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Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767.

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XXXVI haubtstück,
zu befelen, noch solches in seinem eigentume. De-
rohalben sagete man im sprüchworte: schirmherr,
sturmherr, 2) schuz und schirm gibet keine obrig-
keit, von Pistorius amoen. th. V, s. 1455, th. VI,
s. 1682, wie die Reichsstadt Wezlar auch be-
haubtet; und obschon der vogt, auch schuldheiß
bei dasigem stadtgerichte siz habe; so komme inen
doch kein stimmenrecht darin zu; gestalt dann,
wenn ein urtel gefället werden sollte, die schöffen,
nebst dem schreiber, in die rahtsstube, der vogt,
und schuldheiß aber in das audienzzimmer sich ver-
fügeten; mithin dise nicht eher erfüren: wie das
urtel laute, biß solches eröfnet, oder vorgelesen
worden sei. Raht, und gericht hätten concurren-
te gerichtbarkeit; im rahte sässen weder vogt, noch
schuldheiß; wohl aber im gerichte. Der kläger
habe die wal: ob er seine klage bei dem rahte, oder
bei dem gerichte erheben wolle. Jn beiden fällen
gehe die berufung nicht an den Reichsvogt, noch
Reichsschuldheiß; sondern an die höchsten Reichs-
gerichte; immassen vom gegenteile weiter nichts,
als der mißbrauch unruhiger köpfe aufzuweisen
sei. Jm übrigen streiten die Evangelische, und
Römisch-Catholische über das wort: vogtei. Dise
behaupten: es bedeute die landeshoheit; hingegen
sagen die Evangelische: nein! jene begeren eine ur-
kunde: daß es keine landeshoheit bedeute. Jn-
zwischen konnte der schuzherr wohl besazung daselbst
haben, wenn sie nötig war. Die vogtei ist ent-
standen: entweder aus dem patronatrechte, da
man sich diselbe vorbehilte, oder es hatte sie einer
vom teutschen Könige überkommen. Die teutsche
Könige hatten die bißtümer, und stifter unter irer
gewalt. Sie konnten sie aber nicht alle verteidi-
gen, und beschirmen. Derowegen sezeten sie
mundiburdos darüber. Die vogtei über die stif-

ter

XXXVI haubtſtuͤck,
zu befelen, noch ſolches in ſeinem eigentume. De-
rohalben ſagete man im ſpruͤchworte: ſchirmherr,
ſturmherr, 2) ſchuz und ſchirm gibet keine obrig-
keit, von Piſtorius amoen. th. V, ſ. 1455, th. VI,
ſ. 1682, wie die Reichsſtadt Wezlar auch be-
haubtet; und obſchon der vogt, auch ſchuldheiß
bei daſigem ſtadtgerichte ſiz habe; ſo komme inen
doch kein ſtimmenrecht darin zu; geſtalt dann,
wenn ein urtel gefaͤllet werden ſollte, die ſchoͤffen,
nebſt dem ſchreiber, in die rahtsſtube, der vogt,
und ſchuldheiß aber in das audienzzimmer ſich ver-
fuͤgeten; mithin diſe nicht eher erfuͤren: wie das
urtel laute, biß ſolches eroͤfnet, oder vorgeleſen
worden ſei. Raht, und gericht haͤtten concurren-
te gerichtbarkeit; im rahte ſaͤſſen weder vogt, noch
ſchuldheiß; wohl aber im gerichte. Der klaͤger
habe die wal: ob er ſeine klage bei dem rahte, oder
bei dem gerichte erheben wolle. Jn beiden faͤllen
gehe die berufung nicht an den Reichsvogt, noch
Reichsſchuldheiß; ſondern an die hoͤchſten Reichs-
gerichte; immaſſen vom gegenteile weiter nichts,
als der mißbrauch unruhiger koͤpfe aufzuweiſen
ſei. Jm uͤbrigen ſtreiten die Evangeliſche, und
Roͤmiſch-Catholiſche uͤber das wort: vogtei. Diſe
behaupten: es bedeute die landeshoheit; hingegen
ſagen die Evangeliſche: nein! jene begeren eine ur-
kunde: daß es keine landeshoheit bedeute. Jn-
zwiſchen konnte der ſchuzherr wohl beſazung daſelbſt
haben, wenn ſie noͤtig war. Die vogtei iſt ent-
ſtanden: entweder aus dem patronatrechte, da
man ſich diſelbe vorbehilte, oder es hatte ſie einer
vom teutſchen Koͤnige uͤberkommen. Die teutſche
Koͤnige hatten die bißtuͤmer, und ſtifter unter irer
gewalt. Sie konnten ſie aber nicht alle verteidi-
gen, und beſchirmen. Derowegen ſezeten ſie
mundiburdos daruͤber. Die vogtei uͤber die ſtif-

ter
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[222/0246] XXXVI haubtſtuͤck, zu befelen, noch ſolches in ſeinem eigentume. De- rohalben ſagete man im ſpruͤchworte: ſchirmherr, ſturmherr, 2) ſchuz und ſchirm gibet keine obrig- keit, von Piſtorius amoen. th. V, ſ. 1455, th. VI, ſ. 1682, wie die Reichsſtadt Wezlar auch be- haubtet; und obſchon der vogt, auch ſchuldheiß bei daſigem ſtadtgerichte ſiz habe; ſo komme inen doch kein ſtimmenrecht darin zu; geſtalt dann, wenn ein urtel gefaͤllet werden ſollte, die ſchoͤffen, nebſt dem ſchreiber, in die rahtsſtube, der vogt, und ſchuldheiß aber in das audienzzimmer ſich ver- fuͤgeten; mithin diſe nicht eher erfuͤren: wie das urtel laute, biß ſolches eroͤfnet, oder vorgeleſen worden ſei. Raht, und gericht haͤtten concurren- te gerichtbarkeit; im rahte ſaͤſſen weder vogt, noch ſchuldheiß; wohl aber im gerichte. Der klaͤger habe die wal: ob er ſeine klage bei dem rahte, oder bei dem gerichte erheben wolle. Jn beiden faͤllen gehe die berufung nicht an den Reichsvogt, noch Reichsſchuldheiß; ſondern an die hoͤchſten Reichs- gerichte; immaſſen vom gegenteile weiter nichts, als der mißbrauch unruhiger koͤpfe aufzuweiſen ſei. Jm uͤbrigen ſtreiten die Evangeliſche, und Roͤmiſch-Catholiſche uͤber das wort: vogtei. Diſe behaupten: es bedeute die landeshoheit; hingegen ſagen die Evangeliſche: nein! jene begeren eine ur- kunde: daß es keine landeshoheit bedeute. Jn- zwiſchen konnte der ſchuzherr wohl beſazung daſelbſt haben, wenn ſie noͤtig war. Die vogtei iſt ent- ſtanden: entweder aus dem patronatrechte, da man ſich diſelbe vorbehilte, oder es hatte ſie einer vom teutſchen Koͤnige uͤberkommen. Die teutſche Koͤnige hatten die bißtuͤmer, und ſtifter unter irer gewalt. Sie konnten ſie aber nicht alle verteidi- gen, und beſchirmen. Derowegen ſezeten ſie mundiburdos daruͤber. Die vogtei uͤber die ſtif- ter

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Zitationshilfe: Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/246>, abgerufen am 11.05.2024.