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Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724.

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von dem ausdruck
cher veränderungen sind, die einrichtung des
verstandes,a) die mischung der temperamen-
te,b) die auferziehung,c) das clima,d) die
lebens-art,e) der genie eines ieden säculi, e) der ort, g) die materie welche man ausdruckt,
h) die affectation der leute,i) die imitation
angesehener personen,k) die natürliche be-
schaffenheiten bey der pronunciation,l) das
alter,m) etc. welche dinge so gar in einer ein-
tzigen sprache unzehliche veränderungen herfür
bringen, und sich doch niemahls gern unter
das ioch der kunst bequemen, sondern mehren-
theils lieber von der natur dependiren wollen.

a) Daher enstehet der iudiciöse, ingeniöse und
memorialische ausdruck. Der indiciöse ist rei-
cher an gedancken als worten, setzt nicht leicht
etwas vergebens, macht viel einschrenckungen,
wird daher zuweilen schwer zu verstehen, zumahl
wenn alles gar zu kurtz gefast. Z. e. Tacitus,
Petronius, Phädrus, Sallustius, Quinctilia-
nus, Buchnerus; etc. der ingeniöse, hat viel
gleichnisse, spielt mit worten, fliest wohl, bringt
allerhand einfälle an. Z. e: Florus, Ovidius,
Muretus, Hofmanns-waldau, etc. Der me-
morialische,
ist reicher an worten als gedancken,
mit phrasibus aus andern auctoribus, mit sen-
tentzen und dergleichen, geschmückt, also un-
gleich, unbeständig, weitläuftig. z. e. Barthius,
der meisten criticorum, s. Morboffs Polyh. I. I.
XXIII.
46. Am besten ists, wann iudicium,
ingenium, memorie so gemischt sind, daß das
iudicium am stärcksten, ingenium und memorie
zusammengenommen dem iudicio gleich seyn,
Z. e. beym Cicerone, Livio, Horatio, Virgilio,

von dem ausdruck
cher veraͤnderungen ſind, die einrichtung des
verſtandes,a) die miſchung der temperamen-
te,b) die auferziehung,c) das clima,d) die
lebens-art,e) der genie eines ieden ſaͤculi, e) der ort, g) die materie welche man ausdruckt,
h) die affectation der leute,i) die imitation
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ſchaffenheiten bey der pronunciation,l) das
alter,m) ꝛc. welche dinge ſo gar in einer ein-
tzigen ſprache unzehliche veraͤnderungen herfuͤr
bringen, und ſich doch niemahls gern unter
das ioch der kunſt bequemen, ſondern mehren-
theils lieber von der natur dependiren wollen.

a) Daher enſtehet der iudicioͤſe, ingenioͤſe und
memorialiſche ausdruck. Der indicioͤſe iſt rei-
cher an gedancken als worten, ſetzt nicht leicht
etwas vergebens, macht viel einſchrenckungen,
wird daher zuweilen ſchwer zu verſtehen, zumahl
wenn alles gar zu kurtz gefaſt. Z. e. Tacitus,
Petronius, Phaͤdrus, Salluſtius, Quinctilia-
nus, Buchnerus; ꝛc. der ingenioͤſe, hat viel
gleichniſſe, ſpielt mit worten, flieſt wohl, bringt
allerhand einfaͤlle an. Z. e: Florus, Ovidius,
Muretus, Hofmanns-waldau, ꝛc. Der me-
morialiſche,
iſt reicher an worten als gedancken,
mit phraſibus aus andern auctoribus, mit ſen-
tentzen und dergleichen, geſchmuͤckt, alſo un-
gleich, unbeſtaͤndig, weitlaͤuftig. z. e. Barthius,
der meiſten criticorum, ſ. Morboffs Polyh. I. I.
XXIII.
46. Am beſten iſts, wann iudicium,
ingenium, memorie ſo gemiſcht ſind, daß das
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[168/0186] von dem ausdruck cher veraͤnderungen ſind, die einrichtung des verſtandes, a⁾ die miſchung der temperamen- te, b⁾ die auferziehung, c⁾ das clima, d⁾ die lebens-art, e⁾ der genie eines ieden ſaͤculi, e⁾ der ort, g⁾ die materie welche man ausdruckt, h⁾ die affectation der leute, i⁾ die imitation angeſehener perſonen, k⁾ die natuͤrliche be- ſchaffenheiten bey der pronunciation, l⁾ das alter, m⁾ ꝛc. welche dinge ſo gar in einer ein- tzigen ſprache unzehliche veraͤnderungen herfuͤr bringen, und ſich doch niemahls gern unter das ioch der kunſt bequemen, ſondern mehren- theils lieber von der natur dependiren wollen. a⁾ Daher enſtehet der iudicioͤſe, ingenioͤſe und memorialiſche ausdruck. Der indicioͤſe iſt rei- cher an gedancken als worten, ſetzt nicht leicht etwas vergebens, macht viel einſchrenckungen, wird daher zuweilen ſchwer zu verſtehen, zumahl wenn alles gar zu kurtz gefaſt. Z. e. Tacitus, Petronius, Phaͤdrus, Salluſtius, Quinctilia- nus, Buchnerus; ꝛc. der ingenioͤſe, hat viel gleichniſſe, ſpielt mit worten, flieſt wohl, bringt allerhand einfaͤlle an. Z. e: Florus, Ovidius, Muretus, Hofmanns-waldau, ꝛc. Der me- morialiſche, iſt reicher an worten als gedancken, mit phraſibus aus andern auctoribus, mit ſen- tentzen und dergleichen, geſchmuͤckt, alſo un- gleich, unbeſtaͤndig, weitlaͤuftig. z. e. Barthius, der meiſten criticorum, ſ. Morboffs Polyh. I. I. XXIII. 46. Am beſten iſts, wann iudicium, ingenium, memorie ſo gemiſcht ſind, daß das iudicium am ſtaͤrckſten, ingenium und memorie zuſammengenommen dem iudicio gleich ſeyn, Z. e. beym Cicerone, Livio, Horatio, Virgilio, Cu-

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Zitationshilfe: Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/186>, abgerufen am 24.11.2024.