Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.Vorwort. allemal ein Kind seiner Zeit, eine Form, welche die Züge desherrschenden Gesammtcharakters erkennbar an sich trägt. Wie der einzelne Mensch in Kleidung, Haltung und Gang sein inne- res Wesen äußerlich offenbart, sodaß wir aus jenem auf dieses nicht bloß schließen können, sondern auch dürfen, so ist es auch bei der Nation und so auch bei einer jeden Geschichtsperiode in der ganzen äußeren Erscheinung. Nicht also das Kleid macht den Mann, sondern der Mann das Kleid. Und ebenso müssen wir das Wort des Satirikers Logau umkehren; wenn er sagt: Alamode-Kleider, Alamode-Sinnen, Wie sich's wandelt außen, wandelt sich's auch innen, so liegt das Richtige im Gegentheil: So sich's wandelt außen, wie sich's wandelt innen. Wenn ich nun die deutschen Trachten und Moden, anstatt Der Doppelausdruck der Trachten- und Modenwelt, wie er Vorwort. allemal ein Kind ſeiner Zeit, eine Form, welche die Züge desherrſchenden Geſammtcharakters erkennbar an ſich trägt. Wie der einzelne Menſch in Kleidung, Haltung und Gang ſein inne- res Weſen äußerlich offenbart, ſodaß wir aus jenem auf dieſes nicht bloß ſchließen können, ſondern auch dürfen, ſo iſt es auch bei der Nation und ſo auch bei einer jeden Geſchichtsperiode in der ganzen äußeren Erſcheinung. Nicht alſo das Kleid macht den Mann, ſondern der Mann das Kleid. Und ebenſo müſſen wir das Wort des Satirikers Logau umkehren; wenn er ſagt: Alamode-Kleider, Alamode-Sinnen, Wie ſich’s wandelt außen, wandelt ſich’s auch innen, ſo liegt das Richtige im Gegentheil: So ſich’s wandelt außen, wie ſich’s wandelt innen. Wenn ich nun die deutſchen Trachten und Moden, anſtatt Der Doppelausdruck der Trachten- und Modenwelt, wie er <TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0012" n="VI"/><fw place="top" type="header">Vorwort.</fw><lb/> allemal ein Kind ſeiner Zeit, eine Form, welche die Züge des<lb/> herrſchenden Geſammtcharakters erkennbar an ſich trägt. Wie<lb/> der einzelne Menſch in Kleidung, Haltung und Gang ſein inne-<lb/> res Weſen äußerlich offenbart, ſodaß wir aus jenem auf dieſes<lb/> nicht bloß ſchließen können, ſondern auch dürfen, ſo iſt es auch<lb/> bei der Nation und ſo auch bei einer jeden Geſchichtsperiode in<lb/> der ganzen äußeren Erſcheinung. Nicht alſo das Kleid macht den<lb/> Mann, ſondern der Mann das Kleid. Und ebenſo müſſen wir<lb/> das Wort des Satirikers Logau umkehren; wenn er ſagt:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Alamode-Kleider, Alamode-Sinnen,</l><lb/> <l>Wie ſich’s wandelt außen, wandelt ſich’s auch innen,</l> </lg><lb/> <p>ſo liegt das Richtige im Gegentheil:</p><lb/> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#g">So</hi> ſich’s wandelt außen, wie ſich’s wandelt innen.</l> </lg><lb/> <p>Wenn ich nun die deutſchen Trachten und Moden, anſtatt<lb/> ſie als bloße Geſchöpfe des Zufalls und der Laune zu betrachten,<lb/> vielmehr als mit gewiſſer Nothwendigkeit gebildete Formen des<lb/> jedesmaligen Geſammtcharakters darzuſtellen verſuchte, ſo glaubte<lb/> ich damit einen Bauſtein zu dem großen Gebäude der deutſchen<lb/> Culturgeſchichte zu liefern, von deſſen Vollendung wir wohl noch<lb/> eine gute Strecke entfernt ſind. Es iſt bis jetzt weder das Ma-<lb/> terial herbeigeſchafft, noch der Plan fertig.</p><lb/> <p>Der Doppelausdruck der Trachten- und Modenwelt, wie er<lb/> auf dem Titel ſteht, ſchließt zwar ebenſowohl die allgemeinen und<lb/> bleibenden Formen wie das ſcheinbar regellos Wechſelnde ein,<lb/> doch erſchöpft er nur im weiteren Sinn genommen das, was ich<lb/> darſtellen wollte. Denn es iſt dieſes nicht bloß die Kleidung,<lb/> ſondern überhaupt die ganze äußere menſchliche Erſcheinung, wo-<lb/> zu die geſammte Toilette, der Schmuck und auch die Begriffe von<lb/> Schönheit im Geſchmack des Volkes gehören.</p><lb/> </div> </front> </text> </TEI> [VI/0012]
Vorwort.
allemal ein Kind ſeiner Zeit, eine Form, welche die Züge des
herrſchenden Geſammtcharakters erkennbar an ſich trägt. Wie
der einzelne Menſch in Kleidung, Haltung und Gang ſein inne-
res Weſen äußerlich offenbart, ſodaß wir aus jenem auf dieſes
nicht bloß ſchließen können, ſondern auch dürfen, ſo iſt es auch
bei der Nation und ſo auch bei einer jeden Geſchichtsperiode in
der ganzen äußeren Erſcheinung. Nicht alſo das Kleid macht den
Mann, ſondern der Mann das Kleid. Und ebenſo müſſen wir
das Wort des Satirikers Logau umkehren; wenn er ſagt:
Alamode-Kleider, Alamode-Sinnen,
Wie ſich’s wandelt außen, wandelt ſich’s auch innen,
ſo liegt das Richtige im Gegentheil:
So ſich’s wandelt außen, wie ſich’s wandelt innen.
Wenn ich nun die deutſchen Trachten und Moden, anſtatt
ſie als bloße Geſchöpfe des Zufalls und der Laune zu betrachten,
vielmehr als mit gewiſſer Nothwendigkeit gebildete Formen des
jedesmaligen Geſammtcharakters darzuſtellen verſuchte, ſo glaubte
ich damit einen Bauſtein zu dem großen Gebäude der deutſchen
Culturgeſchichte zu liefern, von deſſen Vollendung wir wohl noch
eine gute Strecke entfernt ſind. Es iſt bis jetzt weder das Ma-
terial herbeigeſchafft, noch der Plan fertig.
Der Doppelausdruck der Trachten- und Modenwelt, wie er
auf dem Titel ſteht, ſchließt zwar ebenſowohl die allgemeinen und
bleibenden Formen wie das ſcheinbar regellos Wechſelnde ein,
doch erſchöpft er nur im weiteren Sinn genommen das, was ich
darſtellen wollte. Denn es iſt dieſes nicht bloß die Kleidung,
ſondern überhaupt die ganze äußere menſchliche Erſcheinung, wo-
zu die geſammte Toilette, der Schmuck und auch die Begriffe von
Schönheit im Geſchmack des Volkes gehören.
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