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Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724.

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und zu den fremden, insbesondere denen tod-
ten sprachen, kan ihm ein fürchterlicher Gram-
maticus oder pedantischer sprach-richter, die
sicherste anleitung geben. Gedenckt er durch
nachahmung guter exempel, glücklich oder un-
glücklich, wie es kommt, zu empyrisiren, ohne
daß er raison von seinen reden angeben könne,
so wird ihm zu solcher glückseeligkeit, ohne eine
vernünftige anleitung, der weg offen stehen.

Die sich mit denen hier benannten mitteln behel-
fen, und dadurch zur beredsamkeit zu gelangen
suchen, dencken, es bestehe dieselbe nur in wor-
ten, oder auch wohl darinn, daß man ex tempo-
re viel her plappere, deswegen lernen sie von ih-
ren informatoribus oder mademoisellen spra-
chen, wie die papagoye, mischen Teutsch, Latei-
nisch, Frantzöisch, das hinderste mit dem fö-
dersten, das hunderste ins tausende, so wunder-
barlich in einander, daß sie von denen ignoran-
ten als grosse redner, von denen verständigen
als verwegene mischer solcher sachen, die sich
nicht zusammenschicken, mit erstaunen bewun-
dert werden. Jch weiß freylich von denen
grösten rednern keinen, der sich darauf etwas
eingebildet hätte, daß er ex tempore reden könne,
und der es diesen angeführten seltzamen und
doch häuffigen wortmachern gleich zu thun ge-
sucht. Jnzwischen läugne ich nicht, daß solche
windspieler nicht zuweilen mit ihrer so genann-
ten gewissen glücklichen kühnheit (siehe Blondel
comparaison de Pindare & d' Horace p.
77.) einige
striche anbringen solten, die nach allen regeln
der kunst unverbesserlich; aber es geht ihnen,
wie den leuten, die von natur voltigiren kön-
nen; denn diese haben allezeit von grossen glück
zu
K

der gedancken.
und zu den fremden, insbeſondere denen tod-
ten ſprachen, kan ihm ein fuͤrchterlicher Gram-
maticus oder pedantiſcher ſprach-richter, die
ſicherſte anleitung geben. Gedenckt er durch
nachahmung guter exempel, gluͤcklich oder un-
gluͤcklich, wie es kommt, zu empyriſiren, ohne
daß er raiſon von ſeinen reden angeben koͤnne,
ſo wird ihm zu ſolcher gluͤckſeeligkeit, ohne eine
vernuͤnftige anleitung, der weg offen ſtehen.

Die ſich mit denen hier benannten mitteln behel-
fen, und dadurch zur beredſamkeit zu gelangen
ſuchen, dencken, es beſtehe dieſelbe nur in wor-
ten, oder auch wohl darinn, daß man ex tempo-
re viel her plappere, deswegen lernen ſie von ih-
ren informatoribus oder mademoiſellen ſpra-
chen, wie die papagoye, miſchen Teutſch, Latei-
niſch, Frantzoͤiſch, das hinderſte mit dem foͤ-
derſten, das hunderſte ins tauſende, ſo wunder-
barlich in einander, daß ſie von denen ignoran-
ten als groſſe redner, von denen verſtaͤndigen
als verwegene miſcher ſolcher ſachen, die ſich
nicht zuſammenſchicken, mit erſtaunen bewun-
dert werden. Jch weiß freylich von denen
groͤſten rednern keinen, der ſich darauf etwas
eingebildet haͤtte, daß er ex tempore reden koͤnne,
und der es dieſen angefuͤhrten ſeltzamen und
doch haͤuffigen wortmachern gleich zu thun ge-
ſucht. Jnzwiſchen laͤugne ich nicht, daß ſolche
windſpieler nicht zuweilen mit ihrer ſo genann-
ten gewiſſen gluͤcklichen kuͤhnheit (ſiehe Blondel
comparaiſon de Pindare & d’ Horace p.
77.) einige
ſtriche anbringen ſolten, die nach allen regeln
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nen; denn dieſe haben allezeit von groſſen gluͤck
zu
K
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[145/0163] der gedancken. und zu den fremden, insbeſondere denen tod- ten ſprachen, kan ihm ein fuͤrchterlicher Gram- maticus oder pedantiſcher ſprach-richter, die ſicherſte anleitung geben. Gedenckt er durch nachahmung guter exempel, gluͤcklich oder un- gluͤcklich, wie es kommt, zu empyriſiren, ohne daß er raiſon von ſeinen reden angeben koͤnne, ſo wird ihm zu ſolcher gluͤckſeeligkeit, ohne eine vernuͤnftige anleitung, der weg offen ſtehen. Die ſich mit denen hier benannten mitteln behel- fen, und dadurch zur beredſamkeit zu gelangen ſuchen, dencken, es beſtehe dieſelbe nur in wor- ten, oder auch wohl darinn, daß man ex tempo- re viel her plappere, deswegen lernen ſie von ih- ren informatoribus oder mademoiſellen ſpra- chen, wie die papagoye, miſchen Teutſch, Latei- niſch, Frantzoͤiſch, das hinderſte mit dem foͤ- derſten, das hunderſte ins tauſende, ſo wunder- barlich in einander, daß ſie von denen ignoran- ten als groſſe redner, von denen verſtaͤndigen als verwegene miſcher ſolcher ſachen, die ſich nicht zuſammenſchicken, mit erſtaunen bewun- dert werden. Jch weiß freylich von denen groͤſten rednern keinen, der ſich darauf etwas eingebildet haͤtte, daß er ex tempore reden koͤnne, und der es dieſen angefuͤhrten ſeltzamen und doch haͤuffigen wortmachern gleich zu thun ge- ſucht. Jnzwiſchen laͤugne ich nicht, daß ſolche windſpieler nicht zuweilen mit ihrer ſo genann- ten gewiſſen gluͤcklichen kuͤhnheit (ſiehe Blondel comparaiſon de Pindare & d’ Horace p. 77.) einige ſtriche anbringen ſolten, die nach allen regeln der kunſt unverbeſſerlich; aber es geht ihnen, wie den leuten, die von natur voltigiren koͤn- nen; denn dieſe haben allezeit von groſſen gluͤck zu K

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Zitationshilfe: Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/163>, abgerufen am 03.05.2024.