und wunderliche prätensiones, zum öftern oh- ne noth beunruhiget. Die schuldigkeiten eines menschen sind einschränckungen seines rechts, wo man also keinen begrif von seinem recht, dem endzweck desselben, und denen mitteln da- zu, hat, da fassen die schuldigkeiten niemahls rechte wurtzel. Also hat der mensch das recht durch den ausdruck seiner gedancken, sein leben, gesundheit, ehre, vermögen und vergnügen zu erhalten, und bey denen fällen, welche ihm daran eintrag thun, zu schweigen, und iener tyranne, welcher den unterthanen verbieten ließ, nicht miteinander zu reden, grief denen unterthanen in ihre natürliche gerechtsame und hatte es seiner thorheit zuzuschreiben, daß das volck sich in dem besitz seines rechts, auf eine solche weise maintenirete, dabey er um den hals kam. Jch wünsche die materie, von dem recht und freyheit eines menschen, von einem andern ausgearbeitet zu sehen, da sich denn auch ein capitel, von dem recht des men- schen zu reden und zu schweigen, zeigen würde.
§. 3. Damit aber niemand in dem ge- brauch seines rechts zu weit gehe, und den zweck desselben überschreite, bey dem ausdruck seiner gedancken, so sind den menschlichen neigungen gewisse schrancken gesetzet, welche aber eben aus diesem endzweck herzuleiten. Solche be- fehlen, daß die nothwendige unterhaltung, der menschlichen gesellschafft nicht unterbrochen werde, daß auch das vergnügen derselben nicht gestöhret werde, daß man nicht andern hiezu gelegenheit gebe, und endlich daß man sich selbst, bey beobachtung dieser einschrän-
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moraliſche betrachtung
und wunderliche praͤtenſiones, zum oͤftern oh- ne noth beunruhiget. Die ſchuldigkeiten eines menſchen ſind einſchraͤnckungen ſeines rechts, wo man alſo keinen begrif von ſeinem recht, dem endzweck deſſelben, und denen mitteln da- zu, hat, da faſſen die ſchuldigkeiten niemahls rechte wurtzel. Alſo hat der menſch das recht durch den ausdruck ſeiner gedancken, ſein leben, geſundheit, ehre, vermoͤgen und vergnuͤgen zu erhalten, und bey denen faͤllen, welche ihm daran eintrag thun, zu ſchweigen, und iener tyranne, welcher den unterthanen verbieten ließ, nicht miteinander zu reden, grief denen unterthanen in ihre natuͤrliche gerechtſame und hatte es ſeiner thorheit zuzuſchreiben, daß das volck ſich in dem beſitz ſeines rechts, auf eine ſolche weiſe maintenirete, dabey er um den hals kam. Jch wuͤnſche die materie, von dem recht und freyheit eines menſchen, von einem andern ausgearbeitet zu ſehen, da ſich denn auch ein capitel, von dem recht des men- ſchen zu reden und zu ſchweigen, zeigen wuͤrde.
§. 3. Damit aber niemand in dem ge- brauch ſeines rechts zu weit gehe, und den zweck deſſelben uͤberſchreite, bey dem ausdruck ſeiner gedancken, ſo ſind den menſchlichen neigungen gewiſſe ſchrancken geſetzet, welche aber eben aus dieſem endzweck herzuleiten. Solche be- fehlen, daß die nothwendige unterhaltung, der menſchlichen geſellſchafft nicht unterbrochen werde, daß auch das vergnuͤgen derſelben nicht geſtoͤhret werde, daß man nicht andern hiezu gelegenheit gebe, und endlich daß man ſich ſelbſt, bey beobachtung dieſer einſchraͤn-
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moraliſche betrachtung
und wunderliche praͤtenſiones, zum oͤftern oh-
ne noth beunruhiget. Die ſchuldigkeiten eines
menſchen ſind einſchraͤnckungen ſeines rechts,
wo man alſo keinen begrif von ſeinem recht,
dem endzweck deſſelben, und denen mitteln da-
zu, hat, da faſſen die ſchuldigkeiten niemahls
rechte wurtzel. Alſo hat der menſch das recht
durch den ausdruck ſeiner gedancken, ſein leben,
geſundheit, ehre, vermoͤgen und vergnuͤgen zu
erhalten, und bey denen faͤllen, welche ihm
daran eintrag thun, zu ſchweigen, und iener
tyranne, welcher den unterthanen verbieten
ließ, nicht miteinander zu reden, grief denen
unterthanen in ihre natuͤrliche gerechtſame
und hatte es ſeiner thorheit zuzuſchreiben, daß
das volck ſich in dem beſitz ſeines rechts, auf
eine ſolche weiſe maintenirete, dabey er um
den hals kam. Jch wuͤnſche die materie, von
dem recht und freyheit eines menſchen, von
einem andern ausgearbeitet zu ſehen, da ſich
denn auch ein capitel, von dem recht des men-
ſchen zu reden und zu ſchweigen, zeigen wuͤrde.
§. 3. Damit aber niemand in dem ge-
brauch ſeines rechts zu weit gehe, und den zweck
deſſelben uͤberſchreite, bey dem ausdruck ſeiner
gedancken, ſo ſind den menſchlichen neigungen
gewiſſe ſchrancken geſetzet, welche aber eben
aus dieſem endzweck herzuleiten. Solche be-
fehlen, daß die nothwendige unterhaltung, der
menſchlichen geſellſchafft nicht unterbrochen
werde, daß auch das vergnuͤgen derſelben
nicht geſtoͤhret werde, daß man nicht andern
hiezu gelegenheit gebe, und endlich daß man
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Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/380>, abgerufen am 28.07.2024.
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