Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886.Statt zum Ringelreih'n zu springen!"
Und sie kniete zu ihm nieder, Löste sorglich seine Fesseln; Ach, mit wie viel bösen Fädlein War der fromme Herr umstricket! "Seht doch, Herr, wie ins Verhängniß Ahnungslos Ihr seid getaumelt, Lockten Euch vielleicht die rothen Vogelbeeren, die dort winken, Oder wart Ihr in Gedanken So entrückt dem Erdentreiben, Daß Ihr zwischen Klee und Blüthen Keine Hinterlist vermuthet?" Auf das tief geneigte Köpfchen, Goldbraun in der Sonne schimmernd, Blickte fassungslos der Bruder, Auf den weißen Mädchennacken, Der wie Märzenschnee und Lilie Ihm zu Füßen schlank sich wieget, Und er spricht mit bangem Zögern: "Habe Dank für Deine Mühe, Die mich säumigen Gesellen Unverdienter Weis' befreiet. Hoffentlich wird diese Lehre Mich die Augen öffnen lassen, Wenn ich künftig hier lustwandle. Sprich, bist Du des Vogelstellers Mägdlein oder Enkeltochter? Reimar nanntest Du den Alten." "Nein, Herr, nichts von beiden bin ich," Lacht das Dirnlein auf den Knieen, Statt zum Ringelreih'n zu ſpringen!“
Und ſie kniete zu ihm nieder, Löſte ſorglich ſeine Feſſeln; Ach, mit wie viel böſen Fädlein War der fromme Herr umſtricket! „Seht doch, Herr, wie ins Verhängniß Ahnungslos Ihr ſeid getaumelt, Lockten Euch vielleicht die rothen Vogelbeeren, die dort winken, Oder wart Ihr in Gedanken So entrückt dem Erdentreiben, Daß Ihr zwiſchen Klee und Blüthen Keine Hinterliſt vermuthet?“ Auf das tief geneigte Köpfchen, Goldbraun in der Sonne ſchimmernd, Blickte faſſungslos der Bruder, Auf den weißen Mädchennacken, Der wie Märzenſchnee und Lilie Ihm zu Füßen ſchlank ſich wieget, Und er ſpricht mit bangem Zögern: „Habe Dank für Deine Mühe, Die mich ſäumigen Geſellen Unverdienter Weiſ' befreiet. Hoffentlich wird dieſe Lehre Mich die Augen öffnen laſſen, Wenn ich künftig hier luſtwandle. Sprich, biſt Du des Vogelſtellers Mägdlein oder Enkeltochter? Reimar nannteſt Du den Alten.“ „Nein, Herr, nichts von beiden bin ich,“ Lacht das Dirnlein auf den Knieen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0086" n="72"/> <lg n="12"> <l>Statt zum Ringelreih'n zu ſpringen!“</l><lb/> <l>Und ſie kniete zu ihm nieder,</l><lb/> <l>Löſte ſorglich ſeine Feſſeln;</l><lb/> <l>Ach, mit wie viel böſen Fädlein</l><lb/> <l>War der fromme Herr umſtricket!</l><lb/> <l>„Seht doch, Herr, wie ins Verhängniß</l><lb/> <l>Ahnungslos Ihr ſeid getaumelt,</l><lb/> <l>Lockten Euch vielleicht die rothen</l><lb/> <l>Vogelbeeren, die dort winken,</l><lb/> <l>Oder wart Ihr in Gedanken</l><lb/> <l>So entrückt dem Erdentreiben,</l><lb/> <l>Daß Ihr zwiſchen Klee und Blüthen</l><lb/> <l>Keine Hinterliſt vermuthet?“</l><lb/> <l>Auf das tief geneigte Köpfchen,</l><lb/> <l>Goldbraun in der Sonne ſchimmernd,</l><lb/> <l>Blickte faſſungslos der Bruder,</l><lb/> <l>Auf den weißen Mädchennacken,</l><lb/> <l>Der wie Märzenſchnee und Lilie</l><lb/> <l>Ihm zu Füßen ſchlank ſich wieget,</l><lb/> <l>Und er ſpricht mit bangem Zögern:</l><lb/> <l>„Habe Dank für Deine Mühe,</l><lb/> <l>Die mich ſäumigen Geſellen</l><lb/> <l>Unverdienter Weiſ' befreiet.</l><lb/> <l>Hoffentlich wird dieſe Lehre</l><lb/> <l>Mich die Augen öffnen laſſen,</l><lb/> <l>Wenn ich künftig hier luſtwandle.</l><lb/> <l>Sprich, biſt Du des Vogelſtellers</l><lb/> <l>Mägdlein oder Enkeltochter?</l><lb/> <l>Reimar nannteſt Du den Alten.“</l><lb/> <l>„Nein, Herr, nichts von beiden bin ich,“</l><lb/> <l>Lacht das Dirnlein auf den Knieen,</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [72/0086]
Statt zum Ringelreih'n zu ſpringen!“
Und ſie kniete zu ihm nieder,
Löſte ſorglich ſeine Feſſeln;
Ach, mit wie viel böſen Fädlein
War der fromme Herr umſtricket!
„Seht doch, Herr, wie ins Verhängniß
Ahnungslos Ihr ſeid getaumelt,
Lockten Euch vielleicht die rothen
Vogelbeeren, die dort winken,
Oder wart Ihr in Gedanken
So entrückt dem Erdentreiben,
Daß Ihr zwiſchen Klee und Blüthen
Keine Hinterliſt vermuthet?“
Auf das tief geneigte Köpfchen,
Goldbraun in der Sonne ſchimmernd,
Blickte faſſungslos der Bruder,
Auf den weißen Mädchennacken,
Der wie Märzenſchnee und Lilie
Ihm zu Füßen ſchlank ſich wieget,
Und er ſpricht mit bangem Zögern:
„Habe Dank für Deine Mühe,
Die mich ſäumigen Geſellen
Unverdienter Weiſ' befreiet.
Hoffentlich wird dieſe Lehre
Mich die Augen öffnen laſſen,
Wenn ich künftig hier luſtwandle.
Sprich, biſt Du des Vogelſtellers
Mägdlein oder Enkeltochter?
Reimar nannteſt Du den Alten.“
„Nein, Herr, nichts von beiden bin ich,“
Lacht das Dirnlein auf den Knieen,
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