augsburg zum dritten Mal vorgenommen werden. Nun wurde „den Kurfürſten, Fürſten oder andern Obrigkeiten, weß Würden, Weſen oder Standes ſie ſeien, bei Vermeidung kaiſerlicher Ungnade und Strafe“ aufgege- ben, daß ſie die Reichstagsbeſchlüſſe in Betreff der „Ueberflüſſig- keit der Kleider“ in ihren Landen in Ausführung zu bringen

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/209>, abgerufen am 28.03.2024.