Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
oder Locken von todtem Haar anhängen." Und insbesondere soll
das Hauptloch soweit auf die Achseln gehen, daß man die Brüste
nicht sehen könne. Keine Frau soll einen Rock tragen, der mehr
kostet als 30 Gulden -- das ist ein sehr hoher Preis, wenn wir
den damaligen Werth des Geldes in Anschlag bringen und die
Zahl etwa verfünffachen --, auch keine Landfrau in dieser Stadt,
zu dem Tanze oder sonst, einen der theurer ist. "Nur die freien
Frauen soll dies Gesetz nicht angehen." Keine Frau endlich soll
einen kurzen Mantel tragen noch einen "Knabenmantel", er sei
denn so lang, bis ein viertel Elle über den Knieen, "länger mö-
gen sie sie wohl tragen."

Die älteste Kleiderordnung von Ulm ist ebenfalls noch aus
dem vierzehnten Jahrhundert. Darnach durfte keine Frau, sei sie
von den Geschlechtern oder den Handwerkern, an ihren Kleidern
Perlen, Gold, Borten, vielfarbige oder seidene Bänder oder
Schnüre tragen; verboten waren sammtene und seidene Mäntel.
In Hinsicht der Schleier erhielten die Damen aus den Geschlech-
tern einen Vorzug vor den Handwerksfrauen: sie durften sie brei-
ter tragen, doch waren beiden, gleich den Zürcherinnen, die lan-
gen und zarten Enden verboten.

Auf der Scheide des vierzehnten und funfzehnten Jahrhun-
derts machte das Kleiderwesen den Gesetzgebern von Ulm sehr
viel zu schaffen. Vom Jahr 1406 ist eine Ordnung, welche die
Kleidung der Männer von den anhängenden Lappen (Zatteln) zu
befreien sucht. An Mänteln, Röcken und Trapperten, heißt es,
sollen keine Lappen mehr getragen werden, noch an jedem Ge-
wand mehr als acht Einschnitte sein. Nur Reitröcke dürfen mit
Lappen getragen werden, aber auch nur außerhalb der Stadt.
Wenn aber Mäntel, Röcke und Trapperte nicht mit Veh gefüttert
seien, dann dürfe man unten ein Gefränz von Lappen anbringen,
doch nur 1/4 Elle lang. Zu den Kappen oder Gugeln sollen nicht
mehr als 4 Ellen Tuch genommen werden, die aber könne man
zerschneiden, wie man wolle. Federkränze, Glocken und Schellen,
so heißt es am Schluß, sollen nie mehr in der Kirche getragen
werden, wohl aber möge man sie außerhalb derselben haben.

2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
oder Locken von todtem Haar anhängen.“ Und insbeſondere ſoll
das Hauptloch ſoweit auf die Achſeln gehen, daß man die Brüſte
nicht ſehen könne. Keine Frau ſoll einen Rock tragen, der mehr
koſtet als 30 Gulden — das iſt ein ſehr hoher Preis, wenn wir
den damaligen Werth des Geldes in Anſchlag bringen und die
Zahl etwa verfünffachen —, auch keine Landfrau in dieſer Stadt,
zu dem Tanze oder ſonſt, einen der theurer iſt. „Nur die freien
Frauen ſoll dies Geſetz nicht angehen.“ Keine Frau endlich ſoll
einen kurzen Mantel tragen noch einen „Knabenmantel“, er ſei
denn ſo lang, bis ein viertel Elle über den Knieen, „länger mö-
gen ſie ſie wohl tragen.“

Die älteſte Kleiderordnung von Ulm iſt ebenfalls noch aus
dem vierzehnten Jahrhundert. Darnach durfte keine Frau, ſei ſie
von den Geſchlechtern oder den Handwerkern, an ihren Kleidern
Perlen, Gold, Borten, vielfarbige oder ſeidene Bänder oder
Schnüre tragen; verboten waren ſammtene und ſeidene Mäntel.
In Hinſicht der Schleier erhielten die Damen aus den Geſchlech-
tern einen Vorzug vor den Handwerksfrauen: ſie durften ſie brei-
ter tragen, doch waren beiden, gleich den Zürcherinnen, die lan-
gen und zarten Enden verboten.

Auf der Scheide des vierzehnten und funfzehnten Jahrhun-
derts machte das Kleiderweſen den Geſetzgebern von Ulm ſehr
viel zu ſchaffen. Vom Jahr 1406 iſt eine Ordnung, welche die
Kleidung der Männer von den anhängenden Lappen (Zatteln) zu
befreien ſucht. An Mänteln, Röcken und Trapperten, heißt es,
ſollen keine Lappen mehr getragen werden, noch an jedem Ge-
wand mehr als acht Einſchnitte ſein. Nur Reitröcke dürfen mit
Lappen getragen werden, aber auch nur außerhalb der Stadt.
Wenn aber Mäntel, Röcke und Trapperte nicht mit Veh gefüttert
ſeien, dann dürfe man unten ein Gefränz von Lappen anbringen,
doch nur ¼ Elle lang. Zu den Kappen oder Gugeln ſollen nicht
mehr als 4 Ellen Tuch genommen werden, die aber könne man
zerſchneiden, wie man wolle. Federkränze, Glocken und Schellen,
ſo heißt es am Schluß, ſollen nie mehr in der Kirche getragen
werden, wohl aber möge man ſie außerhalb derſelben haben.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0203" n="185"/><fw place="top" type="header">2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.</fw><lb/>
oder Locken von todtem Haar anhängen.&#x201C; Und insbe&#x017F;ondere &#x017F;oll<lb/>
das Hauptloch &#x017F;oweit auf die Ach&#x017F;eln gehen, daß man die Brü&#x017F;te<lb/>
nicht &#x017F;ehen könne. Keine Frau &#x017F;oll einen Rock tragen, der mehr<lb/>
ko&#x017F;tet als 30 Gulden &#x2014; das i&#x017F;t ein &#x017F;ehr hoher Preis, wenn wir<lb/>
den damaligen Werth des Geldes in An&#x017F;chlag bringen und die<lb/>
Zahl etwa verfünffachen &#x2014;, auch keine Landfrau in die&#x017F;er Stadt,<lb/>
zu dem Tanze oder &#x017F;on&#x017F;t, einen der theurer i&#x017F;t. &#x201E;Nur die freien<lb/>
Frauen &#x017F;oll dies Ge&#x017F;etz nicht angehen.&#x201C; Keine Frau endlich &#x017F;oll<lb/>
einen kurzen Mantel tragen noch einen &#x201E;Knabenmantel&#x201C;, er &#x017F;ei<lb/>
denn &#x017F;o lang, bis ein viertel Elle über den Knieen, &#x201E;länger mö-<lb/>
gen &#x017F;ie &#x017F;ie wohl tragen.&#x201C;</p><lb/>
              <p>Die älte&#x017F;te Kleiderordnung von <hi rendition="#g">Ulm</hi> i&#x017F;t ebenfalls noch aus<lb/>
dem vierzehnten Jahrhundert. Darnach durfte keine Frau, &#x017F;ei &#x017F;ie<lb/>
von den Ge&#x017F;chlechtern oder den Handwerkern, an ihren Kleidern<lb/>
Perlen, Gold, Borten, vielfarbige oder &#x017F;eidene Bänder oder<lb/>
Schnüre tragen; verboten waren &#x017F;ammtene und &#x017F;eidene Mäntel.<lb/>
In Hin&#x017F;icht der Schleier erhielten die Damen aus den Ge&#x017F;chlech-<lb/>
tern einen Vorzug vor den Handwerksfrauen: &#x017F;ie durften &#x017F;ie brei-<lb/>
ter tragen, doch waren beiden, gleich den Zürcherinnen, die lan-<lb/>
gen und zarten Enden verboten.</p><lb/>
              <p>Auf der Scheide des vierzehnten und funfzehnten Jahrhun-<lb/>
derts machte das Kleiderwe&#x017F;en den Ge&#x017F;etzgebern von Ulm &#x017F;ehr<lb/>
viel zu &#x017F;chaffen. Vom Jahr 1406 i&#x017F;t eine Ordnung, welche die<lb/>
Kleidung der Männer von den anhängenden Lappen (Zatteln) zu<lb/>
befreien &#x017F;ucht. An Mänteln, Röcken und Trapperten, heißt es,<lb/>
&#x017F;ollen keine Lappen mehr getragen werden, noch an jedem Ge-<lb/>
wand mehr als acht Ein&#x017F;chnitte &#x017F;ein. Nur Reitröcke dürfen mit<lb/>
Lappen getragen werden, aber auch nur außerhalb der Stadt.<lb/>
Wenn aber Mäntel, Röcke und Trapperte nicht mit Veh gefüttert<lb/>
&#x017F;eien, dann dürfe man unten ein Gefränz von Lappen anbringen,<lb/>
doch nur ¼ Elle lang. Zu den Kappen oder Gugeln &#x017F;ollen nicht<lb/>
mehr als 4 Ellen Tuch genommen werden, die aber könne man<lb/>
zer&#x017F;chneiden, wie man wolle. Federkränze, Glocken und Schellen,<lb/>
&#x017F;o heißt es am Schluß, &#x017F;ollen nie mehr in der Kirche getragen<lb/>
werden, wohl aber möge man &#x017F;ie außerhalb der&#x017F;elben haben.</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[185/0203] 2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. oder Locken von todtem Haar anhängen.“ Und insbeſondere ſoll das Hauptloch ſoweit auf die Achſeln gehen, daß man die Brüſte nicht ſehen könne. Keine Frau ſoll einen Rock tragen, der mehr koſtet als 30 Gulden — das iſt ein ſehr hoher Preis, wenn wir den damaligen Werth des Geldes in Anſchlag bringen und die Zahl etwa verfünffachen —, auch keine Landfrau in dieſer Stadt, zu dem Tanze oder ſonſt, einen der theurer iſt. „Nur die freien Frauen ſoll dies Geſetz nicht angehen.“ Keine Frau endlich ſoll einen kurzen Mantel tragen noch einen „Knabenmantel“, er ſei denn ſo lang, bis ein viertel Elle über den Knieen, „länger mö- gen ſie ſie wohl tragen.“ Die älteſte Kleiderordnung von Ulm iſt ebenfalls noch aus dem vierzehnten Jahrhundert. Darnach durfte keine Frau, ſei ſie von den Geſchlechtern oder den Handwerkern, an ihren Kleidern Perlen, Gold, Borten, vielfarbige oder ſeidene Bänder oder Schnüre tragen; verboten waren ſammtene und ſeidene Mäntel. In Hinſicht der Schleier erhielten die Damen aus den Geſchlech- tern einen Vorzug vor den Handwerksfrauen: ſie durften ſie brei- ter tragen, doch waren beiden, gleich den Zürcherinnen, die lan- gen und zarten Enden verboten. Auf der Scheide des vierzehnten und funfzehnten Jahrhun- derts machte das Kleiderweſen den Geſetzgebern von Ulm ſehr viel zu ſchaffen. Vom Jahr 1406 iſt eine Ordnung, welche die Kleidung der Männer von den anhängenden Lappen (Zatteln) zu befreien ſucht. An Mänteln, Röcken und Trapperten, heißt es, ſollen keine Lappen mehr getragen werden, noch an jedem Ge- wand mehr als acht Einſchnitte ſein. Nur Reitröcke dürfen mit Lappen getragen werden, aber auch nur außerhalb der Stadt. Wenn aber Mäntel, Röcke und Trapperte nicht mit Veh gefüttert ſeien, dann dürfe man unten ein Gefränz von Lappen anbringen, doch nur ¼ Elle lang. Zu den Kappen oder Gugeln ſollen nicht mehr als 4 Ellen Tuch genommen werden, die aber könne man zerſchneiden, wie man wolle. Federkränze, Glocken und Schellen, ſo heißt es am Schluß, ſollen nie mehr in der Kirche getragen werden, wohl aber möge man ſie außerhalb derſelben haben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/203
Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/203>, abgerufen am 18.04.2024.