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Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724.

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der argumentorum.
lust zum studiren, so dürffte ich nur die tägliche
erfahrung zu rathe ziehen.
c) Wann der so mich höret aus einer heimlichen
ursach übel gegen mir disponiret ist, kommt ihm
alles was ich sage, ungereimt für, da darf ich
gewiß nicht reden wie ich will. Wenn ich ihm
nun aus guter meinung wozu rathen wolte, so
sage ich ihm auch wohl er solle das contrarium
thun, also kömmt ihm mein rath ungereimt für und
er resolviret sich das zu thun, was ich just inten-
direte. Einem vernünfftigem honnetten men-
schen, mag ich frey sagen, was ich gedencke, ei-
nen unvernünfftigen muß ich sehr menagiren,
zumahl wann er verschlagen ist, einen dummen
und boßhafften muß ich ebenfalls nach seinem
genie tractiren.
d) Der Dauphin paßirte einstens Diion in Bour-
gogne, und da ers übel nahm daß man nicht die
stücke gelöset, auch deßwegen dem Commendan-
ten ein übel gesichte machte, so sagte dieser, wie
er wohl zwantzig ursachen hätte warum solches
nicht geschehen. Die erste wäre, weil sie der-
mahlen keine stücken hätten. O sagte hierauf
der Dauphin, die übrigen 19 raisons will ich
euch schencken, bey so bestallten sachen. So
kommt es mir mit denenjenigen für, welche da
sie nicht vermögend die rechten gründe zu tref-
fen, dafür halten es komme auf die menge der
argumentorum an.

§. 5. Nach beschaffenheit der sache und des
zuhörers, muß auch die ordnung derer argu-
mentorum eingerichtet werden, dahero es nicht
eben allemahl rathsam die stärcksten oder die
schwächsten voranzusetzen. Soll die sache be-
wiesen werden, fängt man von probantibus
an, soll sie deutlich gemacht werden, müssen

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der argumentorum.
luſt zum ſtudiren, ſo duͤrffte ich nur die taͤgliche
erfahrung zu rathe ziehen.
c) Wann der ſo mich hoͤret aus einer heimlichen
urſach uͤbel gegen mir diſponiret iſt, kommt ihm
alles was ich ſage, ungereimt fuͤr, da darf ich
gewiß nicht reden wie ich will. Wenn ich ihm
nun aus guter meinung wozu rathen wolte, ſo
ſage ich ihm auch wohl er ſolle das contrarium
thun, alſo koͤm̃t ihm mein rath ungereimt fuͤr und
er reſolviret ſich das zu thun, was ich juſt inten-
direte. Einem vernuͤnfftigem honnetten men-
ſchen, mag ich frey ſagen, was ich gedencke, ei-
nen unvernuͤnfftigen muß ich ſehr menagiren,
zumahl wann er verſchlagen iſt, einen dummen
und boßhafften muß ich ebenfalls nach ſeinem
genie tractiren.
d) Der Dauphin paßirte einſtens Diion in Bour-
gogne, und da ers uͤbel nahm daß man nicht die
ſtuͤcke geloͤſet, auch deßwegen dem Commendan-
ten ein uͤbel geſichte machte, ſo ſagte dieſer, wie
er wohl zwantzig urſachen haͤtte warum ſolches
nicht geſchehen. Die erſte waͤre, weil ſie der-
mahlen keine ſtuͤcken haͤtten. O ſagte hierauf
der Dauphin, die uͤbrigen 19 raiſons will ich
euch ſchencken, bey ſo beſtallten ſachen. So
kommt es mir mit denenjenigen fuͤr, welche da
ſie nicht vermoͤgend die rechten gruͤnde zu tref-
fen, dafuͤr halten es komme auf die menge der
argumentorum an.

§. 5. Nach beſchaffenheit der ſache und des
zuhoͤrers, muß auch die ordnung derer argu-
mentorum eingerichtet werden, dahero es nicht
eben allemahl rathſam die ſtaͤrckſten oder die
ſchwaͤchſten voranzuſetzen. Soll die ſache be-
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an, ſoll ſie deutlich gemacht werden, muͤſſen

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[53/0071] der argumentorum. b⁾ luſt zum ſtudiren, ſo duͤrffte ich nur die taͤgliche erfahrung zu rathe ziehen. c⁾ Wann der ſo mich hoͤret aus einer heimlichen urſach uͤbel gegen mir diſponiret iſt, kommt ihm alles was ich ſage, ungereimt fuͤr, da darf ich gewiß nicht reden wie ich will. Wenn ich ihm nun aus guter meinung wozu rathen wolte, ſo ſage ich ihm auch wohl er ſolle das contrarium thun, alſo koͤm̃t ihm mein rath ungereimt fuͤr und er reſolviret ſich das zu thun, was ich juſt inten- direte. Einem vernuͤnfftigem honnetten men- ſchen, mag ich frey ſagen, was ich gedencke, ei- nen unvernuͤnfftigen muß ich ſehr menagiren, zumahl wann er verſchlagen iſt, einen dummen und boßhafften muß ich ebenfalls nach ſeinem genie tractiren. d⁾ Der Dauphin paßirte einſtens Diion in Bour- gogne, und da ers uͤbel nahm daß man nicht die ſtuͤcke geloͤſet, auch deßwegen dem Commendan- ten ein uͤbel geſichte machte, ſo ſagte dieſer, wie er wohl zwantzig urſachen haͤtte warum ſolches nicht geſchehen. Die erſte waͤre, weil ſie der- mahlen keine ſtuͤcken haͤtten. O ſagte hierauf der Dauphin, die uͤbrigen 19 raiſons will ich euch ſchencken, bey ſo beſtallten ſachen. So kommt es mir mit denenjenigen fuͤr, welche da ſie nicht vermoͤgend die rechten gruͤnde zu tref- fen, dafuͤr halten es komme auf die menge der argumentorum an. §. 5. Nach beſchaffenheit der ſache und des zuhoͤrers, muß auch die ordnung derer argu- mentorum eingerichtet werden, dahero es nicht eben allemahl rathſam die ſtaͤrckſten oder die ſchwaͤchſten voranzuſetzen. Soll die ſache be- wieſen werden, faͤngt man von probantibus an, ſoll ſie deutlich gemacht werden, muͤſſen illu- D 3

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Zitationshilfe: Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/71>, abgerufen am 04.05.2024.