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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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II. Das Mittelalter.
ger bekundete, und ebenso heißt es von den Füßen der griechischen
Prinzessin Ute, wie sie dieselben dem vor ihr sitzenden König Ro-
ther in den Schooß legt:

"Die Füßlein waren zierlich und in der Mitte hohl."

Ein platter, flacher Fuß war Zeichen gemeinen Standes, wie er
noch heute in Amerika als eine durchgängige Eigenschaft des Ne-
gers gilt, der mit der Mitte des Fußes ein Loch in den Boden
drückt, statt mit Ferse und Ballen. -- Hals und Nacken muß-
ten weiß sein und von vollendeter Rundung, die Brüste hoch-
stehend, weiß, klein, wie gedrechselt.

"Zwei Brüstel als zwei Birel
Geschmieget an ihr Herzel zart."

Die Beine der schönen Phyllis, die den weisen Aristoteles zum
Liebesnarren macht und Morgens in der Frühe durch das thauige
Gras vor das Fenster Alexanders reitet, werden beschrieben "wei-
ßer als Schlossen, grader als eine Kerze und blank ohn' alle
Schwärze." --

Mit dieser im Detail völlig ausgebildeten und einer feinen
Cultur angehörenden Schönheitslehre steht der Eindruck, den die
Dichter die Erscheinung einer schönen Frau auf die Herzen der
Schauenden machen lassen, in Einklang; die Zeit hat nicht bloß
eine kühle Theorie entwickelt, sie ist selbst von der Empfindung
wahrer Schönheit im Innersten mächtig ergriffen. Keiner hat das
schöner ausgesprochen als Walther von der Vogelweide in seinem
Lobgedicht auf die Frauen:

"Durchsüßet und geblümet sind die reinen Frauen,
Es ward nie nichts so Wonnigliches anzuschauen
In Lüften, auf Erden, noch in allen grünen Auen.
Lilien, Rosenblumen, wo die leuchten
Im Maienthau durch das Gras und kleiner Vögelein Sang,
Das ist gegen solche wonnereiche Freude krank.
Wo man eine schöne Frau sieht, das kann trüben Muth erfeuchten
Und löschet alles Trauren an derselben Stund.
So lieblich lachet in Liebe ihr süßer, rother Mund,
Und Strahlen aus spielenden Augen schießen in Mannes Herzens Grund."

II. Das Mittelalter.
ger bekundete, und ebenſo heißt es von den Füßen der griechiſchen
Prinzeſſin Ute, wie ſie dieſelben dem vor ihr ſitzenden König Ro-
ther in den Schooß legt:

„Die Füßlein waren zierlich und in der Mitte hohl.“

Ein platter, flacher Fuß war Zeichen gemeinen Standes, wie er
noch heute in Amerika als eine durchgängige Eigenſchaft des Ne-
gers gilt, der mit der Mitte des Fußes ein Loch in den Boden
drückt, ſtatt mit Ferſe und Ballen. — Hals und Nacken muß-
ten weiß ſein und von vollendeter Rundung, die Brüſte hoch-
ſtehend, weiß, klein, wie gedrechſelt.

„Zwei Brüſtel als zwei Birel
Geſchmieget an ihr Herzel zart.“

Die Beine der ſchönen Phyllis, die den weiſen Ariſtoteles zum
Liebesnarren macht und Morgens in der Frühe durch das thauige
Gras vor das Fenſter Alexanders reitet, werden beſchrieben „wei-
ßer als Schloſſen, grader als eine Kerze und blank ohn’ alle
Schwärze.“ —

Mit dieſer im Detail völlig ausgebildeten und einer feinen
Cultur angehörenden Schönheitslehre ſteht der Eindruck, den die
Dichter die Erſcheinung einer ſchönen Frau auf die Herzen der
Schauenden machen laſſen, in Einklang; die Zeit hat nicht bloß
eine kühle Theorie entwickelt, ſie iſt ſelbſt von der Empfindung
wahrer Schönheit im Innerſten mächtig ergriffen. Keiner hat das
ſchöner ausgeſprochen als Walther von der Vogelweide in ſeinem
Lobgedicht auf die Frauen:

„Durchſüßet und geblümet ſind die reinen Frauen,
Es ward nie nichts ſo Wonnigliches anzuſchauen
In Lüften, auf Erden, noch in allen grünen Auen.
Lilien, Roſenblumen, wo die leuchten
Im Maienthau durch das Gras und kleiner Vögelein Sang,
Das iſt gegen ſolche wonnereiche Freude krank.
Wo man eine ſchöne Frau ſieht, das kann trüben Muth erfeuchten
Und löſchet alles Trauren an derſelben Stund.
So lieblich lachet in Liebe ihr ſüßer, rother Mund,
Und Strahlen aus ſpielenden Augen ſchießen in Mannes Herzens Grund.“
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[92/0110] II. Das Mittelalter. ger bekundete, und ebenſo heißt es von den Füßen der griechiſchen Prinzeſſin Ute, wie ſie dieſelben dem vor ihr ſitzenden König Ro- ther in den Schooß legt: „Die Füßlein waren zierlich und in der Mitte hohl.“ Ein platter, flacher Fuß war Zeichen gemeinen Standes, wie er noch heute in Amerika als eine durchgängige Eigenſchaft des Ne- gers gilt, der mit der Mitte des Fußes ein Loch in den Boden drückt, ſtatt mit Ferſe und Ballen. — Hals und Nacken muß- ten weiß ſein und von vollendeter Rundung, die Brüſte hoch- ſtehend, weiß, klein, wie gedrechſelt. „Zwei Brüſtel als zwei Birel Geſchmieget an ihr Herzel zart.“ Die Beine der ſchönen Phyllis, die den weiſen Ariſtoteles zum Liebesnarren macht und Morgens in der Frühe durch das thauige Gras vor das Fenſter Alexanders reitet, werden beſchrieben „wei- ßer als Schloſſen, grader als eine Kerze und blank ohn’ alle Schwärze.“ — Mit dieſer im Detail völlig ausgebildeten und einer feinen Cultur angehörenden Schönheitslehre ſteht der Eindruck, den die Dichter die Erſcheinung einer ſchönen Frau auf die Herzen der Schauenden machen laſſen, in Einklang; die Zeit hat nicht bloß eine kühle Theorie entwickelt, ſie iſt ſelbſt von der Empfindung wahrer Schönheit im Innerſten mächtig ergriffen. Keiner hat das ſchöner ausgeſprochen als Walther von der Vogelweide in ſeinem Lobgedicht auf die Frauen: „Durchſüßet und geblümet ſind die reinen Frauen, Es ward nie nichts ſo Wonnigliches anzuſchauen In Lüften, auf Erden, noch in allen grünen Auen. Lilien, Roſenblumen, wo die leuchten Im Maienthau durch das Gras und kleiner Vögelein Sang, Das iſt gegen ſolche wonnereiche Freude krank. Wo man eine ſchöne Frau ſieht, das kann trüben Muth erfeuchten Und löſchet alles Trauren an derſelben Stund. So lieblich lachet in Liebe ihr ſüßer, rother Mund, Und Strahlen aus ſpielenden Augen ſchießen in Mannes Herzens Grund.“

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/110>, abgerufen am 26.04.2024.