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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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II. Das Mittelalter.
Leib, kleine hohle Füße sind ihnen die Erfordernisse männlicher
Schönheit. Auch den Mann sollte ein goldiges, gelocktes Haar
schmücken, während das rothe, feuerfarbene von der symbolisiren-
den Zeit, die gern vom Aeußern auf das Innere schloß, auf ein
falsches Herz gedeutet wurde. Die weißen Hände zeichneten auch
den Mann nach seinem Stande aus, und es wurde viel Pflege
und Sorgfalt an sie gewendet. "Sollte ich vom Pflügen schwarze
Hände tragen," meint der Meiersohn Helmbrecht, der nach adliger
Art leben will, "so hätte ich große Schande, wenn ich tanzte an
Frauen Hand." Die provencalische Liebeslehre und Liebeskunst
schreibt vor, daß die Hände sauberer zu halten seien, als jeder
andere Theil des Körpers, denn sie seien die Diener der ununter-
brochenen Dienstesleistungen, welche die Liebe ausdrücken, von
der der Liebhaber durchdrungen ist. -- Wolfram beschreibt des
Königs Vergulacht Lieblichkeit, als sähe man den Mai blühen in
der Rosenzeit, und sein Held Parzival bannt mit der Farbe seiner
Wangen den Wankelmuth der Frauen und weiß mit seinem
Glanz Augen und Herzen festzuhalten. Doch gesteht er der blin-
den Liebe Ausnahmen zu und läßt die wunderschöne Königin des
Grals, Repanse de Schoie, von Liebe zu dem gefleckten Feirefis
erglühen, wie einst dessen Vater Gahmuret in seine Mutter, die
schwarze Mohrenkönigin von Zazamank, sich verliebt hatte. --

Die reichen und lockenden Bilder der Schönheit, welche uns
die Dichter vorführen, werden in charakteristischer Weise durch
Bilder der Häßlichkeit ergänzt, wie ein Gegensatz den andern er-
läutert. Doch geschieht es in sparsamer Weise, da schon die bloße
Schilderung einer häßlichen Frau als Beleidigung des ganzen
schönen Geschlechts angesehen werden konnte. Wolfram von
Eschenbach schildert mit sichtlichem Wohlgefallen die Hexe Kon-
drie im Parzival, obwohl er sich vorher höflichst gegen die Da-
men entschuldigt, daß er so "wider die Zucht" von einer Frau
sprechen müsse. Dieses "Hagelschauer der Freuden" war denen
nicht gleich, so man "beau gens" nennt; ihr langer, schwarzer
und fester Zopf schwang sich über den Hut bis auf den Rücken
des Maulthiers, das sie ritt; er war nicht allzuklar und lind wie

II. Das Mittelalter.
Leib, kleine hohle Füße ſind ihnen die Erforderniſſe männlicher
Schönheit. Auch den Mann ſollte ein goldiges, gelocktes Haar
ſchmücken, während das rothe, feuerfarbene von der ſymboliſiren-
den Zeit, die gern vom Aeußern auf das Innere ſchloß, auf ein
falſches Herz gedeutet wurde. Die weißen Hände zeichneten auch
den Mann nach ſeinem Stande aus, und es wurde viel Pflege
und Sorgfalt an ſie gewendet. „Sollte ich vom Pflügen ſchwarze
Hände tragen,“ meint der Meierſohn Helmbrecht, der nach adliger
Art leben will, „ſo hätte ich große Schande, wenn ich tanzte an
Frauen Hand.“ Die provençaliſche Liebeslehre und Liebeskunſt
ſchreibt vor, daß die Hände ſauberer zu halten ſeien, als jeder
andere Theil des Körpers, denn ſie ſeien die Diener der ununter-
brochenen Dienſtesleiſtungen, welche die Liebe ausdrücken, von
der der Liebhaber durchdrungen iſt. — Wolfram beſchreibt des
Königs Vergulacht Lieblichkeit, als ſähe man den Mai blühen in
der Roſenzeit, und ſein Held Parzival bannt mit der Farbe ſeiner
Wangen den Wankelmuth der Frauen und weiß mit ſeinem
Glanz Augen und Herzen feſtzuhalten. Doch geſteht er der blin-
den Liebe Ausnahmen zu und läßt die wunderſchöne Königin des
Grals, Repanſe de Schoie, von Liebe zu dem gefleckten Feirefis
erglühen, wie einſt deſſen Vater Gahmuret in ſeine Mutter, die
ſchwarze Mohrenkönigin von Zazamank, ſich verliebt hatte. —

Die reichen und lockenden Bilder der Schönheit, welche uns
die Dichter vorführen, werden in charakteriſtiſcher Weiſe durch
Bilder der Häßlichkeit ergänzt, wie ein Gegenſatz den andern er-
läutert. Doch geſchieht es in ſparſamer Weiſe, da ſchon die bloße
Schilderung einer häßlichen Frau als Beleidigung des ganzen
ſchönen Geſchlechts angeſehen werden konnte. Wolfram von
Eſchenbach ſchildert mit ſichtlichem Wohlgefallen die Hexe Kon-
drie im Parzival, obwohl er ſich vorher höflichſt gegen die Da-
men entſchuldigt, daß er ſo „wider die Zucht“ von einer Frau
ſprechen müſſe. Dieſes „Hagelſchauer der Freuden“ war denen
nicht gleich, ſo man „beau gens“ nennt; ihr langer, ſchwarzer
und feſter Zopf ſchwang ſich über den Hut bis auf den Rücken
des Maulthiers, das ſie ritt; er war nicht allzuklar und lind wie

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[94/0112] II. Das Mittelalter. Leib, kleine hohle Füße ſind ihnen die Erforderniſſe männlicher Schönheit. Auch den Mann ſollte ein goldiges, gelocktes Haar ſchmücken, während das rothe, feuerfarbene von der ſymboliſiren- den Zeit, die gern vom Aeußern auf das Innere ſchloß, auf ein falſches Herz gedeutet wurde. Die weißen Hände zeichneten auch den Mann nach ſeinem Stande aus, und es wurde viel Pflege und Sorgfalt an ſie gewendet. „Sollte ich vom Pflügen ſchwarze Hände tragen,“ meint der Meierſohn Helmbrecht, der nach adliger Art leben will, „ſo hätte ich große Schande, wenn ich tanzte an Frauen Hand.“ Die provençaliſche Liebeslehre und Liebeskunſt ſchreibt vor, daß die Hände ſauberer zu halten ſeien, als jeder andere Theil des Körpers, denn ſie ſeien die Diener der ununter- brochenen Dienſtesleiſtungen, welche die Liebe ausdrücken, von der der Liebhaber durchdrungen iſt. — Wolfram beſchreibt des Königs Vergulacht Lieblichkeit, als ſähe man den Mai blühen in der Roſenzeit, und ſein Held Parzival bannt mit der Farbe ſeiner Wangen den Wankelmuth der Frauen und weiß mit ſeinem Glanz Augen und Herzen feſtzuhalten. Doch geſteht er der blin- den Liebe Ausnahmen zu und läßt die wunderſchöne Königin des Grals, Repanſe de Schoie, von Liebe zu dem gefleckten Feirefis erglühen, wie einſt deſſen Vater Gahmuret in ſeine Mutter, die ſchwarze Mohrenkönigin von Zazamank, ſich verliebt hatte. — Die reichen und lockenden Bilder der Schönheit, welche uns die Dichter vorführen, werden in charakteriſtiſcher Weiſe durch Bilder der Häßlichkeit ergänzt, wie ein Gegenſatz den andern er- läutert. Doch geſchieht es in ſparſamer Weiſe, da ſchon die bloße Schilderung einer häßlichen Frau als Beleidigung des ganzen ſchönen Geſchlechts angeſehen werden konnte. Wolfram von Eſchenbach ſchildert mit ſichtlichem Wohlgefallen die Hexe Kon- drie im Parzival, obwohl er ſich vorher höflichſt gegen die Da- men entſchuldigt, daß er ſo „wider die Zucht“ von einer Frau ſprechen müſſe. Dieſes „Hagelſchauer der Freuden“ war denen nicht gleich, ſo man „beau gens“ nennt; ihr langer, ſchwarzer und feſter Zopf ſchwang ſich über den Hut bis auf den Rücken des Maulthiers, das ſie ritt; er war nicht allzuklar und lind wie

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/112>, abgerufen am 29.03.2024.