Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767.

Bild:
<< vorherige Seite

von der absonderung der kinder.
allein dises war keine den kindern nachteilige römi-
sche emancipation; vilmehr verblibe solchen kindern
das recht des geblütes, namens, des geschlechtes, und
der famili; und weil die mereste güter des hohen,
und nideren adels stammgüter, oder lehngüter wa-
ren; so konnten sie, falls sie darauf nicht gänzlich
verzicht geleistet hatten, der erbfolge, in ermange-
lung des mannsstammes, der stammgüter, noch
teilhaftig bleiben, und inen selbige auch vorbehal-
ten werden. Dises wird noch heute zu tage allso,
nach der regel, befunden. Bei den gemeinen leu-
ten werden von den aeltern, wenn sie der lasten ent-
lediget seyn wollen, die güter einem der kinder an-
geschlagen, welches dem übrigen geschwister ein ge-
wisses herausgeben, und damit abfinden soll; wo-
bei die aeltern, oder der überbleibende ehegatt, sich
den nötigen unterhalt vor-und ausbedingen wel-
cher hir zu lande der auszug heisset (§ 755 fgg.).
So lange aber die kinder an des vaters tische sind,
oder bei der mutter sich befinden, heisset dises: das
sizen in der were, oder man saget: sie sind noch in
der were, sie haben ihr erbteil noch nicht, sie stre-
cken ire füsse noch unter der aeltern tisch; sie sind
noch unberaten, in capillis etc, Dreyer in der samm-
lung vermischeter abhandelungen, im 1ten th. s. 9
fg. Disen werden die abgesonderte, ausser der
were sich befindende kinder, entgegen gesezet. Jn
Franken, Sachsen, allermeist aber, wo Lübisches
recht angetroffen wird, ist die völlige absonderung
gewönlich. Sie hat mancherlei ursachen zum
grunde, wobei der haß der andern ehe bei dem über-
bleibenden ehegatten nicht die geringeste ist, welche
an sehr vilen orten nicht eher verstattet wird, noch
die neue ehepacten bestätiget werden dürfen, bevor
die kinder erster ehe abgefunden worden sind, und
ihr gebürendes erbteil erhalten haben, oder zum

wenig-
L l 5

von der abſonderung der kinder.
allein diſes war keine den kindern nachteilige roͤmi-
ſche emancipation; vilmehr verblibe ſolchen kindern
das recht des gebluͤtes, namens, des geſchlechtes, und
der famili; und weil die mereſte guͤter des hohen,
und nideren adels ſtammguͤter, oder lehnguͤter wa-
ren; ſo konnten ſie, falls ſie darauf nicht gaͤnzlich
verzicht geleiſtet hatten, der erbfolge, in ermange-
lung des mannsſtammes, der ſtammguͤter, noch
teilhaftig bleiben, und inen ſelbige auch vorbehal-
ten werden. Diſes wird noch heute zu tage allſo,
nach der regel, befunden. Bei den gemeinen leu-
ten werden von den aeltern, wenn ſie der laſten ent-
lediget ſeyn wollen, die guͤter einem der kinder an-
geſchlagen, welches dem uͤbrigen geſchwiſter ein ge-
wiſſes herausgeben, und damit abfinden ſoll; wo-
bei die aeltern, oder der uͤberbleibende ehegatt, ſich
den noͤtigen unterhalt vor-und ausbedingen wel-
cher hir zu lande der auszug heiſſet (§ 755 fgg.).
So lange aber die kinder an des vaters tiſche ſind,
oder bei der mutter ſich befinden, heiſſet diſes: das
ſizen in der were, oder man ſaget: ſie ſind noch in
der were, ſie haben ihr erbteil noch nicht, ſie ſtre-
cken ire fuͤſſe noch unter der aeltern tiſch; ſie ſind
noch unberaten, in capillis ꝛc, Dreyer in der ſamm-
lung vermiſcheter abhandelungen, im 1ten th. ſ. 9
fg. Diſen werden die abgeſonderte, auſſer der
were ſich befindende kinder, entgegen geſezet. Jn
Franken, Sachſen, allermeiſt aber, wo Luͤbiſches
recht angetroffen wird, iſt die voͤllige abſonderung
gewoͤnlich. Sie hat mancherlei urſachen zum
grunde, wobei der haß der andern ehe bei dem uͤber-
bleibenden ehegatten nicht die geringeſte iſt, welche
an ſehr vilen orten nicht eher verſtattet wird, noch
die neue ehepacten beſtaͤtiget werden duͤrfen, bevor
die kinder erſter ehe abgefunden worden ſind, und
ihr gebuͤrendes erbteil erhalten haben, oder zum

wenig-
L l 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0561" n="537"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von der ab&#x017F;onderung der kinder.</hi></fw><lb/>
allein di&#x017F;es war keine den kindern nachteilige ro&#x0364;mi-<lb/>
&#x017F;che emancipation; vilmehr verblibe &#x017F;olchen kindern<lb/>
das recht des geblu&#x0364;tes, namens, des ge&#x017F;chlechtes, und<lb/>
der famili; und weil die mere&#x017F;te gu&#x0364;ter des hohen,<lb/>
und nideren adels &#x017F;tammgu&#x0364;ter, oder lehngu&#x0364;ter wa-<lb/>
ren; &#x017F;o konnten &#x017F;ie, falls &#x017F;ie darauf nicht ga&#x0364;nzlich<lb/>
verzicht gelei&#x017F;tet hatten, der erbfolge, in ermange-<lb/>
lung des manns&#x017F;tammes, der &#x017F;tammgu&#x0364;ter, noch<lb/>
teilhaftig bleiben, und inen &#x017F;elbige auch vorbehal-<lb/>
ten werden. Di&#x017F;es wird noch heute zu tage all&#x017F;o,<lb/>
nach der regel, befunden. Bei den gemeinen leu-<lb/>
ten werden von den aeltern, wenn &#x017F;ie der la&#x017F;ten ent-<lb/>
lediget &#x017F;eyn wollen, die gu&#x0364;ter einem der kinder an-<lb/>
ge&#x017F;chlagen, welches dem u&#x0364;brigen ge&#x017F;chwi&#x017F;ter ein ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;es herausgeben, und damit abfinden &#x017F;oll; wo-<lb/>
bei die aeltern, oder der u&#x0364;berbleibende ehegatt, &#x017F;ich<lb/>
den no&#x0364;tigen unterhalt vor-und ausbedingen wel-<lb/>
cher hir zu lande der auszug hei&#x017F;&#x017F;et (§ 755 fgg.).<lb/>
So lange aber die kinder an des vaters ti&#x017F;che &#x017F;ind,<lb/>
oder bei der mutter &#x017F;ich befinden, hei&#x017F;&#x017F;et di&#x017F;es: das<lb/>
&#x017F;izen in der were, oder man &#x017F;aget: &#x017F;ie &#x017F;ind noch in<lb/>
der were, &#x017F;ie haben ihr erbteil noch nicht, &#x017F;ie &#x017F;tre-<lb/>
cken ire fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e noch unter der aeltern ti&#x017F;ch; &#x017F;ie &#x017F;ind<lb/>
noch unberaten, in capillis &#xA75B;c, <hi rendition="#fr">Dreyer</hi> in der &#x017F;amm-<lb/>
lung vermi&#x017F;cheter abhandelungen, im 1ten th. &#x017F;. 9<lb/>
fg. Di&#x017F;en werden die abge&#x017F;onderte, au&#x017F;&#x017F;er der<lb/>
were &#x017F;ich befindende kinder, entgegen ge&#x017F;ezet. Jn<lb/>
Franken, Sach&#x017F;en, allermei&#x017F;t aber, wo Lu&#x0364;bi&#x017F;ches<lb/>
recht angetroffen wird, i&#x017F;t die vo&#x0364;llige ab&#x017F;onderung<lb/>
gewo&#x0364;nlich. Sie hat mancherlei ur&#x017F;achen zum<lb/>
grunde, wobei der haß der andern ehe bei dem u&#x0364;ber-<lb/>
bleibenden ehegatten nicht die geringe&#x017F;te i&#x017F;t, welche<lb/>
an &#x017F;ehr vilen orten nicht eher ver&#x017F;tattet wird, noch<lb/>
die neue ehepacten be&#x017F;ta&#x0364;tiget werden du&#x0364;rfen, bevor<lb/>
die kinder er&#x017F;ter ehe abgefunden worden &#x017F;ind, und<lb/>
ihr gebu&#x0364;rendes erbteil erhalten haben, oder zum<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">L l 5</fw><fw place="bottom" type="catch">wenig-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[537/0561] von der abſonderung der kinder. allein diſes war keine den kindern nachteilige roͤmi- ſche emancipation; vilmehr verblibe ſolchen kindern das recht des gebluͤtes, namens, des geſchlechtes, und der famili; und weil die mereſte guͤter des hohen, und nideren adels ſtammguͤter, oder lehnguͤter wa- ren; ſo konnten ſie, falls ſie darauf nicht gaͤnzlich verzicht geleiſtet hatten, der erbfolge, in ermange- lung des mannsſtammes, der ſtammguͤter, noch teilhaftig bleiben, und inen ſelbige auch vorbehal- ten werden. Diſes wird noch heute zu tage allſo, nach der regel, befunden. Bei den gemeinen leu- ten werden von den aeltern, wenn ſie der laſten ent- lediget ſeyn wollen, die guͤter einem der kinder an- geſchlagen, welches dem uͤbrigen geſchwiſter ein ge- wiſſes herausgeben, und damit abfinden ſoll; wo- bei die aeltern, oder der uͤberbleibende ehegatt, ſich den noͤtigen unterhalt vor-und ausbedingen wel- cher hir zu lande der auszug heiſſet (§ 755 fgg.). So lange aber die kinder an des vaters tiſche ſind, oder bei der mutter ſich befinden, heiſſet diſes: das ſizen in der were, oder man ſaget: ſie ſind noch in der were, ſie haben ihr erbteil noch nicht, ſie ſtre- cken ire fuͤſſe noch unter der aeltern tiſch; ſie ſind noch unberaten, in capillis ꝛc, Dreyer in der ſamm- lung vermiſcheter abhandelungen, im 1ten th. ſ. 9 fg. Diſen werden die abgeſonderte, auſſer der were ſich befindende kinder, entgegen geſezet. Jn Franken, Sachſen, allermeiſt aber, wo Luͤbiſches recht angetroffen wird, iſt die voͤllige abſonderung gewoͤnlich. Sie hat mancherlei urſachen zum grunde, wobei der haß der andern ehe bei dem uͤber- bleibenden ehegatten nicht die geringeſte iſt, welche an ſehr vilen orten nicht eher verſtattet wird, noch die neue ehepacten beſtaͤtiget werden duͤrfen, bevor die kinder erſter ehe abgefunden worden ſind, und ihr gebuͤrendes erbteil erhalten haben, oder zum wenig- L l 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/561
Zitationshilfe: Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767, S. 537. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/561>, abgerufen am 18.12.2024.