Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724.

Bild:
<< vorherige Seite

von denen unterschiedenen arten
ienige unterschied des stili beschliessen, welcher
daher entstehet, wann der redende den andern
zu unterrichten, oder ihn zu wiederlegen bemü-
het ist. Jener heist der stilus dogmaticus,
dieser der polemicus. Jener kommt mit dem
humili, theoretico, erudito, Philosophico,
familiari, dialogistico, gröstentheils überein,
siehet nur auf den unterricht des verstandes,
läst also den deutlichen und adäquaten ausdruck
sein hauptwerck seyn. Dieser beobachtet, weil
er mit einer etwas unangenehmen sache zu thun,
sonderlich den galanten stilum und einiger mas-
sen den stilum dogmaticum, bekümmert sich
im übrigen mehr um den deutlichen und adä-
quaten ausdruck, um die rechte fürstellung
seiner meinung, und der gründe darauf selbi-
ge beruhet, ingleichen um den rechten begrif
von des gegner meinung und seinen gründen,
als um die übrigen zierrathen des stili, vermei-
det also das satyrische wesen und den pracht
der troporum und figuren.b)

a) S. Lami I. c. IIII. cap. XV. und was ich bey an-
geführten stilis, oben erinnert.
b) Jch weiß nicht, warum mir hier die heutige, fast
allgemeine praxis, im wege stehet, ob es daher
komme, weil man so wenig in den Oratorien biß-
her vom stilo polemico erinnert, und also die
leute nicht fein von kindheit auf zum complai-
santen controvertiren angeführet, oder weil son-
derlich dieienigen, welche andern aus dem Chri-
stenthum die liebe, und aus der Moral die sanft-
muth und gelassenheit gar zu fleißig lehren, sich
selbst dabey zu lehren vergessen. Denn man

von denen unterſchiedenen arten
ienige unterſchied des ſtili beſchlieſſen, welcher
daher entſtehet, wann der redende den andern
zu unterrichten, oder ihn zu wiederlegen bemuͤ-
het iſt. Jener heiſt der ſtilus dogmaticus,
dieſer der polemicus. Jener kommt mit dem
humili, theoretico, erudito, Philoſophico,
familiari, dialogiſtico, groͤſtentheils uͤberein,
ſiehet nur auf den unterricht des verſtandes,
laͤſt alſo den deutlichen und adaͤquaten ausdruck
ſein hauptwerck ſeyn. Dieſer beobachtet, weil
er mit eineꝛ etwas unangenehmen ſache zu thun,
ſonderlich den galanten ſtilum und einiger maſ-
ſen den ſtilum dogmaticum, bekuͤmmert ſich
im uͤbrigen mehr um den deutlichen und adaͤ-
quaten ausdruck, um die rechte fuͤrſtellung
ſeiner meinung, und der gruͤnde darauf ſelbi-
ge beruhet, ingleichen um den rechten begrif
von des gegner meinung und ſeinen gruͤnden,
als um die uͤbrigen zierrathen des ſtili, vermei-
det alſo das ſatyriſche weſen und den pracht
der troporum und figuren.b)

a) S. Lami I. c. IIII. cap. XV. und was ich bey an-
gefuͤhrten ſtilis, oben erinnert.
b) Jch weiß nicht, warum mir hier die heutige, faſt
allgemeine praxis, im wege ſtehet, ob es daher
komme, weil man ſo wenig in den Oratorien biß-
her vom ſtilo polemico erinnert, und alſo die
leute nicht fein von kindheit auf zum complai-
ſanten controvertiren angefuͤhret, oder weil ſon-
derlich dieienigen, welche andern aus dem Chri-
ſtenthum die liebe, und aus der Moral die ſanft-
muth und gelaſſenheit gar zu fleißig lehren, ſich
ſelbſt dabey zu lehren vergeſſen. Denn man
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0370" n="352"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von denen                                         unter&#x017F;chiedenen arten</hi></fw><lb/>
ienige                                 unter&#x017F;chied des &#x017F;tili                                 be&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en, welcher<lb/>
daher                                 ent&#x017F;tehet, wann der redende den andern<lb/>
zu unterrichten,                                 oder ihn zu wiederlegen bemu&#x0364;-<lb/>
het i&#x017F;t. Jener                                 hei&#x017F;t der &#x017F;tilus dogmaticus,<lb/>
die&#x017F;er der                                 polemicus. Jener kommt mit dem<lb/>
humili, theoretico, erudito,                                 Philo&#x017F;ophico,<lb/>
familiari, dialogi&#x017F;tico,                                 gro&#x0364;&#x017F;tentheils u&#x0364;berein,<lb/>
&#x017F;iehet nur                                 auf den unterricht des ver&#x017F;tandes,<lb/>
la&#x0364;&#x017F;t                                 al&#x017F;o den deutlichen und ada&#x0364;quaten ausdruck<lb/>
&#x017F;ein hauptwerck &#x017F;eyn. Die&#x017F;er beobachtet,                                 weil<lb/>
er mit eine&#xA75B; etwas unangenehmen &#x017F;ache zu                                 thun,<lb/>
&#x017F;onderlich den galanten &#x017F;tilum und einiger                                 ma&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en den &#x017F;tilum dogmaticum,                                 beku&#x0364;mmert &#x017F;ich<lb/>
im u&#x0364;brigen mehr um den                                 deutlichen und ada&#x0364;-<lb/>
quaten ausdruck, um die rechte                                 fu&#x0364;r&#x017F;tellung<lb/>
&#x017F;einer meinung, und der                                 gru&#x0364;nde darauf &#x017F;elbi-<lb/>
ge beruhet, ingleichen um                                 den rechten begrif<lb/>
von des gegner meinung und &#x017F;einen                                 gru&#x0364;nden,<lb/>
als um die u&#x0364;brigen zierrathen des                                 &#x017F;tili, vermei-<lb/>
det al&#x017F;o das                                 &#x017F;atyri&#x017F;che we&#x017F;en und den pracht<lb/>
der                                 troporum und figuren.<note xml:id="notefn-b-54" next="#note-b-54" place="end" n="b)"/></p><lb/>
              <note xml:id="note-a-104" place="end" n="a)"> S. <hi rendition="#fr">Lami</hi> <hi rendition="#aq">I. c. IIII. cap. XV.</hi> und was ich bey                                     an-<lb/>
gefu&#x0364;hrten &#x017F;tilis, oben erinnert.<lb/></note>
              <note xml:id="note-b-54" prev="#notefn-b-54" place="end" n="b)">Jch weiß nicht, warum mir hier die                                     heutige, fa&#x017F;t<lb/>
allgemeine praxis, im wege                                     &#x017F;tehet, ob es daher<lb/>
komme, weil man &#x017F;o wenig                                     in den Oratorien biß-<lb/>
her vom &#x017F;tilo polemico                                     erinnert, und al&#x017F;o die<lb/>
leute nicht fein von kindheit                                     auf zum complai-<lb/>
&#x017F;anten controvertiren                                     angefu&#x0364;hret, oder weil &#x017F;on-<lb/>
derlich                                     dieienigen, welche andern aus dem Chri-<lb/>
&#x017F;tenthum die                                     liebe, und aus der Moral die &#x017F;anft-<lb/>
muth und                                     gela&#x017F;&#x017F;enheit gar zu fleißig lehren,                                     &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t dabey zu lehren                                     verge&#x017F;&#x017F;en. Denn man<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">con</fw><lb/></note>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[352/0370] von denen unterſchiedenen arten ienige unterſchied des ſtili beſchlieſſen, welcher daher entſtehet, wann der redende den andern zu unterrichten, oder ihn zu wiederlegen bemuͤ- het iſt. Jener heiſt der ſtilus dogmaticus, dieſer der polemicus. Jener kommt mit dem humili, theoretico, erudito, Philoſophico, familiari, dialogiſtico, groͤſtentheils uͤberein, ſiehet nur auf den unterricht des verſtandes, laͤſt alſo den deutlichen und adaͤquaten ausdruck ſein hauptwerck ſeyn. Dieſer beobachtet, weil er mit eineꝛ etwas unangenehmen ſache zu thun, ſonderlich den galanten ſtilum und einiger maſ- ſen den ſtilum dogmaticum, bekuͤmmert ſich im uͤbrigen mehr um den deutlichen und adaͤ- quaten ausdruck, um die rechte fuͤrſtellung ſeiner meinung, und der gruͤnde darauf ſelbi- ge beruhet, ingleichen um den rechten begrif von des gegner meinung und ſeinen gruͤnden, als um die uͤbrigen zierrathen des ſtili, vermei- det alſo das ſatyriſche weſen und den pracht der troporum und figuren. b⁾ a⁾ S. Lami I. c. IIII. cap. XV. und was ich bey an- gefuͤhrten ſtilis, oben erinnert. b⁾ Jch weiß nicht, warum mir hier die heutige, faſt allgemeine praxis, im wege ſtehet, ob es daher komme, weil man ſo wenig in den Oratorien biß- her vom ſtilo polemico erinnert, und alſo die leute nicht fein von kindheit auf zum complai- ſanten controvertiren angefuͤhret, oder weil ſon- derlich dieienigen, welche andern aus dem Chri- ſtenthum die liebe, und aus der Moral die ſanft- muth und gelaſſenheit gar zu fleißig lehren, ſich ſelbſt dabey zu lehren vergeſſen. Denn man con

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/370
Zitationshilfe: Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/370>, abgerufen am 22.11.2024.