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Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767.

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I haubtst. von der wirklichkeit
hätten machen können; da doch ihnen zum rume
gereichet: daß sie andern Reichen, und völkern ge-
säze haben mitteilen, und fürschreiben können;
auch andere benachbarte völkerschaften, als die
Polen, Böhmen, Gelder, Holländer etc, ire rech-
te an- und aufgenommen haben, wie besonders
vom Sachsenrechte bekannt ist. Die Teutsche
hasseten die Römer, und deren rechte, Freiherr
von Senkenberg
in den gedanken von dem ieder-
zeit lebhaften gebrauche des uralten teutschen bür-
gerlichen und staats-rechtes, 1759, 8v, im ersten
haubtstücke, und libeten ire landessitten, auch
gewonheiten, wovon sich nicht leicht ein bauer
abbringen lässet. Es hat auch die annemung
fremder rechte ire grosse bedenklich- und schwi-
rigkeiten. Der gemeine mann, und ungelehrte
verstehet sie auch nicht.

§ 3
das teutsche
recht ist für das
blosse ver-
nunftrecht
nicht zu halten.

Diejenige aber, welche wähnen: als wenn das
teutsche recht das blosse vernunftrecht wäre (§ 1);
mithin das daseyn desselben aus disem grunde in
zweiffel zihen wollen; irren sich sehr. Denn, ob
man schon in abrede nicht stellen kan: welcherge-
stalt die Teutsche das vernunftrecht, als ein allge-
meines von Gott dem menschen eingepflanztes
recht, wie alle andere völkerschaften, anerkannt ha-
ben, welches alle menschen, die Regenten selbst,
die unterthanen, und freie völker gegen einander
verbindlich machet; mithin dasselbe, unter andern,
bei den stiftungen irer gedinge, und handelungen,
klagen, auch entscheidungen der streithändel; im-
gleichen bei abfassung irer bürgerlichen gesäze,
und bei den hergebrachten gewonheiten zum grun-
de geleget; darnebst dasselbe, samt der natürlichen
billigkeit, vor andern völkern, besonders aber vor

den

I haubtſt. von der wirklichkeit
haͤtten machen koͤnnen; da doch ihnen zum rume
gereichet: daß ſie andern Reichen, und voͤlkern ge-
ſaͤze haben mitteilen, und fuͤrſchreiben koͤnnen;
auch andere benachbarte voͤlkerſchaften, als die
Polen, Boͤhmen, Gelder, Hollaͤnder ꝛc, ire rech-
te an- und aufgenommen haben, wie beſonders
vom Sachſenrechte bekannt iſt. Die Teutſche
haſſeten die Roͤmer, und deren rechte, Freiherr
von Senkenberg
in den gedanken von dem ieder-
zeit lebhaften gebrauche des uralten teutſchen buͤr-
gerlichen und ſtaats-rechtes, 1759, 8v, im erſten
haubtſtuͤcke, und libeten ire landesſitten, auch
gewonheiten, wovon ſich nicht leicht ein bauer
abbringen laͤſſet. Es hat auch die annemung
fremder rechte ire groſſe bedenklich- und ſchwi-
rigkeiten. Der gemeine mann, und ungelehrte
verſtehet ſie auch nicht.

§ 3
das teutſche
recht iſt fuͤr das
bloſſe ver-
nunftrecht
nicht zu halten.

Diejenige aber, welche waͤhnen: als wenn das
teutſche recht das bloſſe vernunftrecht waͤre (§ 1);
mithin das daſeyn deſſelben aus diſem grunde in
zweiffel zihen wollen; irren ſich ſehr. Denn, ob
man ſchon in abrede nicht ſtellen kan: welcherge-
ſtalt die Teutſche das vernunftrecht, als ein allge-
meines von Gott dem menſchen eingepflanztes
recht, wie alle andere voͤlkerſchaften, anerkannt ha-
ben, welches alle menſchen, die Regenten ſelbſt,
die unterthanen, und freie voͤlker gegen einander
verbindlich machet; mithin daſſelbe, unter andern,
bei den ſtiftungen irer gedinge, und handelungen,
klagen, auch entſcheidungen der ſtreithaͤndel; im-
gleichen bei abfaſſung irer buͤrgerlichen geſaͤze,
und bei den hergebrachten gewonheiten zum grun-
de geleget; darnebſt daſſelbe, ſamt der natuͤrlichen
billigkeit, vor andern voͤlkern, beſonders aber vor

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[6/0030] I haubtſt. von der wirklichkeit haͤtten machen koͤnnen; da doch ihnen zum rume gereichet: daß ſie andern Reichen, und voͤlkern ge- ſaͤze haben mitteilen, und fuͤrſchreiben koͤnnen; auch andere benachbarte voͤlkerſchaften, als die Polen, Boͤhmen, Gelder, Hollaͤnder ꝛc, ire rech- te an- und aufgenommen haben, wie beſonders vom Sachſenrechte bekannt iſt. Die Teutſche haſſeten die Roͤmer, und deren rechte, Freiherr von Senkenberg in den gedanken von dem ieder- zeit lebhaften gebrauche des uralten teutſchen buͤr- gerlichen und ſtaats-rechtes, 1759, 8v, im erſten haubtſtuͤcke, und libeten ire landesſitten, auch gewonheiten, wovon ſich nicht leicht ein bauer abbringen laͤſſet. Es hat auch die annemung fremder rechte ire groſſe bedenklich- und ſchwi- rigkeiten. Der gemeine mann, und ungelehrte verſtehet ſie auch nicht. § 3 Diejenige aber, welche waͤhnen: als wenn das teutſche recht das bloſſe vernunftrecht waͤre (§ 1); mithin das daſeyn deſſelben aus diſem grunde in zweiffel zihen wollen; irren ſich ſehr. Denn, ob man ſchon in abrede nicht ſtellen kan: welcherge- ſtalt die Teutſche das vernunftrecht, als ein allge- meines von Gott dem menſchen eingepflanztes recht, wie alle andere voͤlkerſchaften, anerkannt ha- ben, welches alle menſchen, die Regenten ſelbſt, die unterthanen, und freie voͤlker gegen einander verbindlich machet; mithin daſſelbe, unter andern, bei den ſtiftungen irer gedinge, und handelungen, klagen, auch entſcheidungen der ſtreithaͤndel; im- gleichen bei abfaſſung irer buͤrgerlichen geſaͤze, und bei den hergebrachten gewonheiten zum grun- de geleget; darnebſt daſſelbe, ſamt der natuͤrlichen billigkeit, vor andern voͤlkern, beſonders aber vor den

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Zitationshilfe: Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/30>, abgerufen am 27.04.2024.